Rückblickend verfielen in aller Regelmäßigkeit unserer liebevoll als 'feenhafte Sanges-Botschafterin spiritueller Untiefen' sowie 'seelentherapierenden Kriegerin am Klavier' titulierten Heldin, selbst die abgebrühtesten Feuilleton-Kleckser ins gepflegte Schwärmen.
Die einst dem konservativen US-Kleinstädtertum und einer frömmelnden Familienbande entwachsene Tasten-Wundergöre Myra Ellen Amos zog es schon frühzeitig vor, ihren eigensinnigen Pakt mit den verlockenden Mächten rockistischer Schmuddel-Dämonen, anstatt einem Klassik-versteiftem Musterdasein, zu schließen.
Mit dem Wissen von Heute förderten wohl Toris damalige, lebensunterhaltene Piano Bar-Schindereien und Medien-kontroversen Wege nach Canossa, deren songschreiberische Vielschichtigkeit sowie musikalisch sowohl allerlei rauhes, als auch betörend wirkendes Wesen.
Erst der Eigengeschmackliche nach gefühlter Transzendenz strebende Liederreigen ihres Debüts, welches mit seinem Schablonen-Mainstream umschreitenden Vorträgen voll dionysischer Klavier-Emotionalien und kargen Elegien, aufzurütteln vermochte, legitimierte letztendlich eine Reihe musikalisch multipler und feministisch tiefschürfender Aktivistinnen.
So sorgte ihr wahrer Solo-Erstling sprichwörtlich für kleine Erschütterungen in popsezierenden Fachkreisen und der Auftritt einer gleichwohl zerbrechlichen sowie Männer-verfrühstückenden Femme Fatale, für offene Münder.
Es faszinierte und irritierte gleichermaßen, wie uns das, von augenscheinlich jugendlicher Aufsässigkeit und Cinderella-Träumereien umwandelnde Grease-Mädchen mit der wundöffnenden Aufbereitung ihres Innersten, obendrein Entblößung der eigenen Vergewaltigung, schonungslos kompromittierte.
So verschoss diese, mit jenem Seelenschorf abtragenden, zudem stahlkaltem A-Capella ummantelten "Me And A Gun", ferner ein aufwühlendes Outing ihrer bis dato ein halbes Jahrzehnt zurückliegenden Pein, ihre zuvor in Lachen bitterster Martyrien und dem Blut indianischer Vorfahren getunkten Pfeile Richtung patriarchalischer Allmacht.
Noch mit eben jener, sowohl in Elfenbein und Ebenholz verinnerlichten Dünnhäutigkeit und kathartischen Ohnmacht samt der stimmlich behänden Rollenspiele aus reflektierter Lebenstraumata und dem schamanischen Charme großer Tragödinnen, rüttelte die rotschöpfige Chanteuse nun an den Festen, welche Image-Aktivistinnen wie Joni Mitchell oder Kate Bush zuvor musikalisch-visionär errichteten.
Damals schon auf stetigem Kollisionskurs mit popindustriegängiger Ware, sinnierte eine sich durchaus spirituell als mystifiziertes Verweigerungs-Weibsbild à la Anne Boleyn oder Jeanne d'Arc wohlgefallene Neunundzwanzigjährige mit analytischer Schärfe und lyrischer Doppelzüngigkeit über Verlangen und Verlust, Verzagtheit und Hoffnung, lieferte sechsundfünfzig Minuten melodramatisches Seelenstriptease.
Eine zwischen erwachsener Empathie und entlarvender Aufmüpfigkeit zerriebene Sirene, welche mit diesem im wahrsten Sinne musikalisch 'kleinem Erdbeben' beinahe schmerzlich privates figurierte, sich zudem in lasziver Lauerstellung durch alle fleischlichen Gemütslagen schmachtete und litt. Stereotype Liedermacher-Schubladen ignorierend, gefällt sich die einst jüngste Peabody-Absolventin, sowohl in der emotionsgesteuerten Rolle der blasphemiespuckenden Hexe, als auch die einer Heiland-erkorenen Künderin, treibt die Zuhörer durch die labyrinthischen Gänge ihrer zartbitter-schmelzenden Kopfgeburten. Die teils backgroundverschattende Dominanz ihres unumwunden liebsten Klaviaturen-Sexspielzeuges sowie die zwischen porzellanener Zerbrechlichkeit und Kehlen-abschnürender Eindringlichkeit oszillierenden Sanges-Verführungen des wohl intimsten Werkes, hinterlässt auch, dreiundzwanzig Jahre nach ihrem endgültigen Einzug auf dem Olymp der Norm-abweichenden Pop-Göttinnen zudem Millionen vertickter Tonträger, Lorbeerkränze-flechtende Kritiker.
