Audiovision / The Calling
The Calling
"Ich glaub mich knutscht ein Elch - schon wieder eine neue Metalband aus IKEA-Land" war mein erster Gedanke. Denn auch "Audiovision", gegründet von Bandleader Christian Rivel kommt, wie sollte es anders sein - aus Schweden.
Weiterhin mit an Bord sind solch illustre Herrschaften wie Produzent und Gitarrist Lars Chriss (Lionīs Share), Thomas Broman (Glenn Hughes) an den Drums, sowie Tieftöner Mikael Höglund (Thunder). Aber auch jede Menge Gastmusiker hat Christian gewinnen können, die ihm bei der Umsetzung seiner musikalischen Ideen behilflich waren und Kenner der Szene mit der Zunge schnalzen lassen:
Tony Frankllin (Blue Murder),
Mattias Eklundh (Freak Kitchen),
Bruce Kulick (Kiss),
Mic Michaeli (Europe),
Jeff Scott Soto (Talisman),
Eric Clayton (Savior Machine).

Einerseits sind die sogenannten Allstar-Bands nicht unbedingt jedermanns Geschmack und andererseits spricht Quantität auch nicht in jedem Fall für Qualität, also musste sich das Album einem sogenannten Härtetest von mir unterziehen lassen. Vorab kann ich aber schon so viel sagen: es ist eine sehr ordentliche Scheibe geworden.
Bereits mit "The Calling" wird die Marschrichtung gezeigt: ein Nackenbrecher aller erster Sahne donnert aus den Boxen. Tolle Gitarrensoli punktgenau gesetzt, feine Chöre und aggressive Vocals von Christian Rivel bilden den Grundstock - das hat doch was. "Alter Schwede" denke ich und hoffe, dass es auch so vielversprechend weiter geht.
Zwar wird ein Gang zurückgeschaltet, aber keineswegs langweilig geht es mit "The King Is Alive" und "Evil Or Devine" zur Sache. Hier dominieren Keyboard-Einlagen, die aber nicht in die Plüsch-Ecke abdriften.
Interessante Hooklines gibt es beim nächsten Stück: "The Rock Of My Soul" ist mein absoluter Fave, denn der Song ist wirklich eine Empfehlung wert. Doublebass-Drums bilden das Intro, Keyboardklänge weben ein Gerüst, auf dem sich Bass, Drum und Gitarre sowie der Vocalist austoben können und der Refrain wird mit Hintergrundgesprächen ausgeschmückt. Hier ist es wirklich angebracht, auf die verschiedenen Feinheiten zu achten. Toll gemacht!
Im Grunde zieht es sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album: eingängige Melodien, die aber absolut nicht nerven oder gar eingeschlafene Füße verbreiten, teilweise mit schön nach vorn treibenden Hooks garniert und dabei ab und zu mit 70er- bzw. 80er-Jahre-Hardrockeinschlag versehen sind, wobei die Nostalgie dabei nicht überwiegt. Dazu gibt immer wieder feine Gitarren-Keyboard-Duelle, die aber höchst sparsam und songdienlich eingesetzt werden. Für einen höchst angenehmen Gesang ist Christian Rivel himself zuständig, der während der Refrains immer wieder durch Chorgesang unterstützt wird.
Als Schmankerl hat man noch eine stark ausgedehnte Coverversion von The Sweetīs "Love Is Like Oxygen" dazugepackt, dem Teil aber eine eigene Note verpasst. Nicht nur, dass dieses mit Jeff Scott Sotoīs Vocals veredelt wurde (Christian und Jeff singen im Duett), auch ein stark an Deep-Purple erinnerndes Keyboard-Solo sowie astreine Gitarrenparts wurden mit eingebaut.
Verabschieden tut man sich mit einem Instrumental: "Colors" heißt das Stück und lädt zum Träumen, keinesfalls aber zum Einschlafen ein. "Colors" rundet ein Album ab, von dem man nicht den Eindruck hat, dass es sich in erster Linie um ein Allstar-Projekt handelt. Über die handwerkliche Performance der Mitwirkenden braucht man bei dieser Besetzung wohl keine Worte zu verlieren.
Fazit:
Ein zeitgemäß umgesetztes Album, das mit Ohrwurm-Melodien gespickt ist. Heavy-Freunde sollten ruhig mal ein Ohr riskieren. Es lohnt sich wirklich, das Album macht einfach nur Spaß und ich habe das Gefühl, dass auch die Band mit Spaß bei der Sache war. Der Sound dröhnt schön fett aus den Boxen und das Booklet enthält sämtliche Texte.
Die Platte wurde übrigens auf Christian Rivels hauseigenem Label veröffentlicht. 7 Punkte haben sich Audiovision redlich verdient.
Ein kleiner Tipp für alle Fans der härteren Gangart:
Christian Rivel hat noch ein weiteres Projekt am Start: Divinefire mit dem Scheibchen "Glory Thy Name", und das Teil tritt mächtig Arsch.
Spielzeit: 43:26, Medium: CD, Rivel Records, 2005
1:The Calling 2:The King Is Alive 3:Evil Or Divine 4:The Rock Of my Soul 5:Read Between the Lines 6:Face To Face 7:Show Me The Way 8:Love Is Like Oxygen 9:Hold Me 10:Colors
Ilka Czernohorsky, 09.03.2005