Ich erinnere mich noch, dass 2003 ein Aufschrei durch die Metal-Welt ging. Astral Doors kamen aus dem Nichts und veröffentlichten "Of The Son And The Father". Ich wurde auf die Webseite hingewiesen, habe mir die MP3 von "Cloudbreaker" reingezogen, sofort das Album bestellt - und wurde nicht enttäuscht. Das Debüt der sechs Jungs ist bereits heute ein Klassiker. Keine Band hat es je geschafft, so grandios und erfrischend nach frühen Rainbow, Dio und Black Sabbath zu klingen und dabei trotzdem noch einen eigenen, unverkennbaren Stil zu entwickeln. …Ein mächtiges Album und einer meiner Lieblinge.
Am markantesten natürlich: Sänger Nils Patrik Johansson, das einzig herausragende Bandmitglied. Nicht nur meine Mutter hat damals wohl gefragt: "Ist das Dio?", denn besonders auf dem Erstling klingt er so sehr nach dem musikalischen Haupteinfluss, dass es schon fast gruselig ist. …Da ich selbst Sänger bin, weiß ich, wie er dies technisch bewerkstelligt - aber auch, dass es fast unmöglich ist, das nachzumachen, denn man muss die passende Stimme dazu mitbringen.
Glücklicherweise ist es nicht das, was Johansson so herausragend macht, sondern seine Variabilität. Wie die Nachfolgealben bei Astral Doors und das brillante "Far From The Madding Crowd" mit "Wuthering Heights" zeigten, klammert er sich nicht immer an Dio fest und hat einen beachtlichen Stimmumfang. Auch bei Liveauftritten singt er mit seiner clean-Stimme, was mich auf dem 'Wacken Open Air 2004' zuerst verwirrte und überlegen ließ, ob ich wohl den Frontmann-Wechsel bei Astral Doors verpennt hatte. …Hatte ich jedoch nicht, Astral Doors spielten acht von den elf Songs ihres ersten Albums, und waren eine der besten Bands auf dem Festival.
Damals hätte ich kein größerer Astral Doors-Fan sein können und setzte große Hoffnungen in sie. …Endlich wurde dann der Nachfolger angekündigt: "Evil Is Forever", das ich sofort kaufte - und das mich dann leicht enttäuschte und desillusionierte. Die Blase mit der magischen Band, die den Spirit von damals eingefangen hat und weiterführen würde, war geplatzt.
Das Niveau vom ersten Album konnte nicht ganz gehalten werden, und bis auf ein paar kleine Ausnahmen gab es keine riesigen Momente wie auf "Of The...".
Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, denn das Album erhielt durchweg gute Kritiken. Vielleicht war auch nur der Reiz des Neuen vergangen. Fakt ist, dass mir Astral Doors seither zwar sehr gut gefallen, sie sich musikalisch aber in die vielen anderen Bands eingereiht haben, die den Markt bevölkern. Ohne ihr Debüt wäre ich kein so großer Fan geworden.
Der Vollständigkeit halber: Im letzten Jahr gab es noch eine kleine EP, "Raiders Of The Ark" mit (Endlich!!!) den drei Bonustracks, die immer nur die Japaner zu hören kriegen, einem Song des kommenden Albums und einem Live-Video von "Time To Rock".
Das 'kommende Album' ist jetzt da: "Astralism" betiteln sie stolz ihr Werk, das wie alle seine Vorgänger wieder von Peter Tägtgren gemixt wurde. Wie der Sound also über die Jahre immer schlapper werden konnte, ist mir wirklich ein Rätsel. Schon damit wird viel verschenkt.
…Aber auch sonst behalten Astral Doors den Weg bei, den sie eingeschlagen haben. Versteht mich nicht falsch - es ist natürlich gut, wenn eine Band ihren eigenen Stil findet. Aber in diesem Fall bewegen sie sich nur auf den Kommerz zu. Seit dem zweiten Album scheint es, als würden sie nach den Lorbeeren, die es fürs Debüt gehagelt hat, auf Biegen und Brechen versuchen, wieder welche zu bekommen. Bei den Aufnahmen für "Of The..." spielten sie nur, was sie wollten und waren komplett im Dunklen darüber, wie die Öffentlichkeit auf sie reagieren würde.
Man muss jedoch objektiv bleiben. Das sind zwar schon lange nicht mehr die Astral Doors, die ich kenne - dennoch ist jedes Album für sich ein starkes Stück Metal; auch "Astralism", auch wenn es bislang das schwächste ist. Johanssons Leistung ist nach wie vor Spitze, und mit ihm haben sie einen der besten - wenn nicht den besten - Metalsänger derzeit. Astral Doors bleiben ein Highlight für alle Fans des klassischen Metals, und vielleicht täte man gut daran einfach nicht auf mich zu hören und "Astralism" für das, was es ist zu nehmen und zu genießen. Es ist alles Andere als ein schlechtes Album und erreicht nur zehn Prozent weniger als "Evil Is Forever" von dem, was diese Band zu leisten imstande ist - oder war.
Spielzeit: 54:58, Medium: CD, Locomotive Records, 2006
1:EVP (3:25) 2:Black Rain (4:27) 3:London Caves (3:31) 4:From Satan With Love (3:31)
5:Fire In Our House (3:30) 6:Israel (5:01) 7:Raiders Of The Ark (3:20) 8:Tears From A Titan (4:48)
9:Oliver Twist (3:48) 10:Vendetta (3:37) 11:The Green Mile (4:16) 12:In Rock We Trust (3:58) 13:Apocalypse Revealed (7:40)
Christoph Segebard, 21.03.2006
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