Bevis Frond / Miasma
Miasma Spielzeit: 76:48
Medium: CD
Label: Woronzow Records, 1986 (2001)
Stil: Psychedelic


Review vom 03.12.2008


Tom Machoy
Weil das ja ein Adventskalender ist, der hinter jeder Tür, jedem Tor und jeder Klappe so kleine Überraschungen bieten soll, will ich mal 'ne kleine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, ganz im Bezug zur Gruppe Bevis Frond, zu der es hier bisher nichts zu Lesen gab.
Also, Personen, Orte und Handlungen sind nicht erfunden, alles hat sich irgendwie so abgespielt, auch wenn ich mich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern kann.
Wie ich die Musik von Bevis Frond kennenlernte!
Es begab sich also bereits in diesem Jahrtausend, dem 21. Jahrhundert, in dem ich wieder Gefallen an Open Air Festivals fand und nach einem, diesmal phantastisch organisierten, Herzberg-OA mit Gruppen wie Anekdoten, Birth Control, Farfarello, Guru Guru, Hawkwind (im Orkan),
Hattler, Karthago, Ole Lukkoye, Ramses, Randy Hansen, Trigon oder Verspielte Zeit, die Option des vorherigen Veranstalters wahrnehmen wollte, die noch nicht verfallene Eintrittskarte vom ausgefallenen Cornbergfestival des Vorjahres abzugelten, ziemlich kompliziert, nicht wahr?
Bevis Frond Ja, das hieß dann: Herzberg goes Wilhelmsthal, gleich eine Woche später. Und zeitlich konnte ich es einrichten. Wer da alles auf dem Plakat angekündigt war! Zum Glück gab es wenigstens Orientierungshilfen auf dem Gelände, um festzustellen, welche Gruppen spielen sollten. Kein Wilhelmsthal wie im Vorjahr, dafür Möhra bei Eisenach, das so zu verstehen ist wie Ryan-Air Hamburg (Lübeck), bei Eisenach, hahah… Und was dann so ablief, war Chaos³; keine Ansprechpartner in Sachen Organisation, Händler auf Kriegsfuß mit nicht vorhandenen Organisatoren, an die Dixies denke ich lieber nicht mehr zurück,… - Musik gab es aber auch. Nicht immer das, was angekündigt war (kein Amon Düül II, Herr Karrer gab aber immerhin eine Solovorstellung), der Sonntag fiel wohl komplett aus (vom Hörensagen, denn da war ich schon wieder auf dem Rückweg). Und vor allem wurde nicht dann gespielt, wann angekündigt war - 'Scheiß auf den Zeitplan' war wohl die Devise der scheinbar völlig überforderten Veranstalter (aus welchem Grund auch immer). Aufgetreten sind, weil so was von bekannt: Jethro Tull, Carl Palmer, Jan Gerfast Blues Band, Kozmik Blue, Twin Dragons, She's China, Bloodwyn Pig… und je später es wurde (tageszeitlich gesehen), traten dann doch einige Bands auf, von denen KEINER wusste, wer sie waren. Festival als Kennenlernprozeß war hier ziemlich klein geschrieben; entweder ihr kennt die Leute oder geht doch einfach schlafen. Sunya Beat hatte ich vor nicht langer Zeit gesehen, die spielten auch irgendwann des Nachts (genial!).
Da stand ich nun und hörte, traf Bekannte der letzten Woche wieder und verfiel in lange, spätnächtliche Unterhaltungen bei Brot und Wein und überhaupt… Während solch einem Gespräch schauten wir uns plötzlich an, wie beim Startschuss - was ist das denn für eine saustarke Musik? Ausufernde Gitarrensoli, Sound zum Sternegucken, ein Kerl (etwas dicklich, leicht strähnige, lange Haare), der sich die Seele aus dem Leib zu singen schien, unbeschreiblich - wer ist das denn??? Das hab ich die Techniker gefragt, die völlig gelangweilt und genervt schweigend nach vorn auf die Ecke des Mischpultes zeigten und weiter rauchten: »Bevis FrondWir wissen auch nicht, wer gerade spielt!!!« - na toll! Ich war komplett gebannt von dieser Gruppe, wer ist das denn bloß? Die Band davor war schon großartig und glücklicherweise habe ich diese gefragt, wer sie denn seien: Outskirts Of Invinity. Also brauchte ich ja nur noch rauszubekommen, wer danach spielen sollte. Ein paar Bands waren schon durch, blieben nicht mehr viele übrig. Wiedererkennung ist wichtig, weshalb ich noch eben den Mann an der Gitarre ablichtete. Das Veranstalter-Poster behauptete, eine Gruppe mit Namen Beavis Fond solle noch auftreten, nun, dann müssen die das ja sein. Die Ungewissheit blieb dennoch! Wer so eine Musik macht, muss doch sicher auch schon was veröffentlicht haben. Wieder so eine Band, die mir noch unbekannt war, wieso eigentlich? Eines wusste ich aber seit dieser Nacht: Von dieser Band wollte ich noch viel mehr hören!!!
Dank der Erfinder der Mikrochips gab ich Beavis Fond im Internet ein: Kein Erfolg, ebenso wenig bei Twin Dragons (schade). Dann hab ich rumgebastelt und den Namen geändert, nur Teile eingegeben und irgendwann stand geschrieben: »meinten Sie Bevis Frond?«, na ja, 's ist ja nicht mal fast das Gleiche, versuche ich es einfach.
Es stand damals "What Did For The Dinosaurs" ganz oben unter Bevis Frond. Da hab ich reingehört - da hatte ich sie wieder, die Gruppe/den Mann, Nick Saloman, die unter so vielen Synonymen Musik machen, kaum zu glauben.
