Als Kind der 80er, das mit Synthie Pop-Musik gestillt wurde, bin ich noch heute empfänglich für diese Stilrichtung mit all seinen Verzweigungen und jungen Ästen, obwohl mein eigentliches Beuterevier seit mehr als 20 Jahren die Rockmusik ist. Offen und neugierig stehe ich demzufolge Stilgewächsen gegenüber, die konsumentenfreundlich als Indie Pop mit Electroeinflüssen der 80er verkauft werden.
So auch im Fall der Newcomer-Band Baru aus der westsächsischen Kleinstadt Werdau. Mit ihrem Namen Baru huldigen sie dem französischen Künstler Hervé Barulea, einem Comiczeichner aus Lothringen, dessen Werke sich u. a. mit Problemen von Einwanderern und den Gefahren rechtsextremer Denkweisen auseinandersetzen.
Produziert von Tobias Siebert ( Me And My Drummer, Juli, Phillip Boa, Kettcar) präsentiert die vierköpfige Sachsenbande Baru mit ihrem Debütalbum "Sailors Of The City" eine aalglatt gestriegelte Indie Pop-Scheiblette mit deutlich erkennbaren New Wave-, Synthie- und anderen Electro-Farbtönen aus den 80ern und 90ern. Hier wurde viel Altes recycelt, neu zusammengesetzt, auf unsere Zeit getrimmt und (leider) die überstehenden Kanten abgefräst, um ja nicht anzuecken. Das obere Ziel lautet auch hier: Eingängigkeit auf Teufel komm raus.
Los geht's mit dem zuckersüßen wie melancholischen Opener "Train Leaves Town", dessen vordergründiger Bass gradlinig pulsiert und zusammen mit dem typisch treibenden HiHat-Snare-Wechselspiel im Refrain Zuversicht versprüht. "Take A Look" ist auf einem Electro-Soundteppich gebettet, der aus der Eurodance-Ära zu stammen scheint und fürs 21. Jahrhundert fit gemacht wurde. Altbekannte Indie-Rhythmen, die sich durch scheinbare Verzögerung ("Open Ears") und treibende Muster ("In Love With Delay") auszeichnen, ziehen sich durch das gesamte Album. Sänger Ferdinand Weigels Stimmfärbung klingt mal Tom Chaplin von Keane, mal dem androgynen Brian Molko von Placebo zum Verwechseln ähnlich.
Die erste Singleauskopplung "Repair" hämmert standfest, aber in Styropor eingelegt an der Pforte zum Langzeitgedächtnis. Dank seiner Klavier- und Chorparts im Mittelteil sowie seiner Synthieklangwänden haben wir hier das Highlight des Albums. Als zweiter Hit könnte sich noch das langsame Stück "My Innocent Colour" erweisen, dessen einfühlsame Klavier-, Gesangs- und Schlagzeugklänge (letzteres ist teilweise vom Evergreen "Be My Baby" der Ronettes stibitzt) in trauter Eintracht um meine beiden Ohren buhlen.
Barus Rezept: Perfekte, fein geschliffene Popsongs mit einprägsamen Melodien und ohne großartige Ausscherungen wie geschnörkelte Bridges oder gar disharmonische Klängen. Nun vermisse ich bei Platten wie dieser genau solche gelegentliche Ausbrüche aus der fast schon unerträglichen Balance aus Melancholie und Heiterkeit. Wie eine passgenaue, extrem glatte und schwerelose Kugel murmelt dieses Werk durch meinen Kopf, ohne stecken zu bleiben. Eingepackt in einem schönen Album-Artwork (im zarten Mattrosa) mit einem Booklet, das bei einer 180°-Wendung nach vornüber von beiden Seiten gelesen werden kann, formen seichte und gleichmäßig fließende Songlinien ein unkompliziertes und unaufgeregtes Musikprodukt. Auch nach mehreren Durchläufen entdecke ich hier keine tiefergehenden Verwinkelungen. Zu wenig gewagt, zu wenig gewonnen.
Line-up:
Ferdinand Weigel (vocals)
Andres Seidel (guitar)
Ronny Haberer (bass)
Jacob Feustel (drums)
Tracklist |
01:Train Leaves Town
02:Take A Look
03:Colds
04:Repair
05:Blindrunners
06:Interlude
07:In Love With Delay
08:Open Ears
09:My Innocent Colour
10:Sailors Of The City
11:Breath In Control
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