Ach, waren das noch Zeiten - so vor zehn, zwölf Jahren - als ich gelegentlich noch Zeit und Muße fand, ein paar Computerspielchen zu zocken. Die Saga "Baldur's Gate" war seinerzeit mein absoluter Favorit. Es war einfach herrlich, mal in eine fremde Welt abzutauchen und alles im realen Leben Belastende mal für ein paar Stunden zu vergessen. Diese verstaubten Erinnerungen weckt das Debütalbum der Beobachter.
"Drachenherz" ist quasi eine kleine Sage, die den Kampf zwischen der Menschheit und den Drachen zum Thema hat, also den klassischen Widerstreit zwischen Gut und Böse. Der zehnteilige Songzyklus entführt den Hörer in eine Welt, die von Göttern und Dämonen, von wilden Kriegern und begehrenswerten Frauen bestimmt wird - ein modernes Fantasymärchen. Als Inspirationsquelle diente den Beobachtern das publizistische Werk des britischen Sprachwissenschaftlers und Schriftstellers J. R. R. Tolkien, was sich in der 'Story' von "Drachenherz" widerspiegelt.
Ihren ungewöhnlichen Bandnamen beziehen Die Beobachter darauf, diesen Plot als Außenstehende, quasi als Berichterstatter zu erzählen. Sozialkritische oder gar politische Inhalte will das Quartett dabei - wie Keyboarder Bastian Knochel ausdrücklich betont - nicht transportieren. »Unser Ziel ist erreicht, wenn wir den Hörer für knapp 45 Minuten in unsere Fantasiewelt entführen können.«, führt er weiter aus. Wohlan, edle Recken, bei mir hat das einwandfrei funktioniert!!
Üblicherweise wird so eine Thematik gerne mit Mittelalterrock oder verschiedenen Spielarten des Metal (Folk/Power/True) musikalisch interpretiert bzw. untermalt. Die Beobachter setzen sich von diesem 'Mainstream' mit hartem Classic Rock ab, der sich - unter anderem durch die omnipräsente Hammond - eher bei den Frühwerken alter Recken wie Deep Purple oder Uriah Heep bedient und sich dadurch wohltuend aus der Masse abhebt.
Die Beobachter haben im pfälzischen Speyer ihre Zelte aufgeschlagen. Sänger Klaus Lehr versucht gar nicht erst, seinen Zungenschlag zu verbergen. Das kommt sympathisch-authentisch rüber, auch wenn ich persönlich dem Met aus dem Trinkhorn eindeutig einen Riesling aus dem 'Dubbeglas' vorziehe. Doch das sei ebenso wie die Tatsache, dass es sich hier um vier Vollblutmusiker handelt, nur am Rande erwähnt.
Bei der Produktion hat man versucht, sich am Live-Sound zu orientieren - rau, direkt, schnörkellos (wie Pfälzer nun mal eben sind). Der Sound ist knackig, dicht und transparent, da gibt es nix zu meckern.
Der Titelsong eröffnet dieses kleine Märchen sehr stimmungsvoll, die Synthesizer verströmen mit Mellotron-artigen Klängen einen Hauch von frühem Krautrock, was im Mittelteil noch einmal aufgenommen wird. Dazwischen geht es ab... 4/4 voll auf die Glocke. Ein reichlich geniales Gitarrenriff treibt "Die kleine Lady" unablässig an. Live dürfte dieser 'Teppich' eine tolle Spielwiese für wahnwitzige Hammondsoli sein. "Göttervater" pumpt schwer und mächtig - die gurgelnde Hammond setzt effektvolle Kontrapunkte. "Alte Freunde" und "Nordmänner" bilden für mich thematisch wie musikalisch eine Einheit. Das letztgenannte Stück verfügt über eine tolle Hookline und erinnert mich mit seinen Akkordeonklängen irgendwie an die Piraten-Metaller von Alestorm.
Die einzige Ballade von "Drachenherz", "Seelenschlacht", ist ein echter Hinhörer. Das bombastische Arrangement klingt, als wären die frühen Anyone's Daughter wieder auferstanden... Es folgen drei lupenreine Hard-Rocker, die jeweils von einer satten Rhythmussektion angetrieben werden. Man merkt der musikalischen Umsetzung zwar sofort an, dass Gitarrist Klaus Lehr der Hauptsongschreiber ist, aber gerade Keyboarder Bastian Knochel setzt sich immer wieder durch bissige, kleine Soli in Szene. Mein persönliches Highlight (neben "Nordmänner" und "Seelenschlacht") folgt mit dem 'Rausschmeißer' "Wein von Walhalla"; die passenden Klänge zum zünftigen Saufgelage für die siegreichen Helden. Der eingängige Refrain lädt, erneut von einem Akkordeon (bzw. entsprechenden Synthiesounds) begleitet, zum fröhlichen Mitgrölen ein.
Interessant dürfte die 'Beobachtung' sein, wie Die Beobachter diese kleine Saga in ein Live-Konzept verpacken werden. Wenn sich die vier Pfälzer mal ins befreundete Saarland verirren sollten, werden wir sehr gerne davon berichten!
"Drachenherz" stellt, obwohl etwas martialisch Helden und Schlachten im Mittelpunkt stehen, eine vergnügliche Reise in eine Fantasy-Welt dar. Die rockige Basis 'erdet' das Thema auf angenehme Weise. Konzept und Umsetzung gefallen mir wirklich gut!
Line-up:
Klaus Lehr (vocals, guitars)
Bastian Knochel (keyboards)
Peter König (bass)
Chris Clemens (drums)
Tracklist |
01:Drachenherz (6:24)
02:Die kleine Lady (3:32)
03:Göttervater (4:05)
04:Alte Freunde (3:58)
05:Nordmänner (4:49)
06:Seelenschlacht (5:37)
07:Drachenfolter (4:45)
08:Krieger der Mitternachtssonne (4:12)
09:Vaterzorn (3:19)
10:Wein von Walhalla (3:32)
|
|
Externe Links:
|