Bee Gees / Their Greatest Hits
Their Greatest Hits
Sie bezeichneten sich selbst mal als den "Rolls-Royce unter den Boygroups", die Brüder Gibb. Und in der Tat, wer über vier Dekaden kontinuierlich Hits am Fließband abgeliefert hat, von unzähligen anderen Interpreten gecovert wurde, und ganze Generationen zum Teil geprägt hat, darf sich zurecht mit einem so edlen Gefährt auf eine Ebene setzen. Sie begannen in den Sechziger Jahren in Australien, wohin ihre Familie von England aus abgewandert waren, durch die ersten Hit-Gelder finanzierten sie ihre Rückkehr in ihr Heimatland, wo sie ein gewisser Robert Stigwood unter die Fittiche nahm, und ihnen zu Weltruhm verhalf.
Es gab natürlich viele 'Ups and Downs'. Nach den ersten internationalen Erfolgen löste sich die vollkommen zerstrittene Gruppe 1969 auf. Gut ein Jahr später waren die Risse wieder gekittet, aber Diskrepanzen mit der Plattenfirma veranlassten sie sogar, England erneut den Rücken zu kehren und in den USA ansässig zu werden. Dort lösten sie dann mit dem Soundtrack zum Film "Saturday Night Fever" eine regelrechte Disco-Manie aus. Sie schafften es in dieser Phase, was bis dato nur den Beatles gelungen war, fünf Hits gleichzeitig in den Top-Ten der Charts zu behaupten.
Anfang der Achtziger war Ende mit Disco-Fieber, in den Staaten wurden Gibb-Songs sogar boykottiert. Erst 1987 mit "You Win Again" fassten sie wieder Fuß. Ein Jahr später verstarb ihr jüngster Bruder Andy, der schon immer auf Solopfaden gewandelt war, just zu dem Zeitpunkt, als man den Entschluss gefasst hatte, es mal als Quartett zu versuchen. Es folgten dann einige Nr. 1-Hits für andere Künstler wie Barbara Streisand, Dionne Warwick, Diana Ross, Celine Dion und andere. 2001 erschien mit "This Is Where I Came In" ihr letztes Album.
Mit dem tragischen Tod von Maurice Gibb am 12. Januar 2003 endet abrupt die Bee Gees-Story, zumindest erklärten Robin und Barry nie mehr unter diesem Namen auftreten zu wollen. Zuletzt erhielten sie die Ehrendoktorwürde der Universität Manchester, die auch posthum an Maurice vergeben wurde. 2004 bestritt Robin Gibb im Rahmen seiner Solo-Projekte eine vielumjubelte Deutschland-Tour.
Soviel zur Historie. Warum aber entschließt sich ein RockTimes-Redakteur, der weder eine Single, LP noch CD dieser Truppe in seiner Sammlung hat, und eigentlich ganz anderen musikalischen Vorlieben verfallen ist, sich dem Reissue ihrer Greatest-Hits-Kompilation von 2001 Review-technisch zu widmen? Eben aus diesem Grund, und ein bisschen Nostalgie spielt natürlich hier auch die Rolle. Damals war der Musikmarkt noch so schön übersichtlich. Und selbst wenn ich die Disco-Besuche in meinem Leben bis zum heutigen Tage immer noch an zwei Händen abzählen kann, aber, wie war das noch, als die einzige Gefahr hierbei vielleicht war, durch den Pfennig-Absatz der High-Heels einer aufgetakelten Friseuse dank des eigenen ungeübten Tanzschrittes am Fuß verletzt zu werden, statt wie heute erst nach Besorgung einer kugelsicheren Weste und Bodyguard solche Unternehmungen überhaupt in Erwägung zu ziehen... Gerne erinnert man sich auch irgendwie ein wenig neidisch an den Karrierestart des damals noch rank und schlanken John Travolta, der zu den Falsett-Gesängen im weißen Anzug scheinbar schwerelos über die Tanzfläche wirbelte und die Herzen der heißesten Miezen eroberte.
Kommen wir zur CD. Nachdem ich mich bei drei ganz netten Songs wie "New York Mining Disaster 1941", "To Love Somebody" (gefällt mir allerdings von Kim Carnes und Jimmy Sommerville besser) oder "Massachusetts" bis Stück 16 regelrecht durch die mir heute schwerfällig und altbacken erscheinenden, orchestralen Arrangements gequält habe, kommt das Gitarrenintro und der Synthieeinsatz bei "Jive Talkin'" einem Kulturschock gleich. Ab hier darf man sich dem für damalige Zeiten wohl genialem Disco-Sound und ihren neueren Hits hingeben. Mir persönlich gefällt nach wie vor "Alone" mit seiner wunderbaren Melodie, sowie dem lockeren Akustikgitarrenrhythmus und "This is Where I Came In" mit dem recht countrymäßigem Gitarrenführungsriff am besten.
Fazit: Ein umfangreiches Portrait der berühmten Brüder mittels 42 Songs mit über 2 1/2 Stunden Gesamtspielzeit auf zwei CDs und ausführlichem Booklet. Ob Bee Gees-Fans diese Kompilation brauchen, kann ich nicht beurteilen, bei Leuten mit ähnlichem Anliegen wie bei mir, ist sie sicherlich eine recht optimale Zusammenfassung aus der Gesamtschaffensphase der Band. Ach ja, und meine Frau (übrigens keine Friseuse...) hat sie sich natürlich direkt unter den Nagel gerissen. Meine Meinung: Mehr Gibb auf einem Werk gibt's nicht!


Spielzeit: 78:03 (CD 1), 78:52 (Cd 2), Medium: Do-CD, Warner Music Group, 2006, Pop
CD 1:
1:New York Mining Disaster 1941 2:To Love Somebody 3:Holiday 4:Massachusetts 5:World 6:Words 7:Jumbo 8:I've Gotta Get A Message To You 9:I Started A Joke 10:First Of May 11:Saved By The Bell 12:Don't Forget To Remember 13:Lonely Days 14:How Can You Mend A Broken Heart 15:My World 16:Run To Me 17:Jive Talkin' 18:Nights On Broadway 19:Fanny (Be Tender With My Love) 20:Love So Right 21:If I Can't Have You 22:Love Me 23:You Should Be Dancing
CD 2:
1:Stayin' Alive 2:How Deep Is Your Love 3:Night Fever 4:More Than A Woman 5:Emotion 6:Too Much Heaven 7:Tragedy 8:Love Inside Out 9:Guilty 10:Heartbreaker 11:Islands In The Stream 12:You Win Again 13:One 14:Secret Love 15:For Whom The Bells Tolls 16:Alone 17:Immortality 18:This Is Where I Came In 19:Spicks & Specks
Daniel Daus, 27.06.2006