Ulf Krüger / Star-Club
Der bekannteste Beat-Club der Welt
Star-Club 300 Seiten, über 500 zum Teil farbige Abbildungen
Sprache: Deutsch, Englisch
Medium: Buch
Erschienen im Hannibal Verlag, 2010
1. Auflage
ISBN-13: 978-3854453291, EUR 29,95


Review vom 14.11.2010


Steve Braun
Der klangvolle Name Star-Club ist untrennbar und für alle Zeiten mit vier milchgesichtigen Halbwüchsigen aus Liverpool verbunden. Hier transformierten sich die Beatles in die Fab Four. Gerade einmal gut sieben Jahre - vom 13. April 1962 bis zum Silvester 1969 - existierte dieser Club auf Hamburgs Reeperbahn, mitten im berühmt-berüchtigten Rotlichtviertel der Hansestadt. Nahezu eine Million Beatfans fanden sich dort pro Jahr ein - eine sagenhafte Zahl, wenn man das heutige Clubsterben vor Augen hat. Hier verwandelten sich Hinterwäldler zunächst in Sternchen und später in Stars, denen die ganze Welt zu Füßen lag. Die deutsche 'Supergroup' The Rattles wurde hier geboren. Jimi Hendrix und Frank Zappa gastierten hier, bevor sie zu internationalen Weltstars aufstiegen. Mit Fats Domino, Bill Haley, Chubby Checker, Jerry Lee Lewis und Little Richard spielte die Crème de la Crème des Rock'n'Roll in der immer bekannter werdenden Adresse 'Große Freiheit 39', die bis heute legendenumwoben ist. Der Autor des vorliegenden Buches schafft es eindrucksvoll und mit großer Akribie, diese Mythen aus vom Grauschleier des Halbwissens zu befreien.
Ulf Krüger hat die Star-Club-Zeiten direkt und hautnah als Schlagzeuger diverser Formationen miterlebt - sein Wort hat also gewaltiges Gewicht. Er ist bis dato als profunder Kenner der Beatles in Erscheinung getreten. Neben Büchern wie "Beatles in Hamburg - Ein kleines Lexikon" und "Beatles Guide Hamburg" hat er für Bear Family Records einige beeindruckende musikalische Zeitdokumente der Nachwelt zugänglich gemacht. Dazu zählen neben den "Ariola Star-Club Aufnahmen", die er gemeinsam mit Achim Reichel produzierte, unter anderem auch "The Hamburg Sound - Beatles, Beat und Große Freiheit". Uli 'Rudolf Rock' Salm, seinerzeit mit den Hamburger Szenebands Chicago Sect und Leinemann auf des Star-Clubs Bühne aktiv, war und ist Wegbegleiter des umtriebigen 63-jährigen. Beide zählten zu den Gründern Leinemanns, Salm als Bassist - Krüger als Schlagzeuger. So produzierte er später unter anderem das Rudolf Rock & Die Schocker-Album "Das ist 'ne Party". Gemeinsam mit der Beatles-Fotografin Astrid Kirchherr betreibt er das K & K Center of Beat. Der Laden im Hamburger Uni-Viertel ist eine Fundgrube für jeden Fan der Pilzköpfe. Also, um es auf den Punkt zu bringen: Kaum ein anderer scheint befähigter, eine Biografie über den Star-Club zu schreiben.
Zum Buch: In großer Fleißarbeit und mit geradezu wissenschaftlicher Umsichtigkeit ist es Ulf Krüger gelungen, ein Standardwerk über den Star-Club zu verfassen, das Maßstäbe setzt. Derzeit gibt es im Handel wohl kein kompetenteres Buch zu diesem Thema. In seiner Komplexität und Detailgenauigkeit wird es nur schwer zu 'toppen' sein.
Aufgeteilt werden die 300 Seiten in 49 kompakte Kapitel. Dies steigert für mein Empfinden die Lesbarkeit aufgrund einer sehr klaren Strukturierung. Als weiteres Highlight kann die graphische Gestaltung bezeichnet werden. Viele Fotos, Eintrittskarten, Plakate, Cover seltener Singles sowie Ablichtungen von Verträgen (u. a. der Beatles) und Memorabilia aller Art lassen den Leser tief in das Lebensgefühl der 1960er Jahre eintauchen.
