Adrian Benavides/ Same Time Next Life
Same Time Next Life Spielzeit: 51:00
Medium: CD
Label: Unsung Records, 2012
Stil: Industrial, Avantgarde

Review vom 18.07.2012


Ingolf Schmock
An einem dieser rar gesäten Sonnentage sich freiwillig den düsteren Klangwolken eines jüngst vom Schicksal gebeutelten und neugierigen Multikünstlers auszusetzen, ist wohl dem asketischen Gang eines Lebemannes ins Kloster gleichzusetzen.
Es schien unserem an dieser Stelle zu besprechenden Protagonisten gleichwohl ein quälendes Bedürfnis gewesen zu sein, seine perforierte Seele mittels einem von tiefer Verzweifelung verklärten und eigens kreierten musikalischen Labsal zu kurieren.
Der durchaus kreativ vielarmige Texaner und einstige Vierspur-Recorder- Autodidakt Adrian Benavides laviert sich mit nahezu perverser Kaltschnäuzigkeit durch den von klinischer Electronica und metallischer Rüpelei regierten Soundtrack seiner nach Erlösung bettelnden Psyche und wirft mit dem Erstlingswerk ein unfiltriertes Licht auf eine verstörende Klangästhetik.
Das für jeden werdenden Vater unbestritten Seelen-zerrüttende Armageddon, die Todgeburt seines Kindes, zementiert Benavides in sechs schwerverdaulichen Monolithen, wie das gleichsam heilbringende und vergiftende Amalgam ins paradontöse Zahnschmelz musikaffiner Sensibelchen.
Dabei setzt jener mitnichten auf die cineastisch verbandelte Schwermütigkeit verschüchterter Esoteriknerds, sondern malträtiert den grenzerfahrenen Konsumenten mit dem unerschütterlich zermürbenden digitalen Surrogat bedrohlich dröhnender und von elektronischem Unrat verfremdeter Gitarrenriffs, scharfkantigen Elektro-Beats, Zwerchfell-stimulierenden Bassläufen und der zickigen Taktgebung eines Prog-rezitierenden Schlagwerk-Häuptlings.
Mag gemeinen Musikzerfleischern beim Gedanken an eine bitterliche Schöpfung von metallisch kommunizierendem Kalkül sowie entmenschten Fabrikklängen aus Schaltkreis-integren Gerätschaftszenralen das pulsierende Blut stocken, so könnten anderseits die einem lähmenden Giftstachel gleichsam morbiden Lärmarchitekturen jene unter Hörtoleranz-Zwangsneurosen leidenden Probanden ins Rückenmark treffen.
Benavides Mitstreiter haben einander gesucht und gefunden, von kindlicher Neugierde beflügelte Tonstudio-Laboranten, sowie von Art Rock-Wechselbälgern belagerte Instrumentalisten, welche dem schockgefrosteten Spielwiesen-Patriarchat durchaus eine buntgefleckte Komponente unterschieben.
So kultivieren der einst einer germanischen Provinz entflohene akademisch Genährte und mittlerweile unangefochtene Streber auf computervernetzten Saiten-Instrumentarien
Markus Reuter, sowie ein detailverliebter, in Zappas dämonischem Blut gebadete Drumsticks wirbelnder Schöngeist, Pat Mastelotto, den fiesen und musikalisch betonierten Soundtrack einer aus den Fugen geratenen Innenwelt.
Des Texaners erste eigenverantwortliche Studio-Ausgeburt schert sich einen Dreck um die ewig patinierten Elaborate unkonventioneller Rock-Alchemisten, ergießt einen hartgestampften Elektronika-Brei über das um Gnade flehende Analog-Geschmeiß, entfaltet dazwischen minutiöse Klangteppiche und herzt den Drang nach verschachtelten Texturen.
Mit welcher narzisstischen Radikalität der Künstler hierbei dem Hörer zu Leibe rückt, ist ein Gutteil doch recht erdrückend und entbietet in einer knappen Stunde sowohl dem beherrschten musikalischen Ausloten von sublimer Monotonie als auch im Aufreizen spinnerter Avantgarde-Referenzhöllen einen gestrengen Hofknicks.
Zu allem Überfluss bestärkt Benavides Barbiturate-verklärtes und nöliges Schwermutsgebräu das berauschend-wohlige Trauerfaszinosum, und hegt die abnorme Ohrenreise, gleich dem Friedhofsgärtner, die giftspritzenden und dennoch durch ihre betörende Anmut bezaubernden Oleanderbüsche.
Ergänzend sei noch erwähnt, dass die europäische Ausgabe von "Same Time Next Life" mit einem zusätzlichen Bonustrack zur Veröffentlichung gelangt.
Line-up:
Adrian Benavides (guitar, bass, vocals, sound design, programming)
Pat Mastelotto (drums, percussion)
Markus Reuter (U8 touch-guitar, soundscapes)
Mike Day (guitar)(guest)

Guests:
Alex Dowerk (U8 touch-guitar, programming)(guest)
Eoghan McCloskey (drums, percussion)
Matt Parmenter (additional engineering)
Anette Garza (violin)
Tracklist
01:Impulse Response
02:Grit(digging)
03:Reflection II
04:Exterior Of A Heart
05:Reflection III
06:Same Time Next Life
Externe Links: