Spielzeit: 50:26 Medium: CD Label: Sireena Records, 2014 Stil: Westcoast Review vom 07.02.2014 Ulli Heiser

Man kennt das: Irgendwann findet man in den Katakomben seines Domizils die alten Kisten und Schachteln, deren verstaubter Inhalt den Forscher oft zu hochemotionalen Satzfetzen wie »Boar ey«, »weißt du noch«, »kennst du noch«, »guck mal« usw. führt. Das kann Omas handschriftliches Rezept über den sauer eingelegten Hasen - natürlich in Sütterlinschrift - sein, ein Bild der ersten Freundin im züchtigen Badeanzug, die kaputte Konfirmationsuhr oder ein paar alte C60-Kassetten der Marken AGFA und BASF. Das Leben ging weiter, aber glücklich, wer auf Spuren der Vergangenheit trifft und mit diesen etwas anzufangen weiß. Für Omas Hasenrezept jedenfalls, würde ich gar eine Altenstube aufsuchen und mir den Text übersetzen lassen. Die heutige Optik der damaligen Badenixe auf dem Foto dagegen, mag ich mir heute weniger vorstellen. Interessant wäre auf jeden Fall auch, das alte magnetisierte Band wieder Spuren ziehen zu lassen, was aber an mangelndem Equipment scheitern würde.

Über die Omas und Ex-Freundinnen der Musiker von Bad News Reunion kann ich nichts berichten, aber was alte Kassetten betrifft, sieht es gut aus. Seit über 30 Jahren gab es kein Studioalbum mehr. Lediglich die beiden Livescheiben "Last Orders, Please!" aus dem Jahr 1983 sowie das 1998er Just One Night, das von Sireena vor zwei Jahren neu aufgelegt wurde, zeugten von der Existenz der Band. Als nun im vergangen Jahr das Konzert in der Hamburger Fabrik sehr erfolgreich verlief, kamen Michael Schlüter, Peter Urban und Jochen Brückner auf die einzige richtige Idee, es nämlich noch einmal zu versuchen.

Neue Stücke gab es keine. Aber es gab beiseite gelegte Kassetten mit Material zurück bis 1979 ("Come Over Here"). Die alten Songs waren eher Ideen, Demos, zum Teil nicht ganz ausgereift, hatten aber Potential, was der Rezensent dem neuen Album attestiert. Zusammen mit der kompletten Band wurden die alten Tunes aufbereitet und weiterentwickelt, bis der passende Reifegrad für eine neue CD erreicht war. Das Gründungsmitglied Abraham Wallenstein ist allerdings nicht mehr mit an Bord. Der sog. »Vater der Hamburger Blues-Szene« will sein musikalisches Leben weiterhin dem Blues widmen und so fand man in Uli Kringler einen adäquaten 'Ersatz' für die Saiten. Und nicht nur dafür, denn in dessen Studio wurde produziert und "Lost And Found" zum Leben erweckt.

Die alten neuen Tracks werden dem Ruf der Band als Westcoast-Truppe mehr als gerecht. Stellenweise auch folkig, Singer/Songwriter-mäßig und bluesig ("A Song For Somebody" z. B. hat Passagen, deren Akkordwechsel mich an Peter Greens "Slabo Day" erinnern). Ansonsten ist da vieles, was in den ruhigen Momenten an Künstler wie Al Stewart erinnert, relaxt groovig Treibendes à la Little River Band oder Phil Carmen und gar Reminiszenzen an die
Meister des Ausfallschrittes sind auszumachen ("Bee Goes To The Sea"). Uli macht seine Sache wirklich gut und legt den Fokus seiner Saitenarbeit immer ins Herz der Songs. Das tut die 'alte' Band natürlich auch und die Idee, hier und da der Blues Harp Julian Dawsons eine Gastarbeiterrolle zukommen zu lassen war sehr gut.

"Lost And Found" ist hoffentlich erst der Beginn eines neuen Anfangs an Studioarbeit, denn diese gekonnte Mischung aus Groove und mehrstimmigem Gesang unter dem großen Westcoast-Mantel ist eine wunderbare musikalische Oase in der hektischen Zeit. Meine Favs hören auf die Namen "Moment In Time" und "Bee Goes To The Sea" und sind für mich Beweise, dass das Durchforsten alter Kisten im Keller sehr wertvoll sein kann. Wer danach nun alte Liebschaften auffrischt oder Omas Rezepte nachkocht, ist mir unbekannt. Bad News Reunion hat jedenfalls eine Platte produziert. Und das hat den Gang in die unteren Gemächer auf jeden Fall gelohnt. Finden kann man "Lost And Found" allerdings nicht im Keller. Das Album gibt es bei Sireena. Wie so oft, wenn es um alte oder neue Schätzchen geht ...

Line-up:
Michael Schlüter (lead vocals - #1,2,4,6,8-12, backing vocals, acoustic guitar)
Jochen Brückner (lead vocals - #3,5,7, backing vocals, acoustic guitar)
Peter Urban (keyboards)
Uli Kringler (electric and acoustic guitars, mandolin, keyboards, backing vocals)
Martin Prill (bass)
Heinz Lichius (drums)

Guest musician:
Julian Dawson (harmonica - #2,10)