Auch ein Einblick in das Firmenkonto des Star-Clubs, in die Musiker-Gagen des Jahres 1962, wird gewährt. So haben die Beatles am 27. April des Jahres einen 'Kapellenvorschuss' i. H. v. 1700,00 DM erhalten. Für ihre Shows wurde den Pilzköpfen jeweils 425,00 DM pro Nase ausgezahlt. Tony Sheridan war damals den 'Machern' 200, Chris Andrews 250, Chris Barber 300 und die Searchers 1200,00 DM wert. Bill Haley zählte dagegen zu den Spitzenverdienern: 19.095,00 DM Gage erhielt er mit seiner Band. Dazu kamen noch 18,00 DM Taxikosten, die Zeche im Club 26,40 DM und am Airport noch einmal 33,11 DM Spesen - es läpperte sich für den US-Star zusammen. Eine hochinteressante und unterhaltsame Lektüre...
Eine Liste aller Künstler, die jemals im Star-Club auftraten, rundet das informative Buch ab. Ärgerlich ist allerdings, dass es kein Register gibt. Das schränkt die 'Funktionalität' des Buches doch gewaltig ein, denn die Informationsflut ist enorm.
Es folgt nun ein grober Abriss über den Inhalt, der den Appetit des Lesers zu wecken gedenkt.
Die Anfänge:
Hamburg, Mai 1945 - der Mief der 'tausend Jahre' mit seinem 'völkischen Liedgut' war wie weggeblasen. Die Alliierten brachten 'Frischluft' in die Ohren, nicht nur in die der Hanseaten. Aus dem Untergrund tauchten die von den Nazis als 'Swing-Heinis' diffamierten Swing-begeisterten Jugendlichen auf, die vielfach als 'asoziale Elemente' in Erziehungsheime und Arbeitslager gesteckt worden waren. Endlich konnte der Jazz - der Hamburger nannte ihn 'Jatz' und bestand darauf - in aller Öffentlichkeit gespielt werden, auch wenn Ewiggestrige nach wie vor nur von 'Niggermusik' sprachen. Der erste 'Pop-Star' dieser frühen Jahre war Glenn Miller mit seiner Bigband.
Das "Star-Club"-Buch schildert, wie der 'Oldtime Jatz' langsam durch den New Orleans-Sound und den Skiffle verdrängt wurde. Die Publikumslieblinge jener Jahre hießen Chris Barber und Lonnie Donegan.
Aufbruchstimmung:
Ende der 1950er brachte Bill Haley einen neuen Musikstil über den 'großen Teich' nach Hamburg. Der 'gemeine' Fan des Rock'n'Rollers, mit seiner Entenschwanzfrisur (die Jatzer nannten diese spöttisch 'Entenarsch'), war der zwangsläufige Feind des gesitteten Jatzers. Diese wurden von den Rock'n'Rollern im Gegenzug als 'Exis' verhöhnt, Existenzialisten... Studenten und Intellektuelle eben. Rock'n'Roller galten als 'Halbstarke' und Rowdys - 'Prolls' würde man heute sagen. Und die Jungs brachten diese Musik auf ihre natürliche Bühne: die Reeperbahn! Wo sonst wäre sie angemessener untergebracht gewesen? Ihr Idole waren Chuck Berry, Fats Domino, Eddie Cochran und vor allem Elvis Presley.
Beatlemania:
Selbstredend nehmen die Beatles eine exponierte Stellung im "Star-Club"-Buch ein. Schließlich haben die Liverpooler hier ihren Siegeszug um die ganze Welt begonnen und entsprechend stolz kann Autor Ulf Krüger von den drei mehrwöchigen Gastspielen der Fab Four berichten. Es ist aber eine große Stärke des Buches, dass über diese Episode nicht die vielen anderen internationalen Größen und vor allem die deutschen Bands, die hier ein Sprungbrett fanden, vergessen worden sind. Hamburg wurde in diesen Tagen zum 'Nabel' der Beatmusik.
