Der Countdown zum Schlussakkord der Allman Brothers Band läuft. Schwer vorstellbar, dass Gregg Allman im kommenden Jahr eine neue ABB-Version ins Rennen schicken wird. Und selbst der traurige 'Die Hard-Fan' hat mittlerweile seinen Frieden mit dieser Tatsache geschlossen. Der Umstand, dass über zehn Jahre seit dem letzten Studioalbum ("Hittin' The Note" von 2003), ins Land gegangen sind, lindert den Abschiedsschmerz. Wer will es Gregg Allman verdenken, wenn er sich die durch die erfolgreiche Lebertransplantation unverhofft geschenkte neue Lebenszeit möglichst wohldosiert einteilt? Lieber seiner ewig jungen Liebe zum Blues'n'Soul frönt und sich mit seiner blutjungen Freundin im schönen Richmond Hill/Georgia die morschen Knochen wärmt?
Eine seiner vielen ganz großen Gesten ist ihm im Frühjahr dieses Jahres gelungen, als Allman sich für eine Tribute Show eine Allstar Band zusammenstellen konnte und einige der glanzvollsten Koryphäen der US-Szene zu den Mikros rief. Und alle kamen nach Atlanta, um diesen großartigen Songschreiber für sein mächtiges Lebenswerk gebührend zu ehren. Das Ergebnis stellt "All My Friends" dar, das mir als Doppel-CD vorliegt, aber auch als Dreierset mit einer DVD rsp. Blu-ray angeboten wird. (Was man sich sinnvollerweise stattdessen zulegen sollte!)
Zunächst muss mal ein Absatz über die fantastische All Star Band herhalten. Nicht, dass hier einfach nur ein paar große Namen zu einer Begleitcombo zusammengeschustert wurden - nein, diese Truppe agiert unglaublich gespannt, einfühlsam jede Emotion des Songwritings ausarbeitend und ist der eigentliche Star dieses Abends/Albums.
Don Was, der als Spiritus Rector diese Veranstaltung geplant und produziert hat, bildet als Bassist mit dem gewohnt kraftvoll agierenden Kenny Aronoff das Duo Infernale der Rhythmusfraktion. Audley Freed ist wohl einer der (zu Recht) meistgesuchten Sessiongitarristen der 'Staaten' und sein Partner Jack Pearson für meinen Geschmack der Größte aller (zu Unrecht) unbekannten Spitzengitarristen. [Wer das mit dem 'unbekannt' ändern will, dem sei das Soloalbum "Do What's Right" (2007) empfohlen.] Beide drängeln sich nicht in den Vordergrund, sondern machen ebenso wie die schwelende Bläsersektion 'die (musikalischen) Räume dicht'.
Zu Chuck Leavell muss und will ich hier keine langatmigen Ausführungen machen - ich denke, allein die Namensnennung dieses begnadeten Pianisten spricht Bände. Bei einer weiteren bekommt der Kenner ebenfalls Sternchen in die Augen: Southern Rock-Urgestein Jimmy Hall (ich sage nur Wet Willie!!) hatte in Atlanta sein Saxofon zwar nicht ausgepackt, bläst aber gelegentlich eine derart glühende 'Hoochie', dass einem der Schweiß in Fontänen aus allen Poren spritzt....
Nun zu den Stars, die dem Altmeister an den Mikrofonen die Referenz erwiesen: Da ist leider nicht alles Gold, was glänzt. Dem Jungstar Brantley Gilbert sind die Schuhe von "Just Before The Bullets Fly" (noch) eindeutig zu groß. Zu "I'm No Angel" und "Trouble No More" hätte statt dem mir eine Spur zu öligen Trace Adkins wohl ein richtig 'schlimmer Finger' (vlt. Willie Nelson?) besser gepasst. Etwas schmalbrüstig kommt ausgerechnet der New Country-Star Eric Church daher, dessen leicht kratzige Stimme in beiden von ihm gesungenen Titeln keinen Stich macht. Zum Glück bügelt hier der famose Chor, die McCrary-Schwestern, noch so Einiges in die rechte Façon.
Überraschend punkten dagegen die beiden mir bis dato lediglich namentlich bekannten Sänger: Country-Chanteuse Martina McBride und Pop-Rocker Pat Monahan ( Train), die alleine wie im Duett ("Can You Fool") eine sehr gute Figur machen. Gregg Allmans Stimmbänder werden bis ins letzte Viertel der Show weitgehend geschont. Das scheint auch notwenig - sie werden immer dünner und zittriger. Auch sonst gibt sich der 66-Jährige gewohnt maulfaul. Nicht eine Ansage geht ihm während des zweieinhalbstündigen Konzertes über die Lippen.
