Frank Schäfer / Talking Metal
Headbanger und Wackengänger - Die Szene packt aus!
Talking Metal Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2011
272 Seiten - Hardcover mit Schutzumschlag
14,95 Euro
ISBN 978-3-86265-070-0

Review vom 06.01.2012


Mario Keim
Dem Phänomen Metal auf der Spur
75.000 Besucher, 220 Hektar Festivalgelände, 35 Kilometer Bauzaun, 8 Megawatt Stromleistung, 1000 Lkws mit Material, insgesamt 4000 Crewmitglieder - das sind nur einige Zahlen, die das weltgrößte Heavy Metal-Festival im norddeutschen Dorf Wacken beschreiben. Hier trifft sich Autor Frank Schäfer mit Thomas Jensen, der neben Holger Hübner seit Beginn als Geschäftsführer die Fäden des Festivals zusammenhält, das vor 20 Jahren mit 800 Besuchern an den Start ging. Jensen stammt aus Wacken und war selbst einmal Musiker des von ihm geliebten Genre Heavy Metal. Wenn der intime Kenner 'auspackt', dann wird deutlich, welchen Reiz Wacken alljährlich für seine Besucher ausmacht. Hier, wo es für die Dorfbewohner freien Eintritt gibt, ist Metal längst Kult.
Thomas Jensen ist einer der Gesprächspartner, die sich Frank Schäfer für sein Buch "Talking Metal. Headbanger und Wackengänger - Die Szene packt aus" ausgesucht hat. Was da im Untertitel dem Anschein nach eher als reißerisches Enthüllungsbuch daherkommt, ist in Wirklichkeit eine faktenreiche Momentaufnahme einer Musikrichtung, die im Kern zwar überwiegend junge Anhänger hat, nach Beobachtung einzelner Protagonisten aber auch sehr wohl Fans hat, die mit der Musik alt geworden sind.
»Ich würde Metal da eher mit einer Alltagskultur wie Fußball vergleichen. Wenn Du einmal infiziert bist, sitzt du als Opa auch im Stadion. Alter spielt keine Rolle, die Regeln ändern sich dadurch nicht. Es kommt auf die Authentizität an, glaube ich. Sobald Du aufhörst, Interesse daran zu haben, merken die Leute sofort, dann bist du nicht mehr glaubhaft, dann bist du zu alt für diesen Job. Man sieht aber auch an den Bands, dass es keine Grenze nach oben gibt. Lemmy wird auf der Bühne stehen, bis er stirbt, AC/DC werden das auch tun, da gibt es keine Rente«, beschreibt der Journalist Götz Kühnemund, Chefredakteur des Rock Hard, warum er in seiner Zunft dem Metal bereits über mehrere Jahrzehnte erhalten geblieben ist.
Für die Szene ist Frank Schäfer ein Gewinn.
Der Autor des Buches 111 Gründe, Heavy Metal zu lieben - ebenfalls bei Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienen - ist nicht bloß Journalist, er ist zudem leidenschaftlicher Fan und Musiker. Er begegnet seinen Gesprächspartnern stets auf Augenhöhe, wobei auffallend ist, dass er es nicht bei kurzen Fragen belässt. Der Braunschweiger bespricht die Szene nur in einigen Fällen mit Musikern, widmet sich dagegen in erster Linie den Personen, die in unterschiedlicher Passion mit dem Heavy Metal leben. Der Produzent Sascha Paeth, die Leadsängerin Britta Görtz, der Radiomann Jakob Kranz, der Onliner Björn von Oettingen, der Roadie Henrik Schwaninger, der Plattenmanager Markus Wosgien, der Verleger Matthias Mader, der lange in England wohnhafte Autor Matthias Penzel und der Coverzeichner Axel Hermann - alle lässt der Buchautor ausführlich zu Wort kommen und gerät in dem Gespräch mit dem Musikwissenschaftler beinahe selbst zur handelnden Person. Hier zeigt sich, dass an Frank Schäfer durchaus ein Experte in Sachen Musikwissenschaften verloren gegangen ist.
Geglückt ist auch die Auswahl des 'Ostbeauftragten' Christian Heinisch. Obwohl es noch einige ältere aktive Musiker aus der DDR-Metal-Szene gibt, die gut für eine Auswahl gestanden hätten, entschied sich Frank Schäfer für einen Bassisten einer Stoner Doom-Band aus Dresden
(Gorilla Monsoon), der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie an der TU Dresden tätig ist und mit seiner Arbeit über "Heavy Metal - Zwischen Kult und Kultur" diplomiert hat. "Vor allem aber kann er, Jahrgang 1975, eine lupenreine Ostsozialisation vorweisen, noch dazu in Dresden, dem »'Tal der Ahnungslosen'«, schreibt der Autor. Jeder Gesprächspartner wird dem Leser ausführlich vorgestellt, als passende Einstimmung. Und trotz aller Individualität kommt jedes Mal die obligatorische Frage nach dem Metal-Initiationserlebnis.
Das Buch macht auch kein Geheimnis aus Kosten für Produktionen und Verdiensten für Roadies. Die vielen Antworten auf so unterschiedliche Anforderungsprofile in einem festen Zusammenhang machen das Buch zu einer kurzweiligen Lektüre.
Die gewählte Form der Interviews ist eine eher seltenere Form in der Bücherunterhaltung, doch diese Darstellungsform ist gerade hier der Türöffner für die gewünschte Detailansicht. Damit kommt "Taking Metal" authentisch und wahrhaftig rüber, berichtet über die Fankultur und Infrastruktur in einer Musikrichtung, die nur oberflächlich betrachtet eine Randerscheinung ist.
Frank Schäfer schreibt kenntnisreich über das Phänomen Heavy Metal und er wird dabei selbst zum Phänomen. So geschehen im beschaulichen Ranis (Saale-Orla-Kreis), als der heute 45-jährige bei den Literaturtagen vor ganz gewöhnlichem Publikum aus seinem Buch "Heavy Metal. Geschichten, Bands und Platten", vorlas und dabei lautstark Hörbeispiele von CD einfließen ließ (Motörhead, AC/DC, Thin Lizzy) - mit einem DJ in Höchstform. Nicht nur bei den eingefleischten Fans hagelte es tosenden Beifall. Schäfer bedankte sich bei Publikum und Veranstalter. »Ich war selbst überrascht, hier lesen zu dürfen«, sagt der Braunschweiger, der sich noch später an die »beste Lesung meines Lebens« erinnern sollte, die in seinem Buch "Generation Rock" verewigt ist.
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