Inmitten der ausgelassenen Feier-Laune über den Halbfinale-Einzug der deutschen National-Elf, konnte man an jenem Abend auch als Fan der schönsten Musik auf diesem Globus ein paar unvergessliche Stunden verbringen. Denn die beiden stark verkannten 80er-Legenden Anvil und Girlschool machten auf ihrer gemeinsamen Tour Halt im gemütlichen, etwa 650 Personen fassenden Kultschuppen Colos-Saal. Angekommen im unterfränkischen Aschaffenburg, fand man sich erst einmal direkt im Autokorso feiernder Fußball-Freaks, bevor man überhaupt die Karre einparken konnte, gröhlte neben »DEUTSCHLAAAAAAAAND!« genauso laut »AAAAAAAAAAANVIIIIIIIIIIL!« und testete einige Male die Opel-Hupe, es fiel ja nicht auf. Dio sei Dank schaffte es meine Kutten-Rasselbande trotzdem (über-) pünktlich zum mitten in der malerischen Altstadt gelegenen Auftrittsort.
Doch schalten wir nun hinüber zum Wichtigsten, der Musik: Um 21:15 Uhr starteten die britischen NWoBHM-Mädels von Girlschool ihren Set vor geschätzten 250 Besuchern mit dem Quasi-Titelsong des 1980er Debüt-Albums "Demolition", den "Demolition Boys". Fortan wurde ca. 50 Minuten purer Female-NWoBHM geboten. Songs wie "C'Mon Let's Go", "Hit & Run", "Future Flash" oder das Abschluß-Trio "Yeah Right", "Race With The Devil" und "Emergency" lassen nun mal einfach KEINEN Fan des wahren Metal kalt! Immerhin sind im Gegensatz zu manch anderen Bands heutzutage hier noch drei Original-Mitglieder (Sängerin/Gitarristin Kim McAucliffe, Sängerin/Bassistin Enid Williams und Schlagzeugerin Denise Dufort) am Start, was logischerweise sehr zugunsten der Performance ging. Die mittlerweile 32 Jahre existierende Combo machte ihren Job als 'Special Guest' (ich persönlich würde hier eher von einem inoffiziellen Co-Headliner sprechen) selbstredend einfach perfekt! Well done, Girls!
Nach einer kurzen Umbaupause von etwa 20-25 Minuten betrat dann um 22:25 Uhr der Headliner des Abends die Bühne: die sehnlichst erwarteten Anvil aus Toronto, Kanada! In den letzten Monaten machte sich das Trio sogar in der Filmbranche einen Namen mit dem Doku-Streifen "Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft" (Unbedingt auf DVD besorgen, selbst wenn ihr auch nur einen Funken Metal im Blut habt! - Anm. d. Verf.) und unter eben diesem Banner lief dann auch diese Tour.
In ca. 90 Minuten wurde alles geboten, was man von einer richtigen Legende des Schwermetalls erwarten kann. Beginnend mit einem von Lips in den Gitarren-Tonabnehmer gebrüllten »ARE YOU READY TO ROCK?« und dem Instrumental "March Of The Crabs" stieg man in den Auftritt ein, gefolgt vom Gassenhauer "666". Frontmann und Mitgründer Steve 'Lips' Kudlow, der sich selbst als alten Hippie bezeichnete und die Show mit einem Dauergrinsen auf den Backen durchzog, erwies sich als erstklassiger Entertainer: Seine Ansagen - sehr oft mit einem hintergründigen, aber ernst gemeinten »FUCK OFF!« an alle geldgeilen Business-Affen versehen - waren voll von absolut unterhaltsamem Humor und sorgten für einige echt gute Lacher! Hier standen tatsächlich noch Freunde auf der Bühne, die schlicht und einfach Spaß am Rock'n'Roll haben und dies wahrscheinlich bis zum Tod zelebrieren. Schade, dass dann gerade solchen Bands der Erfolg fehlt ...
Die Musikwelt ist einfach nicht gerecht, denn wenn sie es wäre, würden unsere Sympatikusse größere Resonanzen einfahren.
Doch nicht nur die Reden wussten zu überzeugen: Neuere Titel vom aktuellen Longplayer "This Is Thirteen", ein kurzweiliges Drum-Solo von Ur-Drummer Robb Reiner, aber natürlich in erster Linie alte Hymnen der Marke "School Love" (schön, dass man sogar das Debütalbum "Hard n'Heavy" bedient), "Winged Assassins", "Mothra" (mit eingebautem Dildo-Gitarrensolo von Lips), "Forged In Fire", die Zugabe "Jackhammer" oder der schlicht und einfach unsterbliche Titelsong des 82er-Machtwerkes "Metal On Metal" (was für ein Song, was für ein legendärer Text! - Anm. d. Verf.) zogen jeden Fan des traditionellen Stahls in seinen Bann. Um kurz vor Mitternacht ging das Saal-Licht dann endgültig wieder an und die ca. 350 Anwesenden wurden in die warme Sommernacht entlassen.
Seltsame RockTimes-Redakteure sollen sich sogar ekstatisch in der ersten Reihe stehend, die gesamten anderthalben Stunden den Schädel abgeschraubt und am Tag danach einen arg steifen Nacken gehabt haben. Ob dies stimmt, kann ich leider nicht bestätigen, hehehe.
Noch kurz was zum Sound beider Bands: Der Soundmann leistete ebenfalls gute Arbeit, abgemischt hatte man alles schön klar und differenziert. Selbst direkt vor der Bühne stehend, konnte man in einer angenehmen, wenn auch natürlich etwas höheren, trotzdem nie zu hohen Lautstärke, den Klängen lauschen.
Sehr wichtig finde ich, am Schluss auch noch einmal die Fan-Nähe zu erwähnen, die beide Bands so sympathisch macht: Das Merchandise wurde zu sehr fairen Preisen verkauft (Shirts 20 €, CD 10 €) und nach der Show kamen beide Bands - ohne sich lange in Rockstar-Manier zu feiern - für Autogramme, Bilder und Smalltalks hinunter, was heute leider auch nicht mehr selbstverständlich ist! Kurz gesagt: Mit einem Eintrittspreis von schlappen 20,80 € im VVK gab es verdammt viel 'Value For Money'!
Ein großer Dank geht von meiner Seite aus an das Team vom Colos-Saal für die Gästeliste. Ich habe mich mal wieder wie zuhause gefühlt. Bis zum nächsten Mal!
Setlist Girlschool:
Demolition Boys
Come On, Let's Go
Not For Sale
Hit And Run
I Spy
Never Say Never
Everything's The Same
Screaming Blue Murder
Future Flash
Race With The Devil
Emergency
Setlist Anvil:
March Of The Crabs
666
School Love
Winged Assassins
This Is Thirteen
Mothra
Flying Blind
Thumb Hang
White Rhino
Mad Dog
Forged In Fire
Metal On Metal
Encore:
Jackhammer
Externe Links:
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