An Highlights herrscht hingegen gewiss kein Mangel. Zuvorderst ist natürlich einer DER ABB-Songs schlechthin, "End Of The Line", zu nennen - gewohnt druckvoll pumpend steht diesem das cremige Blech glänzend. Sohnemann Devon Allman holt - im Duett mit Jimmy Hall - in "You Can't Lose What You Ain't Never Had" wirklich alles aus sich heraus... und das ist alles andere als wenig. Was für Widespread Panic ebenfalls gilt - wer hätte auch ernsthaft etwas anderes erwartet? Lupenreinen Soul im 'Nawlinz'-Gewand gibt der Doktor in "Let This Be A Lesson To Ya" zum Besten. Etwas ungewohnt, aber sehr ansprechend: John Hiatt im Klassiker "One Way Out".
Einsamer Höhepunkt ist allerdings der Auftritt von Jackson Browne. Unglaublich, wie einfühlsam dieser mit einem nachdenklich wirkenden Gregg Allman seinen Evergreen "These Days" intoniert. Chuck Leavell (Piano) und Jimmy Hall (Harp) setzen hier, wie im kaum weniger beeindruckenden "Melissa", zartest gehauchte Tupferchen. Gegenüber diesen strahlenden Momenten verblasst der anschließende Auftritt der ABB, mit routinierten Versionen von "Dreams" und dem "Whipping Post", ein klein wenig.
Zum abschließenden Gospel "Will The Circle Be Unbroken" versammeln sich alle Gäste zum Abschied noch einmal auf der Bühne. Spätestens hier könnte ich mir in den Allerwertesten beißen, weil mir die DVD nicht vorliegt. Ein Umstand, der sich schnellstmöglich ändern muss....
Ob man die seit Jahren zahllos erscheinenden historischen ABB-Konzerte wirklich allesamt braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Klar ist dagegen, dass "All My Friends" - schon allein wegen der beteiligten Spitzenmusiker - ins heimische Regal gehört. Der Kenner holt sich selbstredend das Triple-Set mit der DVD bzw. Blu-ray - auch das dürfte logisch sein.
Line-up:
The All Star Band:
Kenny Aronoff (drums)
Don Was (bass)
Audley Freed (guitars)
Jack Pearson (guitars)
Chuck Leavell (keyboards)
Jimmy Hall (harmonica, percussion)
Rami Jaffee (Hammond B3)
Jim Hoke (saxophone, horns arrangement)
Vinnie Ciecielski (trumpet)
John Hinchey (trombone)
Regina, Ann and Alfreda McCrary (background vocals)
Gregg Allman (Hammond, acoustic guitar, lead vocals)
Tracklist |
CD 1:
01:Come And Go Blues (Warren Haynes)
02:End Of The Line (Warren Haynes and Derek Trucks)
03:Stand Back (Susan Tedeschi and Derek Trucks)
04:You Can't Lose What You Ain't Never Had (Devon Allman, Jimmy Hall, Robert Randolph)
05:Please Call Home (Sam Moore)
06:Just Another Rider (Keb Mo)
07:Before The Bullets Fly (Brantley Gilbert)
08:Let This Be A Lesson To Ya (Dr. John)
09:Queen Of Hearts (Pat Monahan)
10:One Way Out (John Hiatt)
11:Statesboro Blues (Taj Mahal)
12:Just Ain't Easy (Widespread Panic)
13:Wasted Words (Widespread Panic and Derek Trucks)
14:I'm No Angel (Trace Adkins) |
CD 2:
01:Trouble No More (Trace Adkins)
02:Multi-Colored Lady (Vince Gill)
03:All My Friends (Martina McBride)
04:Can You Fool (Martina McBride and Pat Monahan)
05:Ain't Wastin' Time No More (Eric Church)
06:Win Lose Or Draw (Eric Church)
07:These Days (Jackson Browne)
08:Melissa (Jackson Browne)
09:Midnight Rider (Vince Gill and Zac Brown)
10:Dreams (Allman Brothers Band)
11:Whipping Post (Allman Brothers Band)
12:Will The Circle Be Unbroken (Full Cast) |
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Externe Links:
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