Holger Schmenk & Christian Krumm
Kumpels In Kutten - Heavy Metal Im Ruhrgebiet
Kumpels In Kutten - Heavy Metal Im Ruhrgebiet 253 Seiten (DIN A 5), gebunden
teilweise bebildert (S/W)
Medium: Buch
Erschienen im Verlag Henselowsky Boschmann, 1. Auflage, 2010
ISBN-10: 3942094029
ISBN-13: 978-3942094023
Preis: EUR 16,90


Review vom 21.11.2010

      

Marius Gindra                Jens Groh
Ein Buch, zwei Meinungen ... Marius sieht das wie folgt:
Ein kompetentes Buch über die Metal-Szene im berühmt-berüchtigten Ruhrpott zu veröffentlichen, ist schon seit Jahren vonnöten, denn mit den zahlreichen Ereignissen und legendären Geschichten, die sich in der schwermetallischen Musiklandschaft zwischen Düsseldorf und Dortmund seit Anfang der 1980er ereigneten, könnte man mittlerweile wahrscheinlich mehrere Bände füllen. Doch das Wichtigste auf etwa 250 DIN A 5-Seiten zu packen ist schwer! Sehr schwer ...
Die beiden Ruhrgebiets-Historiker Holger Schmenk (geboren 1978) und Christian Krumm (geboren 1977), beide seit längerem Fans dieser magischen Musik, haben sich der scheinbar nahezu unlösbaren Aufgabe angenommen und präsentieren mit dem fetten Wälzer "Kumpels In Kutten - Heavy Metal Im Ruhrgebiet" auf insgesamt 256, teilweise schwarz-weiß bebilderten Seiten einen astrein zusammengefassten Überblick über die Metal-Geschichte der größten deutschen Metropolregion. Gekonnt paaren sich interessante, alles andere als oberflächliche Interviews mit Größen wie Tom Angelripper (Sodom), Chris Boltendahl (Grave Digger) und Victor Smolsky (Rage) mit interessanten, gut durchrecherchierten Bandporträits (auch über kleinere Bands wie Mekong Delta, Angel Dust und Scanner).
Ebenso bekommt man einige Artikel über einflussreiche Institutionen wie das aus Dortmund entstammende Rock Hard Magazin (deren Festival im Gelsenkirchener Amphitheater und ihrer Spaß-Combo Randalica man ebenfalls einige Seiten widmet), die ebenso in der Borussia-Stadt ansässigen Century Media oder auch dem von Boggi Kopec ins Leben gerufenen Drakkar Entertainment geboten. Selbst im Untergrund berühmte Fanclubs wie der legendäre Heavy Metal Fan Club Velbert 1981 oder Konzertveranstalter kleinerer Festivals wie das Benefiz-Event "Metal For Mercy" oder das in Mülheim-Kärlich ausgetragene "Castle Rock" dürfen sich in diesem professionell herausgegebenen, gebundenen Buch kurz vorstellen. Mehrere Gastbeiträge von solch illustren Szene-Gestalten wie Peter Burtz (ehemaliger Chefredakteur des Metal Hammers und damaliger Sänger der seit 1989 aufgelösten Teutonen Metal-Kultband Steeler um Axel Rudi Pell), Dirk Zimmermann (Labelgründer des Pagan Metal-Labels Black Bards Entertainment), Björn Wilmsmann (Gründer der Pott-Radiosendung Bottrop Rock City) oder ein Grußwort von Rock Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund verfeinern den spannenden Inhalt genauso wie kurze, aber prägnante Portraits über Einrichtungen wie die Zeche Carl (Essen), die Old School-Metal-Kneipe Helvete (Oberhausen), die Zeche Bochum oder der seit Ewigkeiten leider schon nicht mehr existente Szene-Schuppen Mephisto im Schloss Horst in Gelsenkirchen.
Auch allgemeingültige Themen wie die das häufige Drehen einiger Bandkaruselle ("Love Us Or Hate Us - Kontakte, Konflikte, Besetzungswechsel"), die Krise des Metal Mitte der 90er ("Alive But Dead - Ist der Metal tot?") oder das Comeback des traditionellen Metals ("Reconquering The Throne - Die Wiederauferstehung des Thrash"), werden dem Pott gekonnt zugeschnitten. Beendet wird das Buch mit einer kurzen, natürlich auch leicht subjektiven Vorstellung einiger Nachwuchshoffnungen wie beispielsweise den Death-Thrashern von Path Of Golconda, The Claymore, aber auch den Metalcore-Superstars von Caliban (über deren Daseinsberechtigung auf diesen Seiten man sich nun mal wieder stundenlang streiten könnte...).
Man merkt den beiden Autoren zweifellos jederzeit eine große Liebe zu und ein ausgeprägtes Interesse an dieser faszinierenden Thematik an, was sich durch gute Recherche und einer informativen Wortwahl bemerkbar macht. Keines der insgesamt 14 Kapitel ist im Übrigen mehr als etwa zwanzig Seiten lang, sodass man auch zwischendurch im Alltag immer mal Zeit finden kann, sich von einen Kapitel ins nächste zu lesen.

