Die Geschichte beginnt Anfang der 80er - im Grunde genommen eine total verrückte Zeit - eine Zeit des schlechten Geschmacks:
laut und schrill musste alles sein, fetzige Haarspray-Frisuren ließen die Ozonwerte auf das Mehrfache ansteigen, Spandexhosen, Netzhemden und Schweißbänder waren angesagt, Neonfarben dominierten.
Ja und die Musik? Die Neue Deutsche Welle eroberte die Charts, sogenannte One-Hit-Wonder schossen wie Pilze aus dem Boden, Disco-Sound und Electro-Pop liefen die Radiostationen rauf und runter - grausig.
Aber es entwickelte sich auch eine völlig andere Musikszene, der Heavy Metal - für Leute mit anständigem Musikgeschmack fernab von jedem Kommerz eine echte Alternative.
Und genau dieses Thema hat sich die 'Rock Hard'-Crew vorgeknöpft, vermutlich nächtelang in ihrem hauseigenen Archiv eingeschlossen, um in alten Heften zu stöbern.
Was sie zutage förderten, lässt das Herz eines jeden Heavy-Metalfans garantiert höher schlagen und mit der Zunge schnalzen.
Sozusagen als Einleitung wird mit der Entstehungsgeschichte des Genres begonnen, nämlich deren Vorreiter wie Led Zeppelin, Black Sabbath, Deep Purple usw., ohne die dieser Musikstil niemals denkbar gewesen wäre, bis dann Anfang der 80er der NWOBHM seinen Siegeszug antrat - es gibt als Einführung also eine kleine Lektion in Sachen Hardrock.
Weiterhin gehen die Redakteure Holger Stratman und Götz Kühnemund mal kurz auf Zeitreise und erzählen, mit sehr viel Humor gewürzt, von ihren ersten Begegnungen als Steppkes mit dem Metal und seinen Vertretern sowie von der Geburtsstunde des 'Rock Hard', der Zeitschrift, die jedem Fan der härteren Liga garantiert ein Begriff ist.
'Verarbeitet' wurden die ersten hundert gedruckten 'Rock Hard'-Ausgaben von 1983-1995.
Nein - natürlich sind diese nicht wortwörtlich übernommen, das wäre doch viel zu einfach.
Es gibt Auszüge aus Texten, Bandportraits, Interviews und Geschichten, die mit lustigen oder auch kritischen Anmerkungen der Redakteure versehen sind, wobei ihnen dabei offenbar so manches Mal der Schalk im Nacken saß.
Amüsant auch die Ergüsse einer seriösen Tageszeitung zum Thema 'Hard Rock- & Heavy Metal-Live-Konzerte', welche von den Rock Hard-Schreiberlingen höchst treffend aufs Korn genommen wurden. Da hat sich wohl jemand etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, denn hier wird klar und deutlich sichtbar welcher Quark dabei rauskommt, wenn Leute über ein Metier schreiben, von welchem sie überhaupt keine Ahnung haben. Immerhin wissen wir Anhänger der Stromgitarren jetzt, "dass Heavy-Metal den unkundigen Reportern auf den Magen schlägt, ihnen die Ohren eindreht und den Würgereflex antreibt....beim ersten Riff die Schmerzenstränen kommen und ihnen schon beim bloßen Anblick eines Nietenarmbandes der Angstschweiß austritt".
Weiterhin wird mit solch aussagekräftigen Feststellungen brilliert wie: "...und in der Kakophonie der Geräuschfetzen werden auch die eigenen Gefühle ausgedrückt" oder: "HM-FAns: denkfaul und gehörschwach".
Nun gut, ich geb ja zu, dass ich seit Jahren nach dem Besuch eines HM-Konzertes an Tinnitus leide, bestreite aber strikt, dass ich denkfaul bin, denn solche Äußerungen geben mir wiederum doch schwer zu denken.
Nur noch so viel dazu: 'Schuster bleib besser bei Deinen Leisten'!
Natürlich wird auch das exzessive Leben einiger Rockstars akribisch beleuchtet, verziert mit den passenden Fotos.
Apropos Fotos: das Buch ist reich bebildert, sogar mit vielen unveröffentlichten Aufnahmen.
Ebenso haben alle für das Genre typischen Bands Einzug gefunden und werden 'durch die Mangel' genommen.
Der erste Band endet Mitte der 90er, als die Szene sich mehr und mehr in verschiedene Richtungen entwickelte und man begann, mit den unterschiedlichsten Sounds zu experimentieren.
Als Schmankerl gibt es außerdem noch Abbildungen von Sammlerschätzen der Rock-Hardler wie zum Beispiel besonders schöne Exemplare von Konzertkarten (waren das Zeiten, als die Karten noch kleine Kunstwerke waren und keine läppischen Computerausdrucke) sowie Promo-Gimmicks.
Abgerundet wird das kleine Meisterwerk mit 'abseitigen & absurden' Fotos, kommentiert von Michael Rensen.
Ich ertappe mich immer wieder beim Blättern, finde noch so manches kleine Highlight und kann mir hier und da ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Knapp 30 Euronen für 288 Seiten geballte Ladung Metal in Schrift und Bild festgehalten, zudem noch im Großformat mit Hardcover und einem Gesamtgewicht von 1,5 Kilo sind angemessen. Man merkt sofort, dass hier mit viel Liebe zum Detail und Sachkenntnis zu Werke gegangen wurde.
Das Teil bekommt von mir das Prädikat: "wertvoll"!
Im November soll übrigens Band 2 erscheinen.
Rock Hard MANIA - 20 Jahre Rock & Metal im Überblick - 2004
Rockhard Verlags GmbH, Hardcover, Fotos: 100 s/w und Farbfotos
ISBN: 3980517152, Umfang: 288 Seiten, Preis: 29,90 EUR
Ilka Czernohorsky, 09.04.2005
|