»Sag mal, singen die wirklich 'Altpapier, wir folgen dir'?« war die erste Frage meiner Tochter, als sie zu mir ins Auto stieg und gerade das vierte Lied des neuen Betontod-Albums lief. Dem herzhaften Lachen über diesen Verhörer folgte eine angeregte Diskussion darüber, was Alphatiere in der Biologie und der Menschheit sind, wann und warum diese über Leichen gehen.
Leichte Kost ist es nicht, was uns das Quintett aus Rheinberg da beschert. Musikalisch sehen sie sich selbst im Punk Rock verwurzelt. Diese Richtung weist doch eine gewaltige Spannbreite auf, von 'Rührmixer meets Kettensäge'-Geschrubbe über harte Mucke mit gesellschaftskritischen Texten bis hin zu eher sinnfreiem Fun-Punk. Auf "GlaubeLiebeHoffnung" treten die punkigen Wurzeln musikalisch allerdings weitgehend in den Hintergrund, das typische Stakkato, wie es bei Kärbholz-Alben oder Dritte Wahl zu finden ist, fehlt, der harte Rock mit Metaleinschlag wird zum markanten Element - versuche ich eine 'klingt wie'-Einordnung, lande ich dabei musikalisch bei den späten Onkelz-Alben. Viel Rock- und Metaleinfluss, dieser ganz typische, markante Sound. Ob das der Band und ihrem Unterstützer Wölli (Ex- Tote Hosen-Trommler) unbedingt gefällt, weiß ich nicht, aber es vereinfacht die ungefähre Zuordnung der musikalischen Richtung ganz erheblich.
Oliver Meisters Stimme passt gut zu dem Sound. Etwas brüchig, rau, druck- und kraftvoll, aber nicht ganz so nach 'Verstand rausgesoffen'-klingend wie beim 'böhsen' Kevin ergänzt sie die Gitarren und peitschenden Drums optimal. Die Texte sind über jeden Zweifel erhaben, Betontod steht hier in bester Punktradition und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Wenn sie in der "Stadt ohne Licht" das Großstadtleben beschreiben, spürt der Hörer die beklemmende und bedrückende Gefängnisatmosphäre und die Bedrohung durch Straßengangs. Jemand "Ohne Standpunkt" verliert seine Glaubwürdigkeit und weiß selbst nicht, wo er hin will - mögliche Mitläufer oder Anhänger gehen ihren Weg lieber allein.
Betontod verweigert sich den oben schon angesprochenen "Alphatieren" und fordert den Hörer immer wieder auf: "Leb Dein Leben".
Dabei propagieren sie jedoch keineswegs ein Einzelgängerdasein - schon "GlaubeLiebeHoffnung" widmet sich den zwischenmenschlichen Beziehungen und mit "Ewigkeit" gibt es eine stadiongeeignete Mitgröhlnummer voller Gemeinschaftsgefühl, die nur auf die Entdeckung durch Fans wartet.
Im "Faktor Mensch" bezieht Betontod Position: »Im Westen aufgewachsen und kenne doch das Wort Zusammenhalt« nimmt die Krupphütte als Beispiel und klagt an, dass der Mensch nichts mehr gilt, sondern nur noch Gewinnmaximierung als Ziel in diesem »grauenhaften Spiel« zählt.
Beim ewigen Warten auf das "Nimmerland" werden die Augen Richtung Horizont gerichtet, weil klar ist, dass es in den Medien nichts Neues zu sehen gibt.
Aus allen Songs schallt dem Hörer Wut entgegen, Aufstand und Revoluzzergeist - neue Wege werden gesucht, Werte hinterfragt und Standpunkte dargelegt. Fast schon sanft, mit einem Akustik-Intro, kommt die letzte Nummer dagegen rüber, die jedoch textlich zum "Widerstand" aufruft und die Mixtur verrät, die für »brennenden Asphalt mitten in Berlin« sorgt und spätestens am nächsten 1. Mai wohl leider wieder brandaktuell wird.
Insgesamt ist der Silberling eine runde Sache, musikalisch mehr harter Rock denn Punk, und somit ganz sicher auch einem etwas breiteren Publikum zugänglich.
Line-up:
Frank Vohwinkel (Gitarre)
Oliver Meister (Gesang)
Adam Dera (Bass)
Mario Schmelz (Gitarre)
Maik Feldmann (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Nichts
02:Stich ins Herz
03:Stadt ohne Licht
04:Alphatier
05:Ohne Standpunkt
06:Leb dein Leben
07:GlaubeLiebeHoffnung
08:Ewigkeit
09:Land in Sicht
10:Club der Reichen
11:Sexy Blutsommer`89
12:Faktormensch
13:Nimmerland
14:Widerstand
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