Bionic Brit / schlicht und ergreifend
schlicht und ergreifend
"Schlicht und Ergreifend" nennt sich der Longplayer von Bionic Brit, einer Band aus Braunschweig, die sich nicht nur englischer, sondern 'schlicht und ergreifend' auch deutscher Texte bedient.
Gegründet 2001 produzierte die Truppe, bestehend aus Cord Bühring (Lead Vocals und Guitar), Matthias Pages (Drums und Backing Vocals) sowie Tom Hinze (Bassguitar and Backing Vocals), im Herbst 2002 eine 7 Track EP - "Bionic Brit" - in Eigenregie.
Die zweite EP "Lautspeaker", erschienen im Frühjahr 2004, enthält erstmals auch deutsche Texte.
Sogar in einem Film sind sie eingebunden. Für den im März 2005 Premiere feiernden Independent Film "Im Feuer der Sonne" steuerten Bionic Brit den Titelsong "Schlimmer" (ebenfalls auf der neuen Scheibe enthalten) bei.
Und nun möchte die Band die werte Zuhörerschaft mit ihrem Debüt "schlicht und ergreifend" beglücken und - oh Wunder, es gibt auch wieder deutsche Texte.
Nix Ungewöhnliches, werden sicher einige sagen, denn deutsch zu singen ist ja heutzutage wieder richtig schick. Über eins ist sich die Band auf jeden Fall im Klaren: die in ihrer Heimatsprache gesungenen Texte werden verstanden!
Lediglich 4 neue Songs sind übrigens auf dem Scheibchen, der 'Rest' stammt noch aus der EP "Lautspeaker".
Im Moment aber sinniere ich gerade über folgendes Pressezitat: "Bionic Brit stürzen depressive Menschen noch tiefer in ihre Depressionen, gleichzeitig werden glückliche Menschen zum ultimativen Höhepunkt getrieben". Wie sagte mein Kollege? "Eine Scheibe für Nihilisten - glücklich depressiv". Tatsächlich?
Um das herauszufinden, sollte man sich wohl sehr intensiv mit Musik und Lyrics beschäftigen.
Obwohl die Bezeichnung des Sounds als Britpop im Grunde passend ist, haben Bionic Brit (man achte auf den Bandnamen) mit den Hauptvertretern dieses Genres, nämlich den Rüpeln von Oasis, nichts gemein sondern wirken im Gegenteil, sogar eher brav.
Die Stücke machen insgesamt einen sehr gefühlvollen und melancholischen Eindruck, wozu Cord Bührings Stimme einen wesentlichen Beitrag leistet.
Aber sie schweben nicht nur auf einem düsteren Gitarrenteppich dahin wie bei "Schlimmer", sondern rocken auch schon mal ordentlich los und bringen die Füße zum Mitwippen wie bei dem tollen Opener "Go" oder auch "Miss Understood" - erinnern mich dabei ab und zu an die britischen Blur, den Hauptkonkurrenten von Oasis übrigens.
Die Arrangements sind interessant: oftmals zurückhaltend und akustisch beginnend, gewinnen die Stücke später an Fahrt. Beispiele dafür sind "Let Me Come Inside" und das feine, über 6minütige "Someone & Dancing".
Ein kleines Highlight ist die hervorragende Halb-Ballade "Das Letzte Lied Für Dich". Schon der Text berührt tief:
"Ich stand vor dem Grab, das uns erwachsen macht
das uns verändert hat, uns verletzbar macht
eine Nummer hat
die mich traurig macht
Eltern ohne Kind getrennt
es ist vollbracht
ich bin frei, bin soweit
und der Rest
und der Rest ist Vergangenheit."

Dazu gibt es leicht sphärischen Gitarrensound, sowie feine Streichereinsprengsel, die das Stück gefühlvoll untermalen. Sehr schön.
"Hirschie Comes" und "Stell Dir Vor" werden zusätzlich als Live-Versionen geboten und "Das Letzte Lied Für Dich" sogar als Live-Video.
Die Band spielt schlicht und ergreifend Alternative Rock und hebt sich von dem Deutsch-Pop-Quark doch mächtig ab.
Nach dem Hören von "schlicht und ergreifend" bin ich zwar nicht depressiver oder gar glücklicher als sonst auch, zumindest aber happy darüber, dass es noch junge, innovative Bands gibt die den Mut haben, nicht auf der tagtäglichen Radiowellen-Mucke mitzuschwimmen, sondern versuchen, ihren eigenen Weg zu finden.
Ein kleiner Lichtblick am Horizont? Es ist zu hoffen.


Spielzeit: 42:38, Medium: CD, ADN, 2005
1:Go 2:Mis Understood 3:Stell Dir Vor 4:Schlimmer 5:Let Me Come Inside 6:God Is A Bitch 7:A Perfect Day 8:The Day Before You Came 9:Someone & Dancing 10:Das Letzte Lied Für Dich 11:Hirschie Comes (live) 12:Stell Dir vor (live) 13:Das Letzte Lied Für Dich (Livevideo)
Ilka Czernohorsky, 28.10.2005