Endfazit: Ein sehr informatives Buch, das für jeden Headbanger mit Faszination für einheimische Härtner-Mucke fast schon zu einer Bibel mutieren dürfte. Für mich persönlich definitiv DIE Fachliteratur des Jahres 2010!
Jens ist anderer Meinung:
Nachdem unser Herr Gindra dieses Buch so vollmundig angepriesen hatte, legte ich mir auch ein Exemplar zu. Allerdings wurde ich doch herb enttäuscht und ärgere mich über jeden Euro.
Erstens ist der 'dicke Wälzer', von dem die Rede ist, ein schmächtiges, 253-seitiges Büchlein (sind etwa Pixibücher auch schon Werke von epochalen Ausmaßen???), das man locker an einem Nachmittag lesen kann. Und zweitens, wenn nicht dermaßen oft ein und dieselbe Tatsache erklärt werden würde (ja, Waldemar Sorychta war mal bei Despair und hat später mit Grip Inc gezockt, wird mindestens dreimal erläutert, blablabla) würde dieses sowieso schon nicht gerade üppige Stück Fachliteratur auf ungefähr 120 Seiten schrumpfen. Sollte einen die Peristaltik demnächst mal wieder aufs Örtchen ziehen, kann man hier locker mal durchblättern; länger als ein ordentlicher Klogang ist nicht vonnöten!
Leider, und das sollte erwähnt werden, bietet "Kumpels in Kutten" nichts, aber auch rein gar nichts Neues, was der Durchschnitts-Thrasher/Metaller nicht schon weiß.
Ob es jetzt der Werdegang Sodoms ist, (den man wesentlich detaillierter auf deren ersten DVD "Lords Of Depravity" erleben kann, von der auch etliche Passagen enthalten sind) oder Besonderes von Grave Digger - auch hier ist man mit der Biographie des Herrn Boltendahl um ein Vielfaches besser beraten.
Das ganze Buch wirkt sehr zerfahren und leseunfreundlich, besonders dadurch, dass oft keine Absätze vorhanden sind, kommt man doch ins Stocken. Zumal es auch nicht dienlich ist, wenn Bandalben-Auflistungen nacheinander genannt werden, nur um jene am Ende noch einmal abzudrucken. Die "Zitate aus der Szene" am Ende des Buches sind schlicht nur ein paar Aussagen, die noch einmal recycelt wurden. Auch die Interviews bringen nichts Neues zutage und kommen mit den üblichen Standardfragen um die Ecke.
Zwar gibt es einige Band-Portraits, aber wie immer die üblichen Verdächtigen. So bekommen z. B. Kreator und Grave Digger zum x-ten Mal die Ehre, Bands wie Living Death oder Mekong Delta werden aber nur gestreift. Auch eine Truppe wie Violent Force wird mit wenigen Worten abgekaut.
Und ob ich als (Thrasher) Banger in einem Metal-Buch erzählt bekommen möchte, dass Unheilig sich ja sooo angestrengt hätten, weil sie drei Stunden Autogramme gegeben haben, oder Korpiklaani irgendwelche Japaner im Hotel erschreckt haben, möchte ich doch sehr bezweifeln.
Außerdem ist mir das Rock Hard ein bisschen zu überpräsent (drei ganzseitige Cover alter Hefte, Bilder vom Festival usw.), denn der Metal Hammer stammte ja anfangs auch aus dem Pott (dessen erstes Cover sieht man nicht!). Schade, denn gerade hier hätten die Macher doch vielleicht eher mal ein altes Fanzine aus der Zeit vorstellen können. Auch die Fotos sind meist nur Bandpics und ähnliches, das zu 95% bekannt ist.
So viel zum Thema gut recherchiert, denn alles was in diesem Buch auftaucht, sollte sowieso jedem anständigen Kuttenträger geläufig sein.
Nun mein lieber Marius, du glaubst, dass dieses Buch zur Bibel für Metaller aufsteigt? Wenn das so sein sollte, bleibe ich lieber Atheist!!!!
Mein Fazit: Für so alte Böcke wie mich bringt "Kumpels in Kutten" rein gar nichts, Jungmetaller oder die es erst werden möchten, können ja mal einen Blick riskieren. Metaller, die auch schon in den 80ern den harten Klängen gelauscht haben, sollten sich die Kohle lieber sparen und den Zaster besser in Vinyl oder in Gerstenkaltschalen investieren!!!
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