Billy Talent / Billy Talent III
Billy Talent III Spielzeit: 43:02
Medium: CD
Label: Warner Music Canada / WEA International, 2009
Stil: Chart Rock

Review vom 24.08.2009


Florian Kollin
Mit "Billy Talent III" (oder kurz: "III") machen Billy Talent genau dort weiter, wo sie mit "II" aufgehört haben. Die dreckigen Rock-Riffs mischen sich mit Chart-tauglichen Harmonien, Garagensound mit Stadion-Rock.
Seit die vier Kanadier mit ihrem gleichnamigen Erstling "Billy Talent" und einigen Konzerten in Deutschland als Vorband der Beatsteaks erstmals Deutschland unsicher gemacht haben, ist einige Zeit vergangen. Das merkt man sowohl den Studio- als auch den Live-Performances durchaus an, doch nach wie vor wird die gemeinsame Vergangenheit in der Progressive-/Punk-/Alternative-Ecke nicht verschwiegen. Was unterscheidet "III" nun also von seinen Vorgängern?
Zunächst sollte man einen Blick auf den Produzenten werfen. Leute die das auch nur gelegentlich tun, sollte der Name Brendan O'Brien durchaus geläufig sein, produzierte er doch schon Größen wie die Smashing Pumpkins, Incubus und viele andere. Und so sind sich Billy Talent zwar durchaus treu geblieben, dennoch meint man einige Einflüsse des Produzenten zu hören. Einerseits bietet diese Scheibe die wohl größte Abwechslung der drei Alben, andererseits fällt sie auch durch noch reduzierteres Songwriting und harmonischere Breaks auf. Die Einflüsse wirken vielfältiger, werden aber allesamt zu einer stimmigen Mixtur assimiliert.
Geschickt werden hier Ska-artige Gitarren mit typischen Singlenote-Riffs verquickt, ein paar exotischere Instrumente wie ein Mellotron hinzugegeben, das Ganze von einem tragenden Basssound unterlegt, fette Drums und gedoppelte Refrains darüber und fertig ist der typische "III"-Mix (als Beispiel sei hier "Diamond On A Landmine" genannt). Die Refrains scheinen hingegen noch weiter reduziert worden zu sein und bestehen abermals nur aus Powerchord-Anreihungen - perfekt fürs Mitsingen in Disco und Live-Club also. Hört man ein bisschen weiter, entdeckt man noch ein etwas Green Day ("Turn Your Back") und natürliche einige Anspielungen auf die Helden der älteren Tage (Pearl Jam, etc.).
Textlich gestaltet sich die komplette Platte relativ düster. Wenn man ein Album mit der Zeile »As I get closer, my dreams get farther« beginnt, wird man sich schon überlegt haben, was man da tut. Suchen wir also mal ein paar Aussagen der Texte zusammen:
»I stumble through the wreckage, rusted from the rain - There's nothing left to salvage, no one left to blame« ("Rusted From The Rain"),
»They found an empty bottle on her window sill - The day her mother lost her sleeping pills« ("Saint Veronika"),
»The gun is loaded when the glass is full - down the hatch and the trigger's pulled« ("Tears Into Wine")
Und das waren jetzt die ersten vier Lieder. Durch die gewohnte Instrumentierung wird die textuelle Aussage jedoch nicht sehr stark untermauert. Man muss nun also keine 'Talent-in-Moll-CD' erwarten, dies dürfte lediglich ein kleines Bonbon für Leute sein, die sich gerne mit Liedtexten beschäftigen. In diesem Kontext erinnert die CD ein wenig an "Americana" von Offspring.
Während der Basssound konstant gut klingt, setzte der sehr direkte Sound eines Ian D'Sas an der Gitarre schon seit dem ersten Album Maßstäbe. Diese klare Linie wurde auch hier vollends beibehalten, und Freunde der leicht schrägen Sounds dürfen sich über den erneuten Einsatz des Wooly Mammoths auf "Saint Veronika" freuen (erinnert ihr euch noch an das "Devil In A Midnight Mess"-Intro? Genau der Sound!).
