»Frauen sind Engel. Wenn man ihnen die Flügel bricht, fliegen sie trotzdem weiter... auf einem Besen!«
Ob dieser derzeit populäre Spruch 1978 schon bekannt war, als sich die 1977 in London gegründete Band Lucifer ein Jahr später in Angel Witch umbenannte...?
1980 erschien das Debüt "Angel Witch", das neben dem Titelsong weitere Highlights wie "White Witch" oder "Angel Of Death" enthielt. Die Scheibe gehört nicht nur meiner Meinung nach zu den besten Veröffentlichungen der NWoBHM und wird bis heute hoch geschätzt, mittlerweile auch von den nachfolgenden Generationen von Metalfans. Der Nachfolger "Screaming And Bleeding" (1985) erreichte nicht mehr diesen Klassikerstatus, obwohl er auch nicht schlecht war, sondern sogar heavier und doomiger. Scheibe Nummer drei ("Frontal Assault", 1986) ging sogar komplett an mir vorbei, bzw. ich hielt sie damals für einen der vielen Sampler und Live-Platten. Erstaunlicherweise gibt es davon nämlich einige, vorwiegend mit dem Material des Debüts. Angel Witch waren nie wirklich weg, auch wenn das einzige permanente Mitglied der Gitarrist, Sänger und Hauptsongwriter Kevin Heybourne war. Dieser hatte sogar eine Art US-Ausgabe der Band in der Zeit als er in San Francisco wohnte. Nach einem Arbeitsunfall zog er sich nach Beckenham (Kent) zurück und fühlte sich an seine Jugend erinnert, woraus die Reformation von Angel Witch resultierte - es sollte wieder so sein, wie es damals war.
Er kontaktierte Lee Dorrian, weil dieser Angel Witch als Einfluss für seine Band Cathedral genannt hatte und so kam es zu einem Plattenvertrag mit Lees Label Rise Above. Was gut passt, denn, obwohl eigentlich eher traditioneller Metal, waren die ’Engelshexen‘ gerade bei Doomern beliebt, weil sie etwas Düsteres in ihrem Sound hatten. So ist es dann nicht verwunderlich, dass Kevin das neue Line-Up in jener Szene gefunden hat. Zusätzlich hilft Bill Steer noch als (zweiter) Live-Gitarrist aus.
"As Above, So Below" nennt sich das neue Werk und weckt mit diesem Titel ('wie oben, so unten' steht in Okkultismus/Esoterik für den Zusammenhang von Makrokosmos und Mikrokosmos, beispielsweise in der Astrologie, in der die Sternbilder das Schicksal von Menschen beeinflussen) Erinnerung an den bereits auf dem Debüt verwendeten Baphomet von Levi, der auch Shirts und Patches ziert.
Weiterer positiver äußerer Eindruck: Beim Cover handelt es sich dieses Mal wieder um ein schönes Gemälde, ganz in der Tradition des Erstlings. Doch die entscheidende Frage ist: Kann die Musik diesen dadurch geschürten Erwartungen standhalten? Es ist zugegebenermaßen sehr schwer, wenn man sich an einem Klassiker messen lassen muss, der den Hörern schon so viele Jahre vertraut ist. Man sollte auch nicht vergessen, dass mittlerweile 32 Jahre vergangen sind…
Vielleicht liegt es daran, dass die Songs der neuen Scheibe (zunächst) nicht so eingängig erscheinen, obwohl Angel Witch gerade bei "Into The Dark" schon versucht haben, auf Ohrwurmmelodien zu setzen, während "The Horla" eine emotionale (Halb-)Ballade ist, getragen von Kevins Stimme, der nun wieder als Lead-Vocalist fungiert, auch wenn es sicher bessere Sänger gibt.
Als Kontrast dazu ist (Angel?) "Witching Hour" vorwiegend recht flott und riff-orientiert. "Guillotine" versucht wiederum, sich ins Ohr zu schmeicheln und festzusetzen. Genannte Beispiele zeigen, dass das Songwriting schon seine Stärken hat und mal mehr auf Galopp-Gitarren, mal mehr auf einprägsame Gesangsmelodien gesetzt wird. "Brainwashed" bietet gar beides.
Man sollte also "As Above, So Below" durchaus eine Chance geben und mehr als nur einmal im Player rotieren lassen. Dann gewinnt die Musik an Stärke und es offenbaren sich interessante Momente, die zeigen, dass sich es doch gelohnt hat, nach so langer Zeit wieder ein Album aufzunehmen. Die 'Engelshexen' können immer noch bzw. wieder hörenswerten Metal zaubern.
Irgendwie hat es Kevin geschafft, seinen persönlichen Zodiak zu vollenden und gereift wieder zum Ausgangspunkt zu kommen: Zur dreiköpfigen Band, die klassischen, leicht angedunkelten Heavy Metal auf ihre eigene Art und Weise spielt. Auch wenn die NWoBHM schon lange nicht mehr 'new' ist, wird immer noch Stahl in ihrem Sinne geschmiedet. Im Fall von "As Above, So Below" zwar auf traditionelle Weise, doch klingt hier nichts nach eingerostetem Equipment oder angestaubt. Dabei auch nicht krampfhaft 'oldschoolig' - dennoch: Anbiederungen an moderne Trends gibt es gar nicht.
Angel Witch sind in der Gegenwart angekommen, was ihre Fans erfreuen sollte (vorausgesetzt, sie sind offen für neues Material, statt zum gefühlten millionsten Mal das Debüt aufzulegen). Aber auch Anhänger von Heavy Metal im 80er-Stil, denen die Band bisher unbekannt war, sollten mal reinhören.
Line-up
Kevin Heybourne (vocals, lead guitar)
Andrew Prestidge (drums)
Will Palmer (bass)
Tracklist |
01:Dead Sea Scrolls (5:59)
02:Into The Dark (5:11)
03:Gebura (5:24)
04:The Horla (7:29)
05:Witching Hour (5:49)
06:Upon This Cord (6:33)
07:Guillotine (6:53)
08:Brainwashed (7:10) |
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