Ergreifend wird die Rückkehr des überaus beliebten Beatles-Drummers Pete Best, der mit seinen The Pete Best Four bis 1967 im Star-Club gastierte, geschildert. Leider hatte er den Zug zur Weltkarriere schon lange verpasst. »I buried myself in Hamburg« wird Best später resigniert konstatieren.
Goldene Zeiten sind die ausgehenden Mid-60th für den Star-Club. Ein internationales Folk- und Beat-Festival wird ein voller Erfolg. Die Small Faces gastieren hier ebenso wie Cream, Ray Charles, die Spencer Davis Group und Jimi Hendrix. Aber immer wieder sind es gerade auch deutsche Bands, denen man eine Chance gibt.
Totentanz und das Ende:
Ab Frühjahr 1968 lief das Tagesgeschäft immer schlechter. Publikumslieblinge wie Spooky Tooth gaben sich immer seltener die Ehre - sie hatten ja den Durchbruch geschafft - und so blieb es oft wochenlang weitgehend leer im Star-Club. Überall setzten nun Auflösungserscheinungen ein - die Tage des Clubs waren gezählt. Immer häufiger fiel die Heizung aus, die Lieferanten wollten nur noch 'Bares' sehen und so ging an Silvester 1969 die letzte Show 'über die Bühne'. Das Gebäude 'Große Freiheit 39' wurde 1986 abgerissen - der Mythos des Star-Club lebt weiter...
Volle Punktzahl und dringende Kaufempfehlung für historisch Interessierte - für Beat-Fans gilt das ohnehin: 10 von 10 RockTimes-Uhren. Vielleicht kann man für eine der folgenden Auflagen noch ein Register einrichten - dann wäre "Star-Club - Der bekannteste Beat-Club der Welt" perfekt.
Kapitel:
01:Swing tanzen verboten
02:Oldtime Jatz
03:The Guv'nor
04:Freie und Barber-Stadt
05:Lonnie Donegan
06:Skiffle
07:Rocker
08:Exis
09:Kaiserkeller - Tanzpalast der Jugend
10:Sehnsucht - Exis und die Beatles
11:Beat Brothers - Top Ten
12:Die Not hat ein Ende - Manfred Weissleder
13:St. Pauli-Spitzenklasse
15:Special Arrangements
16:Harte Jungs - Resident Bands
17:Nachschub aus Liverpool
18:Striptease à la Madame Richard
19:The Fat Man - Vom Piano zum Flugplatz
20:Star-Club-Tapes
21:Peppermint Twist
22:Nachwuchs - wir haben nicht getrunken
23:I buried myself in Hamburg
24:Jack the Ripper - The most famous beat club in the world
25:Blumen für den Killer
26:University Of The Street
27:Der Stern von Eddie Cochran - Ich BIN Chuck Berry
28:Rock'n'Roll + Skiffle = Beat
29:Das Imperium - Zukunftsmusik
30:Alltagsbands - Kurzhaar-Image und Routine
31:Strohmann - It was a very good gig
32:Yeah, Yeah, Yeah - Mädchen-Bonus
33:Star-Club Records - verkokst bis unter die Augen
34:Die deutschen Beatles - Die Zeiten ändern sich
35:Eine kleine Welt - Am Ende flippt man aus
36:Stammgäste - Wir sind immer dem Geld hinterher gelaufen
37:Rhythm & Blues - Humus der Entwicklung
38:Star-Club News - Bill Harry berichtet
39:British Soul - Hautnah
40:Bravo-Blitztournee - Welcher Beatle brachte sie nach Hause
41:Internationales Folk- und Beat-Festival
42:Progressiv wie im richtigen Leben
43:Good Vibrations - Es war sagenhaft
44:Exoten-Supergroup im Transit
45:Tony Sheridan - Special Forces
46:Grünspan - Cola und Saft
47:Totentanz - Die Zeiten stehen schlecht
48:Avantgarde - Schlagzeuger im Indianer-Outfit
49:Love & Peace und eingeschlagene Türen - Das Ende vom Lied
Externe Links: