Rund 30 Minuten Spielzeit? Ist mein CD-Player hinüber? Wohl kaum, denn die Beatsteaks halten die elf Songs des neuen Albums in bewusster Punk-Tradition kurz und knackig. Doch ist das hier wirklich noch Punk? Klaro, für Punker ohnehin nicht, aber für den Durchschnittshörer und dessen Definition von Punkrock? Ja, da vielleicht schon eher, wenn auch auf konsequent massenkompatibel getrimmt und mit einigen musikalischen Ausflügen garniert.
Mit durchschnittlich unter drei Minuten pro Track darf man sich vermutlich noch freuen, dass bei der Gesamtspielzeit immerhin eine Drei vorne steht. Und ebenso wie sich das jetzt liest, hört sich das Album auch an: kurz.
Gerade wenn man richtig im Drive ist, hört der ganze Spuk auch schon wieder auf. Aber die Beatsteaks sind ja nun auch nicht gerade für ihre epischen Alben und psychedelischen Neunminuten-Songs bekannt. Dieser Platte hört man einfach an, dass sie live gespielt werden will. Und jeder, der einmal auf einem Konzert der fünf Berliner Jungs war, wird bestätigen, dass es das ist, was sie am besten draufhaben.
Von außen macht die CD schonmal so einiges her. Eine schöne Collage und Effekte, die erst bei besonderer Lichteinstrahlung sichtbar werden. Aber irgendwie kommt das Ganze auch ein wenig abgegriffen daher. Allein in den letzten paar Jahren sah man ähnliche Collagen von den Toten Hosen, den Kings Of Leon und anderen. Aber die Beatsteaks haben ja bereits bei "SmackSmash" bewiesen, dass sie es verstehen, bestehende Artworks zu ihren Gunsten zu interpretieren. Und covern darf man ja bekanntermaßen nicht nur in der Musik.
Wenn mich in den vergangenen Tagen jemand gefragt hätte, wie ich das neue Beatsteaks-Album finde, so hätte ich vermutlich geantwortet, dass ich mich wohl noch einhören müsse. Doch diese Zeit ist mittlerweile verstrichen und leider stelle ich fest, dass sich nicht allzuviel am ersten Höreindruck geändert hat. Diese CD gibt sich sehr offen, ist keine, die beim zwanzigsten Hören noch mit Neuem über den Tisch kommt. Hier wird zwar weder dem Minimalismus gehuldigt, noch klingt das Ganze klein. Doch die gewissen Verspieltheiten und Geheimnisse, die andere Platten erst mit der Zeit preisgeben, fehlen einfach. Und schnell wird klar: Hier ist eine Live-Band am Werk. Konzerte kann man nunmal nicht zigmal hören, hier hat man genau eine Chance, ein Lied zu begreifen, innerlich zu erfassen und zu lieben - oder eben nicht. Genau dieses Gefühl ist es auch, was sich durch das gesamte Album zieht: Love it or hate it. Sicherlich werden einem in diesem Gitarrendschungel bei den ersten Hördurchläufen immer mal wieder neue Kleinigkeiten auffallen, aber der Musik ist das egal. Sie möchte nur gehört werden. Und das in den rund 30 verfügbaren Minuten möglichst laut. Mit Live-Feeling halt.
So ist der Silberling auch konsequent gemischt: Eine Gitarre kommt links, eine rechts und manchmal auch eine mittig. Im Booklet ist dann nachzulesen, wer was spielt: Fast so wie beim Konzert.
Und fast so wie diese Platte und ihren ersten Track, "As I Please", stellt man sich auch Konzertintros vor: Schnell, laut, tight und voller Energie. Die Beatsteaks selber würden wohl sowas sagen wie: »Ist 'ne Bombe«.
Gitarre von rechts ... Gitarre von links ... Gesang von vorne ... Bass und Schlagzeug dazu. Oft probiert, selten so gelungen wie auf dieser CD. Generell ist dieser Track der perfekte Opener für die Scheibe. »You don't guess my name. But I've come to rearrange.« - Auch textlich also genau ins Schwarze.
In guter alter Manier geht der Song weiter, Arnim ist mit seiner Stimme nach wie vor vielen anderen Sängern haushoch überlegen, die Instrumente klingen fett wie eh und je. Doch halt, es wird noch besser: "As I Please" stellt zwar nicht die direkte Überleitung in die erste Single des Albums "Jane Became Insane" dar, kann aber doch als idealer Wegbereiter betrachtet werden. Denn hier geht nichts von der Spielfreude verloren; immernoch gilt: Rock auf hohem Niveau - halt nur ein wenig chartsangehaucht.
