Der Rezensent ist ein fieser Möpp!
Neulich, der postmoderne Verrat am Veitstanz unter den olympischen Ringen begann mit einer poppigen Knallchargenveranstaltung im Neu-Wembley-Stadion und der Rezensent zappte just in dem Moment in die nächtliche Übertragungswiederholung, als einige junge Männer im nicht ganz stilechten Retro-Rockabilly-Style eine Bühne im besagten Tempel rockten. Dankenswerterweise wurde für die etwas älteren Zuschauer des Öffentlich Rechtlichen auch der Name der Band eingeblendet - die Arctic Monkeys. Kurz darauf rief der ignorante Rezensent seiner schlaftrunkenen Liebsten empört zu: »Was'n das für ein Geschrammel?«
Was hat das mit einer Gothaer Band namens Barmy Rote zu tun? Richtig, nix! Die Schrammeln noch nicht mal!
Aber der Rezensent bleibt ein fieser Möpp und jagt das zugeschickte Rezensions-CD-Exemplar durch das Dynamikanalyseprogramm und bekommt einen DR-Wert von knapp 6 ausgespuckt. Okay, das entspricht dem heutigen Katastrophenstandard.
Leider tönt die Produktion zudem noch dumpf wie durch einen nassen Waschlappen und auf der MySpace-Seite der Band gibt es bei den Kommentaren folgenden aktuellsten Eintrag: »SONIC-MUSIC Tonstudio - Aufnehmen, Mixen und Mastern lernen? Werde Tontechniker oder Musikproduzent! Neuer Audio-Kurs startet am 6. September - staatlich förderbar durch SAB. «
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die berühmte Messlatte liegt freilich bei Newcomern nicht so hoch wie die Trauben bei den Olympioniken, trotzdem muss sich das Produkt (hier die CD) nicht nur musikalischen Qualitätskriterien stellen, welche schlechterdings fast vollumfänglich rein subjektiven Maßstäben unterworfen sind.
Zunächst gibt es einen dicken Bock beim Booklet zu konstatieren. Track fünf hat die Laufzeit vom letzten Track verpasst bekommen, dafür glänzt das letzte Stück mit richtiger Laufzeit, aber dem Titel der Nummer fünf. Dafür ist der Druck auf der Rückseite des Inlays zwar korrekt, aber extrem schlecht zu lesen, was nicht an der Druckgröße der Buchstaben liegt. Somit wird in Summe ein amateurhafter Eindruck vermittelt.
Die Fotos und der Name der Combo geben dem Rezensenten weitere Rätsel auf. Die durchgeknallte Rote Armee, oder was? Oder doch eher eine verrückte Hornisse beim Trampen durch die ostdeutsche Provinz?
Die Protagonisten selbst schmücken sich laut Waschzettel mit der musikalischen Direktive der British Invasion. Es steht zu vermuten, dass hier das populärmusikalische Geschehen von vor rund 40 bis 45 Jahren gemeint ist. Dabei ist die Band auch ähnlich jung, wie die damaligen Innovatoren. Selbstredend wird aber auch erwähnt, dass letztlich die gesamten letzten 60 Jahre als Inspiration zu sehen sind. Führt das zu völlig gesichtsloser Beliebigkeit? Und was ist mit dem (erhöhten) Härtegrad, der einem durch Waschzettel und Band-Homepage (musikalische Einflüsse einiger Bandmitglieder) suggeriert wird? Färbt die offenbare Guinnessaffinität der vier Thüringer auch tatsächlich auf ihre Musik ab? Und schließlich, haben wir es hier mit einer großen Hoffnung der allgemeinen deutschen Musikszene zu tun?
Letzteres ist zunächst nicht zu erwarten, aus den Übungskellern dieser Republik dürfte noch so manch anderes Kleinod tönen. Aber die Musik präsentiert sich erfreulich weniger amateurhaft als der Klang und die Verpackung. Da gilt zunächst festzuhalten, dass Gitarrist und Bandgründer Toni 'Tonstein' für Musik und Texte in Personalunion vollumfänglich verantwortlich zeichnet, selbst auf bis zu dreistündigen Konzerten sollen keine Coverversionen gespielt werden. Das ist aller Ehren wert und riecht nach einer ersten Medaille. Der Griffbrettartist gibt solche Koryphäen wie Slash, Keith Richards und Pete Townshend als seine Haupteinflüsse an, entsprechend angenehm gibt er sich im Ton, es 'düdelt' selten, gerne wird trocken gerifft, sein Spiel drängt sich nicht vordergründig auf und ist doch ein Qualitätssiegel dieser Veröffentlichung, ohne in die Medaillennähe der Virtuosen zu kommen.
Durch den gesamten Silberling zieht sich eine schwer zu beschreibende Pub-Kompatibilität, ohne in den Verdacht des guten alten britischen Pubrocks zu geraten. Da schimmert schon eher eine gewisse Punk- und Indierockattitüde durch, allerdings bei einem sehr gemäßigten Härtegrad. Dafür wird erfreulich tief in melodische Töpfe gegriffen, garniert mit einem Gesang, der wohl nicht zufällig einen irischen Akzent nachzuahmen scheint, hat die Band doch als bisheriges Karrierehighlight bereits in Dublin aufspielen können.
Im Gesamtergebnis wird recht konventionelle Rockmusik gespielt, mit wenig Raffinesse beim Schlagwerker, der inzwischen allerdings ersetzt worden ist und stellenweise recht naiv anmutenden Texten. Ansonsten wird erstaunlich solides Handwerk geboten und schlussendlich gibt es sogar einen Song mit Medaillenqualitäten, amtliche zehn Minuten lang, groovendem Bass, einer Slideeinlage(!), kernigen Riffs, einer gewissen Nähe zu U2, ohne als billige Kopie dazustehen. Das Ding hat Atmosphäre, Feeling, Timing, hymnischen Charakter und sollte die zukünftige Qualitätsmesslatte sein, um vielleicht irgendwann tatsächlich Medaillen abgreifen zu können.
Line-up:
Christoph 'Möppi' (vocals)
Toni 'Tonstein ' (guitar, backing vocals)
Alexander 'Wölfchen ' (bass)
Erik (drums)
Tracklist |
01:Let This Star Shine On (2:28)
02:No Fear But Anger (4:05)
03:Mama Told Me (2:40)
04:Cos U Lied (4:14)
05:Whitestar (4:49)
06:Break Out (1:36)
07:People In The Quarrys (4:09)
08:Beer (5:03)
09:I Ain't Loose (4:40)
10:Can't See You Around (3:05)
11:Hey Susi (3:04)
12:Sunshine (9:48)
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