Russell Allen's Atomic Soul
Russell Allen's Atomic Soul
Hey, steht da draußen noch irgend jemand auf Gitarren? Nein, nicht auf dieses hyperschnelle Gefrickel mit 1000 Noten pro Minute oder auf diese Typen, die nur noch Tipping al la Eddie Van Halen masturbieren. Eher auf richtige Schweinegitarren: so breit und fett vom Sound, dass es nur noch brät, dröhnt und rotzt?
Gibt es dort in der Welt noch Fans von Gesang? Nein, nicht dieses Gläser zersprengende Operngeschrei, keimdrüsenfreies Was-auch-immer-Metal Gefiepe oder schwules Schlagergesülze. Eher auf so richtiges, aggressives Rockshouting, mal verhalten, mal alles durchdringend, aber variantenreich und voller Inbrunst vorgetragen?
Falls jemand diese Fragen bejaht, sollte er sich mal um "Russell Allan's Atomic Soul" kümmern. Der Sänger der Progmetal Band Symphony X legt ein Album vor, auf das die eben genannten Eigenschaften absolut zutreffen.
Die Scheibe ist gespickt mit kompromissloser, harter Rockmusik. Die Gitarren spielen die Hauptrollen, die Vocalarbeit ebenso und das Songwriting auch (zumindest nach einigen Durchgängen).
Zurück zu den Gitarren: Russell Allen selbst und sein Kollege Michael Romeo fungieren als Poliere und ziehen verdammte Gitarrenwände hoch. Die Verzerrer brummen auf Volllast. Der Sound ist erdig, trocken, direkt und dreckig. Endlich mal wieder, wollte man fast sagen.
Zum Shouter: Sir Russell Allan macht seinen Job schon ziemlich überzeugend. Neben seiner Symphony X Geschichte, ist er einigen von Euch vielleicht von seiner Zusammenarbeit mit Arjen Lucassen im Trommelfell geblieben. Im Spaceship "Star One" fungierte er als einer der drei männlichen Gesangsoffiziere. Wie gut seine Liveperformance ist, zeigt er beispielsweise auf der "Star One" DVD. Ob er je ein guter Schauspieler werden kann, sei nach seiner mit einem imaginären Laserschwert in Lord Vader Manier durchgeführten Attacke gegen Damian Wilson mal dahingestellt.
Jedenfalls legt sich Russell bei seinem Soloprojekt ziemlich ins Zeug. Er geht markig zu Werk. Sein Stil ist der einer richtigen Rockröhre. Mal laut, mal leise, mal zahm, aber meistens angriffig.
Natürlich kann Sir Russell seine Progressive Metal Wurzeln nicht verleugnen. Aber er bedient sich der Werkzeugkiste dieses Genres nicht inflationär. Natürlich gibt's ein paar Tempowechsel und Breaks. Und banale Riffs sind auf der Scheibe selbstverständlich nicht anzutreffen. Insgesamt gesehen sind die Stücke aber richtige Songs. Die Strukturen sind durchschaubar und die Instrumentierung nicht überzogen. "Back to the Roots" eben. Die flotten Refrains geben dem einen oder anderen Song durchaus Ohrwurmcharakter.
Sir Anspieltipps:
Blackout heißt es zu Beginn des Albums. Gitarren - Gitarren - Gitarren - Sirenen. Explosive Mischung, was? Und dazu noch Sir Russells raue Röhre! Der Midtemposong springt einen geradezu an und ist gleich symptomatisch für die Scheibe. Quasi in diesem Stil bleibt es für die nächsten 50 Minuten.
Das Akustik-Gezupfe im Intro von Angie währt nicht lange. Schleppend rifft sich die Gitarre durch die Strophe. Russell beginnt verhalten. Nach einigen Rhythmuswechseln greift der Refrain zu und will einfach nicht mehr loslassen.
Vom Arrangement her betrachtet, mag "The Distance" einige Zeitgenossen etwas an Grunge erinnern. Sicherlich zeigt der träge, irgendwie traurige Gitarrensound ein bisschen in Richtung Seattle. Auch der melancholische Refrain könnte an.... Lassen wir das! Purer Rock ist "The Distance"! Und frei von allen Vergleichen gehört, hat er wirklich Potenzial.
Das Schlagzeug gibt den Takt vor. Dann greift die Slideguitar ins Geschehen ein. "Saucey Jack" heißt dieses Stück und ist eine Gute-Laune-Nummer. Fernab von ihren sonstigen Gefilden, passt die Slide ausgezeichnet in dieses fremde Revier. Schon wegen ihres Einsatzes sollte man diesen Song ruhig mal anskippen.
"Russell Allan's Atomic Soul" ist eine Powerrock CD. Für Freunde solcher Musik dürften keine Wünsche offen bleiben. Russells Fast - Namensvetter Tim Allen würde es wohl so ausdrücken:
"Das ist echte Männermusik! How-How-How!"
Gitarrenbetonte 7 RockTimes Uhren!


Spielzeit: 50:13, Medium: CD, InsideOut Music, 2005
1:Blackout, 2:Unjustified, 3:Voodoo Hand, 4:Angel, 5:The Distance, 6:Seasond Of Insanity, 7:Gaia, 8:Loosin' You, 9:Saucey Jack, 10:We Will Fly, 11:Atomic Soul
Olli "Wahn" Wirtz, 23.04.2005