»An evening of Yes Music plus...« lautete das Motto der 1989er UK-Tour von
Anderson Bruford Wakeman Howe. Heute würde man den Terminus 'Supergroup' verwenden, doch seinerzeit war dieses Unwort noch nicht so geläufig. Man wollte eigentlich (aber durfte nicht) den zugkräftigen Namen
Yes verwenden, obwohl dieses Line-up wohl mehr Recht dazu gehabt hätte, als die
Yes-Formation, die etwa zeitgleich von
Chris Squire durch die US geführt wurde.
Über die vier Protagonisten braucht man wohl keine Worte mehr zu verlieren. Deren künstlerisches Schwergewicht und zahlreiche erschaffene Klassiker haben tiefe Spuren in der Musikhistorie hinterlassen. Von der Reputation betrachtet hätte man ruhig
Tony Levin in den Namenszug integrieren können - man beschränkte sich aber auf die
Yes-Mitglieder.
"Live At The NEC" wurde am 24. Oktober 1989 während der besagten UK-Tour von der BBC aufgezeichnet. Das DeLuxe-Set bietet neben den beiden CDs noch eine Bonus-DVD, die allerdings kaum der Rede wert ist. Zusatz-Keyboarder
Julian Colebeck ist für die schwarz-weißen Amateuraufnahmen verantwortlich, die die Band (völlig kommentarfrei) im Backstage-Bereich und beim Soundcheck sowie einige Live-Ausschnitte zeigen. Nach dem Gig kann man
Jon Anderson beim Ausblasen der 45 Kerzen seiner Geburtstagstorte zuschauen, der einzige halbwegs spektakuläre Moment der nur gut 26 Minuten laufenden DVD.
Der Abend beginnt rein akustisch und verursacht in den ersten zwanzig Minuten erst einmal tiefes Stirnrunzeln. "Time And A Word", "Owner Of A Lonely Heart" und "Teakbois" werden mehr schlecht als recht zu einem Medley zusammengeschustert - 'passen' tut hier wenig. Danach bekommt
Steve Howe mit zwei Akustiknummern aus seiner
Yes'schen Frühphase, "Clap" und "Mood For A Day", zwar einen bezaubernden Solo-Auftritt, aber wie bei dem folgenden "Wakeman Solo" vermisst man ein gemeinsames Agieren der Band zunächst schmerzlich. Man hat den Anschein, als würden hier drei Ausnahmemusiker nebeneinander her musizieren... Mit einem DER
Yes-Gassenhauer, "Long Distance Rounaround", scheinen sich
Anderson Bruford Wakeman Howe auf ihr gemeinsames Anliegen zu besinnen, diese Hoffnung wird allerdings bereits nach gut drei Minuten durch ein - zugegebenermaßen geniales -
Bruford'sches Schlagzeugsolo erst einmal wieder zunichte gemacht.
Aber man findet noch zueinander - und wie!! Mit "Birthright", der ersten gemeinsamen
Anderson Bruford Wakeman Howe-Nummer von gleichnamigen Album, wird ein erstes Highlight zelebriert. Und nach zwei monumentalen Werken aus dem einem Monolithen gleichenden "Close To The Edge" (1972), "And You And I" und dem Titelsong, ist man nach dem verkorksten Start erst mal halbwegs versöhnt.
Auf der zweiten CD zieht der live zu einem Septett aufgemotzte Vierer dann alle Register seines Könnens und bedient sich dabei vorwiegend der Songs des gut drei Monate vorher erschienenen "Anderson Bruford Wakeman Howe". Das sehr eingängig-melodiöse "Themes" wird von einem gigantischen Schlagzeug-Bass-Duell gekrönt. Bruford und Levin ziehen hier das ganz große, künstlerische Besteck!! Zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt eines Konzertes 'passen' eben auch solche solistischen Einlagen besser, als zu Beginn.
Bei "Brother Of Mine" bedient man sich sehr viel überzeugender moderner Elemente als noch zu "90125"-Zeiten. Die stille Ballade "The Meeting" stellt eher ein Zwischenspiel dar, ehe man mit "Heart Of The Sunrise" mal wieder einen stimmungsgeladenen Yes-Klassiker (von der 1971er "Fragile") einschiebt. Das vierteilige "Order Of The Universe" - auch eine neue Nummer - imponiert mit federleichten Melodien ebenso wie mit mächtigen Keyboard-Fanfaren. Gibt es überhaupt einen Prog-Fan, der "Roundabout", den Eröffnungstitel der "Fragile", nicht zutiefst verehrt? Dieses fast vierzehnminütige Epos beschließt das reguläre Set standesgemäß. Die furiose Zugabe "Starship Trooper" beschließt ein seltsam gestartetes, aber sich hervorragend steigerndes Live-Set.
Die Frage, ob man die Bonus-DVD der DeLuxe-Edition von "Live At The NEC" wirklich braucht und die Doppel-CD nicht völlig ausreicht, ist durchaus berechtigt und muss der interessierte Leser für sich beantworten.
Trotz bemerkenswerter Schwächen zu Beginn ist diese Triple-Scheibe insgesamt betrachtet doch ein recht erfreuliches historisches Dokument von Anderson Bruford Wakeman Howe, die ein halbes Jahr und 74 Shows weltweit später schon wieder Geschichte waren.