"Joan Armatrading - das ist doch die mit der LP in unserem Plattenregal, die nur von einer Seite bespielt ist?" "Genau Olli, die ist das."
Und ausgerechnet die britische Liedermacherin ist mit bei den ersten Acts, die vom WDR-Rockpalast-Team auf DVD gebrannt werden.
Die DVD enthält in erster Linie zwei Konzerte. Das erste wurde 1979 im WDR-Studio aufgenommen - in einem Studio mit einer Maximalkapazität von 80 Leuten. Das Studio ist atriumartig bestuhlt und scheinbar unbeheizt, die Leute sitzen zum Teil in Schal und Jacke da. Runde 90 Minuten bemüht sich Joan mit sprödem Charme und einem eigensinnigen Humor, den Saal ein wenig aufzutauen. (Und glaubt mir, in meinem Kühlschrank ist mehr los! Wesentlich mehr!)
So wird dem Publikum freigestellt, mit zusingen wenn es denn möchte - bei "Show Some Emotions". Bei "Takin' My Baby Uptown" werden sogar die Zuschauer vor den Fernsehern zum Tanzen aufgefordert. Als sie auf eine ihrer Fragen erst nach einigen Appellen eine Antwort erhält, möchte sie diese Person am liebsten gleich auf die Bühne holen.
Unterstützt wird sie während der Show von Rick Hirsch (g), Bill Bodine (b), Lon Price (sax, fl), Don Michael "Red" Young (keyb) und Art Rodriguez (dr).
Als Kontrast zu diesem Konzert in kleinem Rahmen gibt es den Mitschnitt der Rockpalast-Nacht vom 19. auf den 20. April 1980 - ein gutes Jahr später, vor der 100-fachen Zuschauermenge - die Grugahalle in Essen war mit 8.000 Leuten ausverkauft. Hier bekommt Joan Armatrading von Anfang an den Applaus, den sie - und natürlich ihre illustre Begleitung - verdienen. An den Drums sitzt diesmal Richie Hayward (Little Feat) , die Gitarren werden von Rick Hirsch und Richard Belke (Wet Willie) gespielt, Keyboards gibt's von Dick Sims und den vertrauten Bill Bodine am Bass.
Joan greift weniger zur Gitarre, konzentriert sich fast ganz auf den Gesang.
Die Songauswahl lässt auch hier kaum Wünsche offen. Die Atmosphäre ist, sicher auch durch die wesentlich größere Zuschauermenge und entsprechend mehr Applaus, locker- flockiger als im WDR-Studio - da darf sich Joan auch schon mal in der Zeile vertun ("You Rope You Tie Me"). Aber wenn ich damals die Wahl gehabt hätte, ich hätte dem intimeren Kölner Studio den Vorzug gegeben!
Als Bonus gibt es ein (sehr) kurzes, aber spaßiges Interview - so erfahren wir zum Beispiel, dass der Schlüssel, den Joan Armatrading immer an einer langen Kette um ihren Hals trägt, der Schlüssel zu ihrer Londoner Wohnung ist - wer hätte das gedacht! Grüße an ihre Mutter darf sie auch los werden.
Joan Armatrading ist für mich eine absolute Ausnahmemusikerin. Ihre Lieder gehen - fast ohne den Umweg über's Gehör - direkt ins Herz. Sie bedient sich bei sehr vielen musikalischen Stilarten, sei es Rock, Pop, Reggae, Jazz, Funk; auch ihre karibischen Wurzeln hört man heraus. Die Songs sind oft kompliziert, gespickt mit Tempi-Wechsel und voller komplexen Arrangements, aber gleichzeitig immer auch Ohrwürmer.
Die DVD ist in Dolby Digital 5.1 und natürlich in Stereo 2.0 zu hören. Mit insgesamt 172 Minuten Spielzeit ist man gut bedient. Also, Füße hoch und lasst Euch ein viertel Jahrhundert in die Vergangenheit entführen!
Spielzeit: 172:00, Medium: DVD, WDR Fernsehen / Studio Hamburg, 2004
Konzert 1: :WDR Studio Köln, 15.02.1979
1:Down To Zero, 2:Barefoot And Pregnant, 3:Cool Blue Stole My Heart, 4:Baby I, 5:Mama Mercy, 6:Opportunity, 7:Let It Last, 8:Woncha Come On Home, 9:Steppin' Out, 10:Love And Affection, 11:Show Some Emotions, 12:You Rope You Tie Me, 13:Kissin' And A Huggin', 14:Tall In The Saddle, 15:Takin' My Baby Uptown, 16:Back To The Night, 17:Help Yourself.
Konzert 2: :Grugahalle Essen, 19/20. 04.1980
1:Mama Mercy, 2:Down To Zero, 3:Cool Blue Stole My Heart, 4:I Really Must Be Going, 5:Me Myself I, 6:Ma-Me-O-Beach, 7:Love And Affection, 8:Rosie, 9:How Cruel, 10:Turn Out The Light, 11:You Rope You Tie Me, 12:Kissin' And A Huggin', 13:Tall In The Saddle, 14: Willow, 15:When You Kisses Me.
Ella Wirtz, 14.05.2005
|