Waren die Drums auf dem ersten Album noch ein bisschen stiefmütterlich behandelt worden, wurde auf diesen Punkt bei "II" besonders viel Wert gelegt, und ein ähnlicher Ansatz gilt auch für "III", wenngleich hier wieder etwas mehr Hinterhofatmosphäre Einzug erhält, was durchaus positiv zu bewerten ist. Den Gesang eines Ben Kowalewicz muss man mögen. In vielen anderen Bands wäre er wohl vollkommen deplatziert, hier unterstützt er die Songs auf eine ganz bestimmte Weise. Und jetzt die gute Nachricht: Ben hat scheinbar deutlich an seiner Stimme gearbeitet. Kann er nun einerseits auch mal Konzerte durchsingen ohne zwischenzeitlich seine Stimme zu verlieren, muss auch nicht jeglicher Gesangspart des Albums gedoppelt, getrippelt, und nachbearbeitet werden, wie die Male zuvor (über den Vocoder Einsatz auf "Sudden Movements" mag man sich jetzt streiten).
So ergibt sich auf Dauer ein entspannteres Hören als zuvor, die Qualitäten der Band werden stärker in den Vordergrund gestellt. Ein 'Easy-Listening-Ding' ist es natürlich dennoch nicht geworden, dafür ist das Ganze viel zu kompakt und lässt die Ohren zu schnell ermüden. Und hat da eben noch jemand was übers Mastering von "Death Magnetic" gesagt? Hört man Songs wie "Pocketful Of Dreams", muss man schon ein Freund des Kompressors sein, um diese Snare auf Dauer zu vertragen. Zum Glück muss das jemand in den Gateway Mastering Studios ähnlich gesehen haben, denn dieses Album ist zwar dicht, aber nicht dauerhaft zu laut.
Insgesamt wirkt die Scheibe wie eine aufpolierte Version des bereits abgelieferten, bringt jedoch einige neue Inspirationsquellen ins Spiel und schafft somit den Spagat, das 'gute Alte' zu erhalten und dies mit der geforderten Weiterentwicklung und dem persönlichen Voranschreiten zu vereinen. Machen Billy Talent ihrem Bandnamen jetzt alle Ehre und tun es der namensgebenden Romanfigur aus "Hard Core Logo" gleich, setzen auf Sellout, verkaufen die Musik und sich für das Geld?
Sicher kann man dieses Album als Schritt in diese Richtung sehen. Die teils noch eingängigeren Rhythmen und Refrains werden wohl auch dafür gedacht sein, endlich Märkte außerhalb Kanadas und Deutschlands zu erschließen. Dennoch stellt diese CD eher eine gesunde Weiterentwicklung dar, lässt sie doch die Stärken von Billy Talent in den Vordergrund treten. Und das sind eingängige Riffs, direktes Songwriting und eben diese gewissen Überraschungsmomente. Wer die kanadischen Senkrechtstarter bisher noch nicht mochte, wird seine Meinung auch durch "III" nicht ändern. Fans finden jedoch eine Menge guter Songs und können sich auch von den Konzerten eine Menge erwarten. Eintönig wird der Stil dennoch für viele bleiben, aber das kann man wohl über die meisten Alben dieser Musikrichtung sagen.
Allen Gitarreros sei noch die Sonderedition der CD empfohlen. Dort bekommt ihr neben dem normalen Album noch eine weitere CD mit allen Liedern ohne Gitarrentracks. Die Tabs finden sich auf zwei großen Postern. Sicher hätte man das komfortabler lösen können, aber für den geringen Mehrpreis ist das wirklich ein sehr faires - und vor allem spaßiges - Angebot, zumal man auch noch vier Bonus-Tracks bekommt. Bei selbigen handelt es sich um Demo-Aufnahmen, welche also allesamt auch richtig aufgenommen und gemischt auf dem Album zu finden sind. Dieser Aspekt dürfte also für alle (Heim-) Recordler da draußen interessant sein.
Line-up:
Ian D'Sa (guitar, vocals)
Jon Gallant (bass, vocals)
Ben Kowalewicz (voice)
Aaron Solowoniuk (drums)
Tracklist
01:Devil On My Shoulder
02:Rusted From The Rain
03:Saint Veronika
04:Tears Into Wine
05:White Sparrows
06:Pocketful Of Dreams
07:The Dead Can't Testify
08:Diamond On A Landmine
09:Turn Your Back
10:Sudden Movements
11:Definition Of Destiny
Externe Links: