Brian Auger / Auger Rhythms
Auger Rhythms Spielzeit: 72:13 (CD 1), 78:54 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: MIG Music, 2011
Stil: Jazz/Rock/Fusion

Review vom 18.08.2010


Jürgen Hauß
Brian Auger - das war für mich über lange Zeit hinweg die Gleichung: Brian Auger + Trinity + Julie Driscoll = "This Wheel's On Fire". Doch eine Reduktion des musikalischen Schaffens Augers auf diesen einen Song würde diesem großartigen Tastenkünstler nicht gerecht - zumal dieses Stück nicht einmal aus seiner Feder stammt, sondern von Bob Dylan komponiert worden ist!
»Eine atemberaubende, chronologische Reise durch das gesamte Schaffen des britischen Jazz- und Rock-Organisten Brian Auger - beginnend mit bisher unveröffentlichten Tracks … der frühen Jazz Piano-Jahre und Augers Organ Big Band über seine klassischen Arbeiten mit Julie Driscoll & Trinity bis hin zu den besten Tracks von Brian Auger's Oblivion Express«. So beginnt der kurz gehaltene Waschzettel zu "Auger Rhythms", der knapp, aber zutreffend beschreibt, was den Hörer erwartet.
Unzutreffend ist allein der Hinweis auf die bisher unveröffentlichten Tracks, denn die vorliegende Doppel-CD wurde bereits im Jahr 2003 (und später nochmals) unter demselben Titel und mit identischer Tracklist veröffentlicht, so dass die immerhin zehn 'unveröffentlichten' Titel (von insgesamt 28 Tracks) spätestens seit jenem Jahr allgemein zugänglich waren; der zitierte Text dürfte daher ebenfalls aus jener Zeit stammen. Auf dem aktuellen Album findet sich diesbezüglich allerdings kein einziger Hinweis hierauf; alle (c) und (p) Angaben weisen das Jahr 2011 aus. Lediglich die Tatsache, dass der vom Protagonisten sehr ausführlich gestaltete 'Track by track'-Text aus dem Jahr 2003 datiert, liefert einen entsprechenden Anhaltspunkt.
Sei's drum: Wer die seinerzeitige Veröffentlichung verpasst hat und an einem umfangreichen Überblick über das Schaffen Brian Augers interessiert ist, für den ist das vorliegende, chronologisch gestaltete Album genau richtig.
Die ersten fünf Aufnahmen firmieren unter dem Solo-Künstler Brian Auger, obwohl er die Songs teilweise als Mitglied des Tommy Whittle Quartet eingespielt hat. Es handelt sich um Aufnahmen Anfang der 60er Jahre (exakte Daten sind leider durchgängig nicht angegeben), teilweise auch unter dem Namen Trinity (als Bezeichnung für ein Trio: auch wenn der Name später auch für größere Besetzungen Verwendung fand) eingespielt. Flotter Jazz à la Dave Brubeck in klassischer Besetzung mit Kontrabass und Schlagzeug, teilweise mit Saxophon sowie (bei "East Of The Sun") mit weiblichem Solo-Gesang, wie er (der Jazz) auch in einschlägigen Bars dargeboten wurde.
Die Tracks 5 & 6 sind im Big Band Sound eingespielt. Brian Auger wechselte vom Piano zur Hammond-Orgel, die für ihn so typisch wurde. Wiederum zwei Instrumentals, die streckenweise sehr funkig daherkommen, was bereits in die Richtung Fusion weist, für die Auger letztendlich musikalisch heute steht.
Und dann endlich: Brian Auger Trinity With Julie Driscoll! Typischer Rock/Pop der 60er Jahre, prägender Hammond-Sound, oftmals solistisch stark im Vordergrund. Zunächst mit "Misty" nochmals ein Instrumental, doch dann - bei den Nummern 10 - 13 - die markante Stimme von Julie Driscoll, wobei mit dem Richie Havens-Song "Inside Of Him" ein sehr ruhiger, getragener, wiederum jazzig anmutender Titel gebracht wird.
Eine gelungene Interpretation ist auch "Season Of The Witch". Erreichte der Donovan-Klassiker im Original bereits eine für damalige Verhältnisse erstaunliche Spielzeit von fast fünf Minuten, wird die Story hier - eingeläutet durch einen mystischen Gong - in knapp acht Minuten erzählt, ohne langweilig zu werden (das ist allerdings noch nichts gegen die über elfminütige Interpretation durch Bloomfield/Kooper/Stills-Supersession!).
Eindrucksvoll auch die Interpretation von "A Day In The Life". Auger greift diesen Beatles-Klassiker vom "Sgt. Pepper"-Album auf, würzt ihn mit dem einen oder anderen weiteren Musik-Zitat (u.a. das seinerzeit gerade aktuelle "Hush") und gibt ihm insgesamt seine persönliche Note.