Im Ergebnis freue ich mich heute über alle auf CD erschienenen Titel - viele fehlen nicht mehr - zur Vervollständigung dieser Sammlung. Auch gab es vom Rockpalast-Crossroads ein Bevis Frond-Konzert, das leider nur ansatzweise die Klasse Nick Salomans wiedergibt.
Angeblich in den späten 60ern gegründet, spielten die unter 'zig Namen auftretenden Musiker viele CDs ein. Unter lastfm.de ist dazu folgendes zu lesen: »Nach einem Motorradunfall 1982 begann Saloman The Bevis Frond als Ein-Mann-Band und veröffentliche 1986 in einer Auflage von 250 Exemplaren das Album "Miasma" mit Material, das er alleine bei sich zu Hause aufgenommen hatte. Überrascht von dem großen Erfolg veröffentlichte er in schneller Folge weitere Scheiben mit Material, das zum Teil schon viel früher entstanden war. Allein 1988 erschienen drei Platten. Mit dem siebten Album von 1990, "Any Gas Faster", begann Saloman, in anderen Studios aufzunehmen und live aufzutreten.«
Daraus resultiert dann diese etwas räudige Sound-Qualität, die den Charme später 60er Jahre verströmt, die die Orgel beatig flirren lässt, die Gitarren im Stile Hendrix' übersteuert, Klangfetzen sich zu Gebilden formen und daraus Konstruktionen werden lässt, die sich in höheren Sphären zum Himmelszelt entfalten. Womit ich schon mitten in "Miasma" reinhöre. Alles selbst und zu Hause eingespielt. Ich besitze allerdings eine der 2001 nachaufgelegten CDs, die, wie die meisten Bevis Frond-Platten mit Extra-Tracks ausgestattet sind. Jede Scheibe hat dann immer so um die 18 Titel, die auch die 80 Minuten fast ausfüllen.
Einmal gehört, verlangt es nach mehr - Suchtfaktor vorprogrammiert. Der ist aber sehr angenehm und ohne schlechte Nachwirkungen!
Aufgebaut wie eine Geschichte, mit Introduktion, vollem Sound, leicht übersteuertem Gesang, wie eben im Keller entstanden, werden die Grenzen der Instrumente ausgelotet, ohne sich zu verlieren, die Orgel wie aus 'nem Doors-Konzert hält in "She's In Love With Time" die Zepter in der Hand. Spacig, psychedelisch, die ersten Stücke der CD, erinnern sie mich irgendwie an eine Interpretation des Beginns der "Alice im Wunderland"-Geschichte.
"Wild Mind" beschreibt genau, was abgeht (Zitat Booklet: »[...] a sort of Randy California tribute«), ist das noch ein Hendrix-Trip oder schon Zappas Flug? Laut hören ist angesagt, selbst im Advent! Mit schlappen 6:55 Minuten hat sich Nick Saloman 'eingestimmt' und setzt übergangslos im "Wild Afternoon" dort an, wo er eben endete - Hendrix oder Zappa?
Rockig, schon fast poppig (in Hochkultur allerdings) klingt es in "Splendid Isolation". Herr Saloman kostet wieder die Saitenklänge seiner Gitarre aus, eine Musik zum Merken - die erkenne ich immer wieder. Der Titel endet mit Bruchstücken eines Room 13-Radiointerviews.
Folkisches Zwischenspiel, um gleich wieder die Soundmaschine anzuwerfen, stampfend, leicht treibend mit historischem Hintergrund ("The Newgate Wind" tötete im 18. Jahrhundert im dortigen Gefängnis wegen offen stehender Fenster in der Folge mehrere Menschen.). "Release Me" hat Nick Saloman mit einem Freund, damals 15-jährig, aufgenommen - auf Kassettenrecorder, wow! "May Be" ist wieder so ein klasse Titel, den er auch im Konzert spielte, erinnert ein wenig an die 'verrückten Pferde' vom Neil Young, southernrockig, gesellschaftskritisch.
Auf dem Original bereits der vorletzte Titel - gibt es wieder eine volle Ladung Psych-Orgel mit Garagengeschmack - wer kann das nicht mögen? Und nun ist wieder Zeit, laut zu drehen. Fett bestückt mit Sound, leicht, punkiger Einschlag der gehobenen Klasse - "Confusion Days". Bemerkenswerter, witziger, abgefahrener Schluss!
Ich bin richtig froh, dass der Sound nicht hyperperfekt ist, merke ich doch, was Nick Saloman da geleistet hat, wie viel Herzblut darin steckt, wie viel nötig ist, um im Kopfe klar und frei zu werden - volle Punktzahl zur Vorbereitung auf das Fest der Liebe!
Titel 12 - 18 sind feine, meist früher und/oder später produzierte Stücke, die es zu entdecken gilt, jeder eine eigene Geschichte aus dem Leben eines Musikers, ein jeder ein Kleinod (je nach Länge), der Nick Salomans Können und Kreativität mehr als unter Beweis stellt. Hört! Hört! Hört! - das wohl in weihnachtsmannisch hohoho heißen soll.
Zitat Booklet: »[...] asked me, 'when's your next album due?' I really hadn't considered a second album, but it seemed like a great idea, so I started writing more songs for what became "Inner Marshland". But that's another story. Nick Saloman«
Tracklist
01:Garden Gate
02:She's In Love With Time
03:Wild Mind
04:Wild Afternoon
05:Splendid Isolation
06:The Earl Of Walthamstowe
07:The Newgate Wind
08:Release Yourself
09:Maybe
10:Ride The Train Of Thought
11:Confusion Days

Bonustracks:
12:Find My Way Home
13:I Eat The Air
14:Song From Room 13
15:Need All Your Loving
16:High Wind In The Trees
17:South Hampstead Rain
18:Looks Like Rain (#1)
Externe Links: