Es gibt Bandnamen im Musikgeschäft, die muss man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen. Eine deutsche Band, die ihre vierzig Jahre auch schon knapp überschritten hat, und die, man glaubt es kaum, immer noch fleißig bei der Arbeit ist, heißt Ash Ra Tempel. Zwar wurde der Bandname schon kurze Zeit nach der Gründung in Ashra geändert, aber außer ein paar Wechseln in der Besetzung hat sich sonst nichts geändert. Gründer Manuel Göttsching hält nach wie vor die Fahne aufrecht, und hat sich nun daran gemacht den gesamten Bestand seiner Schaffenszeit zu digitalisieren und neu zu veröffentlichen. Jeweils in Dreierblöcken werden der Reihe nach alle Platten als Remastered CD auf den Markt gebracht, und bei der Menge, die seit 1971 produziert wurde, sollte schon einmal der Sparstrumpf geöffnet werden. Nun ist das alles nicht unbedingt Musik für Jedermann, sondern man sollte schon innig mit der Richtung Progressiv Rock oder Avantgarde verbunden sein, um Zugang zu Ash Ra Tempel zu haben. Vielen jüngeren Lesern wird der Name der Band erst einmal überhaupt nichts sagen. Die meisten werden sicher denken, dass sie ein Überbleibsel der Hippie-Ära sind, hört sich der Name doch nach Meditation an. Keine Bange, niemand muss versuchen sich die Beine zu brechen, um den Lotussitz zu erreichen, es geht auch problemlos ohne jegliche Verrenkung. Um den absoluten Hörgenuss zu haben, ist es auch nicht notwendig irgendwelche Drogen einzunehmen - im Gegenteil, Ash Ra Tempel bieten so viel Musik, dass jede Pille oder Pfeife nur alles verfälschen würde.
In meinen Händen halte ich das Erstlingswerk aus dem Jahre 1971 mit dem schlichten Titel "Ash Ra Tempel". Beide weiteren bisher veröffentlichten CDs "Schwingungen" und "Seven Up" werde ich mir in den nächsten Tagen vornehmen und mal schauen, wann der nächste Schwung auf dem Tisch liegt. Für die Freunde der überlangen Musikstücke ist die Band natürlich das Sahnehäubchen auf der Torte. Mich als Redakteur bringt es eher etwas in Verlegenheit, da ich ja nicht Note für Note auseinandernehme und einen Aufsatz darüber schreibe. Für mich zählt immer nur der Gesamteindruck und ich hebe dann besondere Merkmale eines Stückes hervor. Allerdings muss ich anmerken, dass ich diese sehr langen Stücke auch liebe, da man dabei so schön Abschalten kann.
Ash Ra Tempel beginnen ihr Debüt gleich mit einem Hammerschlag, allerdings erst am Ende des 19:40 Minuten langen Titels "Amboss". Da haut dann Klaus Schulze gezielt auf ein Floortom und simuliert somit einen Schlag auf besagtem Amboss. Jetzt werden vermutlich einige Musikfreunde kräftig überlegen und euch fällt ein, dass ihr Klaus Schulze nur mit Keyboards in Verbindung bringt. Recht so, er hat sich ja später mit Tangerine Dream in den musikalischen Geschichtsbüchern als Tastenvirtuose verewigt. Aber wie man hört, hat auch er einmal die Blechtrommel gerührt. "Amboss" haut so richtig rein. Nach anfänglichen Ruhephasen zum Einstimmen auf diese damals dem Krautrock zugeordnete Band, steigert sich die Musik von Minute zu Minute. Irgendwann wird das Schlagzeug heftiger und die Gitarre dringt tiefer in den Gehörgang. Das Tempo zieht deutlich an und das ganze Stück wird richtig spannend. Einzig und allein der Gesang lässt Wünsche offen. Er ist überhaupt nicht vorhanden, was ich aber nicht als Mangel empfinde. Ganz im Gegenteil, ich bin inzwischen so auf das Werk eingeschossen, das es mir nicht einmal mehr auffällt. Zwar wird Manuel Göttsching als Vokalist angegeben, aber auch im zweiten Song kommt kein Satz. Nach zwölf Minuten und stetigem Ansteigen des Songs, erfolgt ein kleiner Break und es wird im Ganzen chaotischer.
Nun setzt der Avantgarde-Teil ein und die Musik wird anstrengender. Viel Experimentelles kommt zum Vorschein und keiner der Musiker will so recht die Führung übernehmen. Dieser Zustand hält einige Minuten an, um dann mit dem Einsetzen der Gitarre eine noch härtere Gangart einzuschlagen, bevor das Stück mit dem Schlag auf den Amboss ein jähes Ende nimmt. Mit diesem schönen Erlebnis im Ohr, denke ich, dass es nur besser werden kann. Leider aber schaltet die Band einen gehörigen Gang zurück. Das 25:24 Minuten lange Stück "Traummaschine" hält eigentlich, was es verspricht: Es lädt zum Träumen ein. Das gesamte Werk ist überaus ruhig und die Männer an den Tasteninstrumenten geben klar die Führung an. Schlagzeug und Gitarre arbeiten nur als leise Untermalung, wobei der Drummer lediglich die Becken streichelt, um ein Rauschen zu erzeugen. Sicherlich steigt die Musik auch etwas an, aber über die lange Spieldauer kann es doch ganz schön langweilig werden. Es fehlen einfach die Akzente, die den Song abwechslungsreich gestalten könnten. Nach etwa siebzehn Minuten kommt noch einmal ein kleines Aufbäumen. Die Gitarre legt einen Zahn zu und ich bekomme den Eindruck, dass noch etwas passieren wird. Aber schon einige Sekunden später fällt alles wieder in seinen ruhigen Trott und bleibt bis zum Schluss unverändert.
Ash Ra Tempel galt Anfang der siebziger Jahre als eine der besten Bands in Deutschland. Ich war damals zu jung, um diese Musik zu verstehen und habe mich in den vergangenen vierzig Jahren auch nicht damit beschäftigt. Trotzdem kann ich sagen, dass mich diese sehr anspricht und die CD eine Empfehlung ist. Wer damals schon auf die Band gestanden hat, wird es kaum abwarten können, bis der Rest der Sammlung ebenfalls in neuester Technologie erscheint, um die Musik knisterfrei genießen zu können.
Line-up:
Manuel Göttsching (vocals, guitar, keyboards)
Klaus Schulze (drums, percussion, keyboards)
Hartmut Enke (bass)
Tracklist |
01:Amboss
02:Traummaschine
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