Die einzige - allerdings große - Enttäuschung auf dieser Scheibe ist für mich "Light My Fire". Der jazzartige Gesang von Julie Driscoll passt nach meinem Geschmack einfach nicht zu diesem Song, und auch nicht die auf der Hammond dargebotenen Improvisationen; das Ganze teilweise kirchenmusikartig, im Übrigen sehr getragen dargeboten: so gerne ich Derartiges ansonsten auch höre - nicht bei diesem Stück, da gibt es für mich nur das einzig wahre Original von den Doors. Aber die Geschmäcker sind halt verschieden.
Dafür entschädigt mich CD 2 direkt von Anfang an: "Listen Here" ist eine wunderschöne, neuneinhalbminütige instrumentale Rock/Jazz-Darbietung, die insbesondere das ausgeprägte Fingerspitzengefühl Brian Augers zur Geltung bringt. Ähnlich positiv stimmt mich "Freedom Jazz Dance"; hier stört allerdings der im ersten Teil 'geschriene' Vocal-Part. Warum mir der Track spätestens mit dem Einsetzen der Hammond-Orgel als Soloinstrument bekannt vorkommt, darüber klärt mich eine kurze Recherche in meiner Musik-Datenbank auf: Auger hat den Titel 2002 - also über 30 Jahre nach der vorliegenden Aufnahme aus dem Jahr 1971 - gemeinsam mit dem italienischen Blues-Gitarristen Rudy Rotta bei einem gemeinsamen Konzert gespielt, das auf der CD Captured Live dokumentiert ist; zum Glück ohne Gesang.
Was folgt, ist Jazz-Rock der besten Art: Funkig, soulig, ein bisschen Blood, Sweat & Tears hier, ein bisschen Earth, Wind & Fire da. Geprägt, um nicht zu sagen, dominiert, wird das Ganze durch die Orgel Brian Augers - und das ist gut so!
Der Track vier "Happiness Is Just Around The Bend" findet in den Liner-Notes keine Erwähnung. Dabei muss sich Auger dieser Eigenkomposition keinesfalls schämen. Dies hat aber die Konsequenz, dass ab diesem Stück die Kapitel-Überschriften im Booklet nicht mit den tatsächlichen Track-Nummern übereinstimmen. Möglicherweise war dieser Song zunächst nicht für die Veröffentlichung vorgesehen (er ist aber auch auf der Erstveröffentlichung des Albums enthalten). Oder aber Brian Auger hat ihn schlicht 'vergessen'.
Das Kapitel des Oblivion Express bis Anfang der siebziger Jahre endet mit der 'Erst'-Veröffentlichung einer über elfminütigen Interpretation des Wes Montgomery-Songs "Bumpin' On Sunset". Ruhig gehalten und traumhaft schön!
Was folgt ist ein Sprung in die späten neunziger Jahre. Dass dies eine ganze Generation bedeutet, zeigt sich daran, dass mit Karma, Savannah und Ali Auger drei Kinder von Brian mit von der Partie sind. "Indian Rope Man" und "Slide" schließen dort an, wo Brian Auger mit dem Oblivion Express seinerzeit aufgehört hatte; lediglich neue Aufnahmetechniken machen die Songs transparenter. Und mit dem abschließenden "The Lady's In Love" schließt sich der Kreis zu den Anfängen Augers. Diesen Klassiker hätte er bereits (und hat es vielleicht auch) vor fünfzig Jahren in seinen 'Jazz Piano Years' spielen können; die an ihr musikalisches Vorbild Sarah Vaughn erinnernde Vokaldarbietung von Ali Auger macht aus dem Song eine runde Sache.
Das eingangs wiedergegebene Zitat aus dem Waschzettel bildet auch mein Abschluss-Resümee. Für Auger-Neueinsteiger oder aber -Sammler (jedenfalls die, für die die 'unveröffentlichten' Songs tatsächlich neu sind) ist das vorliegende Album eine rundum gelungene Compilation. Klanglich - angesichts der überwiegend sehr alten Aufnahmen - auf hohem Niveau, mit ausführlichen Liner-Notes einschließlich der Darstellung zahlreicher Band-Besetzungen, gibt es einen wirklich guten Überblick über das musikalische Schaffen eines wirklich guten Musikers.
Line-up:
Die Aufzählung sämtlicher Line-ups würde den üblichen Rahmen sprengen
Tracklist
CD 1 - Brian Auger: The Jazz Piano Years:
01:Blues Three Four (6:32)
02:East Of The Sun (2:23)
03:Poinciana (3:42)
04:There Is No Greater Love (3:39)
05:If You Could See Me Now (4:17)

Brian Auger's Hammond Organ Big Band
06:Moanin' (7:34)
07:Sister Sadie (4:21)

Brian Auger Trinity with Julie Driscoll
08:Misty (1:48)
09:I'v Gotta Go Now (4:10)
10:Break It Up (2:54)
11:Inside Of Him (4:04)
12:This Wheel's On Fire (3:32)
13:Season Of The Witch (7:57)
14:A Day In The Life (5:17)
15:Tropic Of Capricorn (5:31)
16:Light My Fire (4:21)
CD 2 - Brian Auger's Oblivion Express:
01:Listen Here (9:26)
02:Freedom Jazz Dance (5:29)
03:Second Wind (6:41)
04:Happiness Is Just Around The Bend (6:36)
05:Inner City Blues (4:36)
06:Straight Ahead (5:07)
07:Brain Damage (8:12)
08:Beginning Again (7:36)
09:Bumpin' On Sunset (11:32)
10:Indian Rope Man (5:05)

Karma Auger
11:Slide (5:29)

Ali Auger
12:The Lady's In Love (3:04)
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