Doch was hört man da im Refrain? Das ist doch nicht Arnim? Richtig, den Refrain singt Thomas! Und schon hier deutet sich an: Egos haben auf diesem Album nicht viel Platz. Hier werden Ideen verwirklicht, Momente ausgekostet und wer besser passt, kriegt den Part. Eben so, wie man sich das im Ideal bei allen Bands vorstellt. Durch solche Momente erhält die Scheibe eine Spritzigkeit, die sie nicht nur vielen anderen, sondern auch allen Vorgänger-Beatsteaks-Alben voraus hat.
Und nicht nur das ist im Studio passiert. Ebenso ist eine deutliche Weiterentwicklung auf musikalischer Ebene zu hören. Kein Wunder allerdings, wenn man so viel tourt wie die Jungs es in den vergangenen Jahren getan haben. Aber es reicht ja nicht, die alten Stile einfach besser zu spielen (da wäre auch nicht mehr viel Luft nach oben gewesen), nein, jetzt wird einfach mal was Neues aus dem reichhaltigen Ideenfundus ausgepackt. Hier darf es also auch mal total unpunkig zugehen. Ob das den hartgesottenen Fans so gern ist, bleibt zwar vorerst offen, aber jedenfalls wird sich hier niemand den Vorwurf anhören müssen, sich von Album zu Album zu wiederholen.
Wenn man diesem Album etwas vorwerfen kann, dann sind es wohl die vielen deutlich hörbaren Referenzen. Klar, bei Liedern wie "Bad Brain", die die Reminiszenz schon im Namen tragen, ist das noch stylish (eine der besten Nummern der Platte übrigens), doch an anderen Stellen habe ich mich des öfteren dabei erwischt zu denken: Früher haben die Hives noch Musik gemacht wie die Beatsteaks damals und waren dabei nicht so toll. Heute machen die Beatsteaks Musik wie die Hives heutzutage und müssen sich dabei geschlagen geben. Natürlich wird sich ein Arnim Teutoburg-Weiß immer anders anhören als ein Howlin' Pelle Almqvist, aber die Gitarren... ich weiß ja nicht. Da haben mir die Beatsteaks als Beatsteaks noch besser gefallen. Ebensowenig dürften Billy Talent als Toursupport an Peter und Bernd vorbeigegangen sein. Zeitweise auftauchende Stakkato-Akkorde ("Demons Galore") hat man doch schon das ein oder andere Mal von den Kanadiern gehört. Und wenn man dieses Spiel noch weiter fortsetzen möchte, hört man auch noch die ein oder andere Queens of the Stone Age-ähnliche Passage.
Ob einem das alles zusagt, muss man letztendlich selber wissen. Mir persönlich ist es ein wenig zu viel des Guten, und zu wenig Entschädigung durch vermittelte Energie, das mögen aber viele anders sehen.
Was stehen bleibt, sind eine deutlich gesteigerte Musikalität, einfach bessere Melodien, dafür vielleicht ein bisschen wenig Punk im Rock. Live wird's abgehen, keine Frage, aber auf CD konnten mich nur wenige Lieder komplett einnehmen.
Das absolute Highlight der CD: "Sharp, Cool & Collected" (»if the world goes kaputt kaputt kaputt«). Da möchte ich mal jemanden hören, der das 'kaputt' so skandieren kann wie Arnim, geschweige denn, jemals im Leben auf die Idee kommt, so etwas zu singen. Das ist Stimmung, Mann, das ist Energie! Weitere Glücksmomente: "Bad Brain" - das geht richtig nach vorne, wieso denn nicht öfter so - und natürlich die kongeniale letzte Nummer, "E-G-O". Das Stück bietet nicht nur das wohl schönste Interlude der Bandgeschichte, hier sprinten Energie, Momentaufnahme und Musikalität Hand in Hand die letzten Meter bis zum Ziel. Und wenn sie angekommen sind, denkt man sich: Das könnte ich glatt nochmal hören.
Durch ihre starken Popanleihen wird diese Scheibe viele Freunde finden, durchaus aber auch Kritik aus Reihen älterer Fans hinnehmen müssen. Einen persönlichen Test ist sie mehr als nur wert und der Besuch mindestens eines Beatsteaks-Konzertes eigentlich schon seit Jahren Pflicht. Anspieltipps für die Leute die es schnell mögen: "As I Please", "Jane Became Insane" und "Bad Brain". Wer mal hören möchte, was die neue Beatsteaks-CD musikalisch sonst noch so zu bieten hat, hört sich "Cut Off The Top" oder das sehr soulige "She Was Great", mit Arnim in Kopfstimme, an.
Tracklist |
01:As I Please
02:Jane Became Insane
03:Sharp, Cool & Collected
04:Meantime
05:Demons Galore
06:Cut Off The Top
07:Bad Brain
08:She Was Great
09:Soljanka
10:Hail To The Freaks
11:E-G-O
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