The Band Of Heathens
The Band Of Heathens Spielzeit: 47:11 (CD), ca. 104 Min. (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: Blue Rose, 2008
Stil: Americana


Review vom 17.07.2008


Manni Hüther
Von den schwäbischen Musikspezialisten mit scheinbar konkurrenzlos eingebauter A&R Automatikfunktion, die neue Talente mühelos und passend zur Firmenphilosophie aus dem Hut zaubert, kommt diese CD/DVD ins Haus. Sicher, diese Band aus Texas hat ihre Musik schon vorher auf einem Silberplättchen vermarktet, als Live-CD mit dem nun wirklich bezeichnenden Namen "Live From Momo's". Nun aber sollen alle Fans des Quintetts mit perfekt aufbereitetenden Studioaufnahmen der typisch ausgeklügelten Sounds überzeugt werden. In meiner Jugend war so was immer umgekehrt - erst Studio, dann Live - was jedoch mitnichten bedeutet, dass das auch besser war.
Legen wir zuerst mal die CD in den Player und schnell wird klar, dass eine Zeitmaschine keine imaginäre Erfindung zu sein scheint, sondern eine solche Vorrichtung tatsächlich existieren muss. Denn nach wenigen Takten befinden wir uns in den Früh-Siebzigern, als die Rockwelt noch vermeintlich in Ordnung, zumindest jedenfalls in 'Full Swing' war.
Das von der US-Ausgabe abweichende Cover stellt nicht nur nach Genuss alkoholischer Getränke oder sonstiger Hilfsmittelchen eine Assoziation zu alten Promo-Fotos der Band dar; auch musikalisch bewegen sich die jungen Texaner mitten in solchen für die Ewigkeit gemeißelten Klängen. Fast selbstverständlich erklimmen auch andere Verdächtige die Hirnwindungen des entzückten Zuhörers. Und das sind keine Geringeren als Lowell George mit seinen Slide-Gitarren, seine Kult-Band Little Feat, aber auch die damals mit amerikanischen Countryanleihen brillierenden Stones - vor allem, wenn Ry Cooder mit von der Partie war.
Sicherlich könnte ich auch Verweise auf neuzeitlichere Interpreten festzurren, die sich jedoch meines Erachtens auch nur in ihrer eigenen Ausprägung auf die Genannten beziehen. Also verzichte ich mal drauf, muss aber eine Ausnahme machen: Ray Wylie Hubbard, selbst ein gestandener Spezialist mit der akustischen Bottleneck, hat das vorliegende Kleinod produziert und dabei alle Register aus Klangsinn und Erfahrung gezogen.
Analog einer visuellen Illusion erscheint vor dem Auge ein Morgen tief im Süden der Vereinigten Staaten, die dampfend heiße Luft im Mississippi Delta, stark gewürzt mit diesem Groove und dem unnachahmlichen Amalgan aus R&B, Roots Rock, Southern Soul, Blues und Country. Wenn das schon nicht genug wäre, spielt sich diese Musik auf höchstem handwerklichen Niveau direkt ins Herz derjenigen, die mit den genannten Stilen bzw. deren perfekter Hybride etwas anfangen können.
Die CD ist schon kurz nach dem Erscheinen zum unverzichtbaren Klassiker mutiert. Aber in der Blue Rose-Ausgabe gibt's ja als Bonus noch die DVD, und auch die hat es in sich!
Technisch bietet sie sowohl Stereo als auch Dolby 5.1 Surround. Eingespielt wurde das Konzert 2007 im Kult-Club Antone's in Austin. Vor einigen Songs hat man quasi als Vorspann Aufnahmen der Bandmitglieder eingefangen, wie sie sich über Live-Auftritte und auch über das Antone's unterhalten. Die Bildführung während des Konzerts ist gut; keinerlei hektische Überblendungen stören das Vergnügen. Für meinen Geschmack ist das Bild jedoch ein bisschen zu viel auf der dunklen Seite.
Absolut bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Jungs auch auf der Bühne ein feuriges Menü zusammenbrauen und mit all den kleinen instrumentellen Gewürzen zu glänzen wissen. Das ist eine Live-Band, wie sie im Buche steht! Unter den Extras findet sich ein kleines Feature namens "Road Reel", das Stimmungen 'on the road' wiedergibt und da entdecke ich doch glatt den hölzernen Wasserturm von Gruene, Texas. Da war ich schon und der steht direkt hinter der Gruene Hall - Ausschnitte eines Auftritts dort kommen dann auch noch. Small World indeed.
Des Weiteren gibt es noch eine Slideshow und drei Songs aus dem Konzert im Momo's. Insgesamt also eine runde Sache! In seinem originären Hang zum Anderssein besinnt sich das deutsche Label im schwierigen Tonträgermarkt, wie schon in der Vergangenheit, auf Argumente, die zeitlos sind: Qualität und Mehrwert, auch wenn damit ein von McKinsey geschulter Jung-BWL'ler wegen eventuell nicht realisierter Gewinne Schluckauf bekommt...
... denn nur so kann man die Sache am Laufen halten, zumindest so lange, wie meine Generation noch nicht ausgestorben ist. Denn wir wollen keinen datenreduzierten Müll und besitzen sogar noch veritable Stereoanlagen, die ja gefüttert werden wollen. Und Zahlungsmittel für das Futter unseres Biestes haben wir auch genug.
Die Ausstattung des dicken, doppelt aufklappbaren Digipacks lässt kaum Wünsche offen, als Inlay gibt's alle Texte der Studio-CD sowie Informationen rund um den Gig im Antone's. Klanglich sind beide Tonträgerformate überragend, sehr natürlich und durchsichtig eingefangen.
Auch die Gästeliste beeindruckt: Neben dem schon erwähnten Produzenten Ray Wylie Hubbard steuern auch Steven Bruton, Gurf Morlix sowie Patty Griffin kongenial ihre Kunst bei.
Fazit: Pflichtkauf! Oder, um es RockTimes-kompatibel zu formulieren, 10 von 10 RockTimes-Uhren.
Tracklist
CD:
01:Don't Call On Me
02:Jackson Station
03:Marple Tears
04:Heart On My Sleeve
05:Second Line
06:40 Days
07:This I Know
08:Unsleeping Eye
09:Cornbread
10:Nine Steps Down
11:Hallelujah
DVD:
01:Unsleeping Eye
02:One More Step
03:Philadelphia
04:Quarters And Dimes
05:Bumblebee
06:Rehab Facility
07:Blood In The Water
08:Ain't No More Cane
09:Cornbread
10:King Of Colorado
11:Jenny Was A Keeper
12:Don't Call On Me
13:Jackson Station
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