Nebst dieser songschreiberisches Neuland evozierenden Selbsthäutung, zwangen zum einen auch Impetus-verliebte und ohrenschmeichelnde Lobpreisungs-Hymnen auf entkettete Glaubensbekenntnisse wie "Crucify", zum anderen enigmatische Baroque-Pop-Epen voll kindlicher Verlustängste wie "Mother", eine bis dato feministisch restringierte Industrie und weibliche Identifikations-Kultur zu mutigeren Denkmustern.
Somit untermauert Rhino's, nun soundtechnisch polierte und um nahezu reichlich B-Seiten sowie Bonus-Schmankerl erweiterte Neuauflagen, jenes einst anfänglich als musisch verschrobenes Frauen-Gedöns abgewunkenem Pop-Gewüchses, erneut die unumstößliche Wertigkeit dieses Eigenwilligem zudem zwiespältigen Meilensteins.
Neben fanbegehrlichen EP- sowie Singles-Rückseiten wie "Take It To The Sky" oder "Ode To The Banana King (Part One), werden auch Purpurlöckchens regelmäßig an Fremdkompositionen laborierende Passionen, mit Nirvanas Punkrock-induzierten Weckruf für die Medial auf Sauber gestylten Amis, fernerhin als dadaistisches Mantra einer musikalischen Neuordnung, bestens repräsentiert.
Erfahrungsweise ließen solche Deluxe-Editionen in punkto Verpackung und audiophiler Aufbereitung bisher kaum Konsumentenwünsche offen. So wurden auch diesmal, sowohl bei Toris längst überfälligem Re-Issue (auch als 180g Vinyl und Download) von "Little Earthquakes", als auch nachfolgendem Karriere-Marker und kommerziellem Erstschlag "Under The Pink" hohe Qualitätskriterien erfüllt.
Das nur zwei Jahre später fertiggestellte Studiowerk polarisierte die Gemüter wiederum mit ihren nunmehr intensivierten Fertigkeiten einer durch Tonlagen irrlichternden Sirene zudem noch Dutzend Bösendorfer-befeuerter und irgendwo zwischen anzüglichem Liebreiz und Wunden leckender Psycho-Trips eingenisteter, Zungenbekentnisse.
Somit kaum zu glauben, dass die inspirativ-schonungslose Literaturvorlage über "Beschneidungen weiblicher Genitalien", als wildromantische, zugleich kindlich-vereimte Missionierungs-Hymne geistesoffener Mädchen, zum britischen Chartstürmer avancierte. Toris feministische Perspektiven erweiterndes "Cornflake Girl", hob damit den Salz in Geschwüre unserer Gesellschaft verteilenden und gleichsam MTV-tauglichen Popsong auf eine völlig neue Stufe.
Wenngleich beim Zweitwerk auch erste zarte Anbandelungsversuche mit dem kompositorischen Widerborst sowie ihr unbändiger Innovationswillen mitklangen, garantierten mit reichlich Streicher-Guss glazierte Mezzopran-Messen wie "Yes, Anastasia", in tiefste Seelenräume vordringende Abgesänge scheinbar verklärter Kindheitsidyllen ("Pretty Good Year"), selbst in Tränen gebadete und schonungslos-züngelnde 88-Tasten Andachten wie "Icicle", ein Mehr an musikalisch bewährtem Emotionsschmelz.
So hat auch jenes exzentrische Lieder-Gemälde wie schon sein Vorgänger, sowohl kompositorisch, als auch songschreiberisch unauslöschbare Spuren in den Annalen popkultureller Umstürze hinterlassen.
