»You can't judge a book by it's cover!« - dieses angelsächsische Sprichwort symbolisiert wohl am besten die Situation, die einem widerfährt, wenn man von der Annahme ausgeht, dass der Stil des Artworks und das Outfit der abgebildeten Künstlerin einem Gothic-Album entsprechen muss.
Weit gefehlt, denn bereits nach den ersten Tönen macht sich die große Ratlosigkeit breit. Die in Paris lebende Russin mit ägyptischen Wurzeln legt in der Tat eine erstaunliche gesangliche Performance an den Tag. Allerdings diese Stilrichtung zu identifizieren, wenn es sich überhaupt um eine Richtung handelt, dürfte schwer sein.
Das Intro mit Chor erinnert noch, mit sehr viel Wohlwollen ausgedrückt, an typische Queen-Choreinlagen, dann allerdings wird es makaber oder je nach Standpunkt des Hörers, skurril bis extravagant. Die Stimme in all ihrer Ausdruckskraft betrachtet, verfügt über eine starke Wechselwirkung, auf jeden Fall mit nichts vergleichbar, das sich derzeit auf den Bühnen dieser Welt bewegt. Ayin Aleph II erinnert am ehesten noch an eine Kate Bush auf der Überholspur, bei der aber die Sirene definitiv im Vordergrund steht. 15 Tracks in beinahe 49 Minuten anzuhören sind eine sehr starke Herausforderung und nur eine verschwindend kleine Minderheit ist wahrscheinlich in der Lage, dies auszuhalten.
Man muss lange nachdenken, eine derartige gesangliche Darstellung gehört zu haben. Klaus Nomi vielleicht oder frühe Zappa-Werke, die allerdings alle auf einer höheren Ebene zu finden sind. Denn es wäre schon Blasphemie, diesem Machwerk diesen Status zu verleihen. Der Vergleich dient auch eher der Distanzierung von der Standardisierung und gleichzeitig der Nichteingruppierung in irgendeinen Stil.
Dominant von Anfang bis Ende sind Klavier, Cello und barockes Spinett, wobei ab und zu Chöre im Halbfettbereich, gepaart mit Orgelkurzeinsätzen aufblitzen. Die Melodien wechseln wie das Wetter im April, mal ruhig, dann wieder rasanter, aber nichts wirkt fesselnd oder annähernd kompositorisch ausgereift. Alles ist akustisch und wandelt auf den Spuren des Barock oder repliziert Stockhausen-Klangmosaike.
Ayins Stimme dagegen wirkt wie das Geschoss eines MGs, das sämtliche Songstrukturen zerfetzt. Schrill und extrem abgehoben, obwohl die klassische Ausbildung nicht zu überhören ist.
Die Texte könnte man noch dem Gothic-Bereich zuordnen, die Klänge eher als Untermalung zur Burleske, oder Soundtracks für B-Horrorfilme der Marke Roger Corman aus den Sechzigern kämen auch noch in Frage. Schattenhaft kriechen sogar Erinnerungen an die Anfangszeit der Stummfilmzeit hoch, als Pianountermalungen zu Filmen noch Standard waren. Fritz Murnaus "Nosferatu" wäre mit Tonsequenzen dieses Werkes durchaus vorstellbar.
Manchen Hörer erinnert die Stimme in ihrer schrillsten Phase wahrscheinlich an einen Glasschneider oder eine Fräse, kalt lässt sie jedoch keinen. Diese CD sollte mit einer Warnung versehen werden, dass Ayin Aleph nichts für zarte Gemüter ist und Nina Hagen in ihren Klargesangsmomenten dagegen Volksmusikcharakter hat. Wer sich dennoch nicht abschrecken lässt, kann sich in eine fremde, beinahe surreale tonale Zwischenwelt abgleiten lassen.
Line-up:
Ayin Aleph (piano, vocals, cello, harpsichord)
Tracklist |
01:Water's Death
02:My Bloody Marriage
03:Grey Ashes
04:Foggy God
05:Es muss sein
06:Bridge
07:Aleph
08:Whisperings
09:I Came
10:Sebastian's Prayer
11:Drowsy
12:The Purchase Of The Cathedral
13:In An Old Bewitched
14:I Miss You
15:The End
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