Was macht eigentlich ein gutes Buch der U-Sparte aus? Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich ist es ein Schmöker, der einen von der ersten Zeile an fesselt, der in einen manischen Leserausch zwingt und der erst - völlig übernächtigt - aus der Hand gelegt werden kann, wenn die letzte Zeile 'verschlungen' wurde...
Günter Ramsauer ist mit "Songs To Remember - Geschichten aus der Zwischenwelt im Delta der Fußnoten" so ein kleines Meisterwerk gelungen, das nur einen winzigkleinen Malus hat: Es ist leider viiiel zu kurz geraten. Kaum hat man sich so richtig auf die Parallelwelten von Ramsauers Alter Ego Gert Ramschweiner 'eingegroovt', ist man bereits nach einem konzentrierten Nachmittag mit dem Taschenbüchlein durch. Zum Glück lässt das 'Vol. 1' im Titel stark vermuten, dass in Bälde ein Nachfolger erscheinen wird.
Unterlegt mit einigen Lieblingstiteln aus vier Dekaden 'Real Life' des Gert Ramschweiner werden überaus unterhaltsame Kurzgeschichten aus demselben präsentiert. Meistens urkomisch, manchmal verrückt, wahlweise absurd oder skurril, aber immer amüsant und unterhaltsam - oft glaubt man sogar, sich verschämt schmunzelnd in einem Spiegel zu erkennen: »..."Ist Jesse eigentlich Dein richtiger Name?", fragte ich, nicht ganz der Situation angepasst. "Kommt von Jessica", gab sie mit hochgezogenen Augenbrauen zur Antwort. "Du heißt wie ein Allman Brothers-Song", grinste ich in ihr unwissendes Gesicht, für die Allman Brothers Band war sie zu jung und charakterlich zu wenig Hippie. "Muss jetzt wirklich los - bringst Du mich zur Tür?" "Aber klar doch", hüstelte ich verlegen...«Kennt Mann irgendwoher, oder??
Günter Ramsauer ist - in etwa mein Jahrgang - offensichtlich ein musikalisches Kind der Spätsechziger und Frühsiebziger, allerdings - und hier gibt es erhebliche Differenzen - mit einem deutlich wahrnehmbaren Faible für die Achtziger. Doch auch wenn ich kaum einen seiner "100 musikalische(n) Gründe, die Achtziger Jahre zu lieben" im tiefsten Inneren teile ( Tom Waits' "Rain Dogs", John Hiatts "Bring The Family" und Townes Van Zandts "At My Window" seien hier ausdrücklich ausgenommen), bin ich nach der Lektüre von "Songs To Remember" zumindest ansatzweise (und augenzwinkernd) zu einer persönlich differenzierteren Auseinandersetzung mit der 'Dunklen Dekade' bereit.
Schreiberisch engagiert sich Ramsauer seit Jahrzehnten als Musikkritiker - zunächst im Punk-Fanzine 'Slit', später für das 'Indigo-Magazin Notes', aktuell bei den geschätzten Kollegen des 'Online-Magazin'.
Die lässig-lockere Erzählweise und das geschickte Verweben der einzelnen Songtitel von "Songs To Remember" basiert auf fundierter Fachkompetenz. Hier schreibt einer, der Musik mit jeder Faser seines Körpers lebt und liebt - einer, der nicht nur in seiner Jugend jeden Heiermann in Vinyl investiert hat. Unabhängig davon, ob man nun die zugrunde liegenden Songs mag oder nicht, kann der Leser ganz tief in seinen eigenen Erinnerungen schwelgen bzw. den Schmöker seinen Halbwüchsigen in die Hand drücken: Jawollja, so war das damals - in der guten alten Zeit...
Allerdings - und das ist ein weiterer (kleiner) Malus - droht der Leser gelegentlich doch etwas "...im Delta der Fußnoten" zu versacken. Von Länge und Umfang fühlt man sich hier manchmal an wissenschaftliche Fachliteratur erinnert. So manche dort zu findende Anekdote hätte man mit etwas schreiberischem Geschick, über das der Autor fraglos verfügt, in den Text einbauen können. Dem Lesefluss wäre es zumindest sehr dienlich gewesen...
Dessen ungeachtet fühlte ich mich von "Songs To Remember - Geschichten aus der Zwischenwelt im Delta der Fußnoten" nicht nur bestens unterhalten, sondern gelegentlich auch ganz tief berührt, wie in dem Kapitel über die arme Nico: "Am Tag als Christa Päffken starb". Genau, bester Gert Ramschweiner - es war ein Tag, an dem man besser nicht wach geworden wäre...
Angesichts des aktuellen Zeitgeistes findet die Generation 50plus in "Songs To Remember Vol. 1" verdienten Prost und Trost - garantiert auch im sehnsüchtig erwarteten zweiten Band...
Kapitelübersicht: |
01:Blut auf dem Filmskript
(Billie Holiday - I Don't Want To Cry Anymore)
02:John Peels Grabstein
(The Undertones - Teenage Kicks)
03:Bang! Sweet Teenage Thang oder Her mit den kleinen Waliserinnen
(Van Morrison - Madame George)
04:Viele Jahre, bevor es Waldemar Hartmann tat
(Alan Vega - Lonely)
05:Die Geschichte vom definitiven Rock'n'Roll-Konzert
(The Great Crusades - Stay With Me)
06:Von Goofy zu Govi oder Hans Linsenmaier hat einen Bruder
(Christian Anders - Geh nicht vorbei)
07:Musikamt-Blues in Ulm
(John Mayall - Room To Move)
08:Am Tag als Christa Päffgen starb
(Nico & The Faction - Das Lied vom einsamen Mädchen)
09:Taubenschiss in Erlangen
(Al Green - I Didn't Know)
10:Das Mantra des Papageis: Diederichsen trinkt Schorle-Weiss
(Brian Auger & Julie Driscoll - Season Of The Witch)
11:Meine Gifte, mein Zwerchfellbruch, meine Rettung
(Ray Charles - I Believe To My Soul)
12:Thomas Bernhard frisst meinen Kopf und der Roman geht in die Hose
(Beasts Of Bourbon - Today I Started Loving You Again)
13:Das Mixtape und die Mädchen
(Jane Birkin - Ballade de Johnny-Jane)
14:Plädoyer für ein viel geschmähtes Jahrzehnt
(Joy Division - Love Will Tear Us Apart)
15:Nachtrag (100 musikalische Gründe, die Achtziger Jahre zu lieben)
16:Danksagung
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Externe Links:
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