Mein lieber Mann; hat dieser Mann eine Energie. Was der Weltklasse Schlagzeuger Carmine Appice in der jüngsten Vergangenheit so alles auf die Beine stellt, das ist schon sehr erstaunlich und erfordert unsere Hochachtung und unseren Respekt.

Da ist zunächst Vanilla Fudge zu nennen, die seit dem Jahr 2004 wieder auf den Bühnen der Welt live zu erleben sind. Daneben ist Carmine Appice zusammen mit Pat Travers abwechselnd im Studio und auf Tour unterwegs. Dann steht die Reunion der Kultband Cactus mit einem neuen Album (Veröffentlichungstermin im Juli 2006) und einer folgenden Tournee an.

Daneben gab es zusammen mit seinem alten Bandkumpanen Tony Franklin, der mit ihm schon bei Travers & Appice, sowie in der Band Blue Murder aktiv war, und dem aktuellen Foreigner-Frontmann Kelly Keeling an Mikrofon, Tasten und Rhythmusgitarre, das Carmine Appice Project, das ihn von seiner Hardrockseite zeigt.

Diese drei Musiker bilden das Grundgerüst der Band und lassen sich bei dieser CD von einem guten Dutzend der führenden Rockgitarristen unterstützen. Die Compilation besteht aus Material der beiden "Guitar Zeus"-Alben von 1996 und 1997.

Liest man sich die Liste der Saitenquäler mal so richtig durch (Ted Nugent, Steve Morse, Pat Travers, um nur einige zu nennen), so wird einem sofort klar, was auf diesem Silberling zu hören ist. Hier ist ein bretthartes Album entstanden, bei dem es an allen Ecken und Kanten kracht und scheppert. Aggressive Töne sind angesagt. Carmine Appice prügelt nur so auf die Felle ein und spielt trotzdem sehr differenziert und perfekt. Dabei wird er von Tony Franklin unglaublich druckvoll unterstützt. Die Beiden weben hier einen dermaßen dichten Rhythmusteppich, dass sich die Gitarren eigentlich wie von selbst darüber legen können.

Trotzdem springt der Funke bei mir nicht so richtig über. Weiss der Geier, woran das liegt. Ohne Frage ist die Arbeit der Gitarreros völlig okay. Das sind allesamt absolute Könner ihres Fachs, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Aber irgend etwas fehlt hier.

Die einzelnen Songs haben fast alle die gleiche Machart, wirken auf mich ziemlich ähnlich. Vielleicht ist das der Grund für die fehlende Eingängigkeit. Mit Sicherheit aber wirkt sich die permanente Verfremdung der Leadvocals nachteilig auf die Musik aus. Selten habe ich so viele Stimmverzerrungen auf einem einzigen Album gehört wie hier. Da muss irgendwer ein wahrer Fetischist für manipulierte Stimmbänder sein. Anders ist das nicht zu erklären.

So sind meine Anspieltipps von "Ultimate Guitar Zeus" genau die Titel, die etwas anders gestrickt sind und somit aus dem gängigen Rahmen fallen. Da ist zunächst mal das Stück "Nobody Knew" mit Brian May an der Klampfe. Der Song ist wohl der eingängigste der CD, wirkt insgesamt etwas ruhiger als der Rest der Scheibe, ohne die benötigte Power zu verlieren. Und das Solo des Queen-Gitarristen ist auch aller Ehren wert.

Als zweites Highlight möchte ich "Where You Belong" nennen, bei dem Slash den Ton angibt. Etwas ungewohnt beginnt und endet diese Midtemponummer mit einem fast zarten Piano. Hier kommt die Stimme von Kelly Keeling ganz besonders stark zur Geltung.

Last but not least natürlich "Do Ya Think I'm Sexy". Schon immer erfolgreich von Carmine Appice von einer nichtssagenden Popschnulze (Sorry Rod!) zu einem dynamischen Rocksong umfunktioniert. Sei es durch Vanilla Fudge oder durch Pat Travers, der auch diesmal wieder mit dabei ist. Dieser Kultsong ist ein Dauerbrenner und steht für mich auch auf dieser CD ganz oben auf der Liste. Übrigens bestreitet der gute Carmine hier den Leadgesang.

Es bleibt am Ende festzustellen, dass, falls es eine Fortsetzung des Carmine Appice Projects geben sollte, durchaus noch eine Steigerung geben kann. Die Idee ist grandios. Doch sollte man etwas mehr Vielseitigkeit im Songwriting anwenden. Das würde der ganzen Sache wirklich gut tun. Und bitte beim nächsten Mal ausschließlich die "Normalstimme" von Kelly Keeling verwenden, denn die hat es sicher verdient, unverzerrt gehört zu werden!