Die luxuriös formatierte sowie vorbildlich klangentstaubte Neu-Edition von "Under The Pink" wurde auch hierbei um fünfzehn zusätzliche Hör-Bonbons, mit Hauptohrenmerk auf Toris sinnlich-kraftvolle Bühnen-Interpretationen, erweitert.
Markierte 1992 die Klaviaturen-liebkosende 'Sei du selbst'-Botschafterin mit ihrem gleichsam arglose Unschuld und psychopathischen Gefühls-Extremismus versprechenden Sangesleiden, noch den Paukenschlag für ein neu inspirierendes, überdies außerweltlich scheinendes Songwriter-Profil, bewahrte so Toris mittlerweile Übergroßes sowie stets Trend verachtendes Oeuvre seine Zeitlosigkeit.
Diese, meiner Meinung nach zum Pop-Weltkulturerbe zählenden, mit üppiger Ausstattung und sensiblen Mastering wiederbelebten, Werke,verpflichten nahezu jeden qualitätsbewussten Musikliebhaber, den toleranten Artrock-Nerd und alle Tori Amos-Fanatiker sowieso, zur bedingungslosen Anschaffung.
Nur rätselt der Gutachter zum Schluss um den Verbleib der damals noch auf der Coverrückseite des "Little Earthquakes"-Originals zu findenden, jetzt aber schmerzlich vermissten, wild wachsenden Phallus-Früchte.
Line-up:
Tori Amos (vocals, piano, Bösendorfer)
With: other Guests (other instruments)
Tracklist |
CD 1: Little Earthquakes (Original Album)
01:Crucify
02:Girl
03:Silent All These Years
04:Prcious Things
05:Winter
06:Happy Phantom
07:China
08:Leather
09:Mother
10:Tear In Your Hand
11:Me And A Gun
12:Little Earthquakes
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CD 2: Little Earthquakes (Bonus Tracks)
01:Upside Down(From Silent All These Years)
02:Thoughts(From Silent All These Years)
03:Ode To The Banana King(Part One)(From Silent All These Years
04:Song For Eric(From Silent All These Years)
05:The Pool(From Winter)
06:Take To The Sky(From Winter)
07:Sweet Dreams(From Winter)
08:Mary(From Crucify)
09:Sugar(From China)
10:Flying Dutchman(From China)
11:Humpty Dumpty(From China)
12:Smells Like Teen Spirit(From Winter)
13:Little Earthquakes(Live 1992)(From Crucify)
14:Crucify(Live 1992)(From Crucify)
15:Precious Things(Live 1992)(From Crucify)
16:Mother(Live 1992)(From Crucify)
17:Happy Phantom(Live 1992)(From Silent All These Years)
18:Here In My Head(From Crucify)
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CD 1: Under The Pink (Original Album)
01:Pretty Good Year
02:God
03:Bells For Her
04:Past The Mission
05:Baker Baker
06:The Wrong Band
07:The Waitress
08:Cornflake Girl
09:Icicle
10:Cloud On My Tongue
11:Space Dog
12:Yes, Anastasia
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CD 2: Under The Pink (Bonus Tracks)
01:Sister Janet(From Cornflake Girl)
02:Honey(From Pretty Good Year)
03:Daisy Dead PetalsFrom Pretty Good Year)
04:Over It(From Cornflake Girl)
05:Black Swan(From Pretty Good Year)
06:Home On The Range(with Cherokee addition)(From Pretty Good Year)
07:All The Girl Hate Her(From Cornflake Girl)
08:God(The CJ Bolland Remix)(From God 12")
09:Here In My Head(Live 1994)(From Past The Mission)
10:Upside Down(Live 1994)(From Past The Mission)
11:Past The Mission(Live 1994)(From Past The Mission)
12:Icicle(Live 1994)(From Past The Mission)
13:Flying Dutchman(Live 1994)(From Past The Mission)
14:Winter(Live 1994)(From Past The Mission)
15:The Waitress(Live 1994)(From Past The Mission)
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Externe Links:
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