Die Legende lebt fällt mir ganz spontan als Einleitung ein, denn irgendwie war es eine Zeitreise zurück in die Siebziger. In eine Zeit, als die Männer ihre Haare wachsen ließen und die Rente noch sicher war.
Es war die Zeit, als aus deutschen Landen nicht nur gute Lebensmittel frisch auf den Tisch kamen, sondern auch erstklassige Rockmusik entstanden ist: Krautrock eben.
1968 als Coverband gegründet, entstand wohl eine der besten deutschen Rockformationen überhaupt. Von den Gründungsvätern ist allerdings keiner mehr dabei. So kann man es sehen wenn man die Vita der Band liest. Ich sehe es etwas anders, denn als Hugo Egon Balder als Drummer Ende 1968 aussteigen musste, übernahm Bernd "Nossi" Noske diesen Part und ich bin mir absolut sicher, dass Birth Control ohne Nossi nicht Birth Control geworden wäre. Mehr werde ich allerdings nicht über den Werdegang der Band schreiben, obwohl ich das vorhatte. Aber erstens sollt Ihr die Bandpage gefälligst selbst einmal besuchen und zweitens ist die so ausführlich und informativ, dass sich mir an dieser Stelle jeder Versuch da etwas herauszupicken verbietet.
Neben Nossi besteht das Line-up aus Peter Engelhardt an der Gitarre (seit Januar 1995), dem Keyboarder Sascha "Sosho" Kühn (1999) und dem Bassisten Hannes "Cyborg Haines" Vesper (mit Unterbrechungen ab 1998). Ersatz Bass Player ist Rainer Wind (seit Januar 2001), der auch im Ducsaal die dicken Saiten zupfte und schlug.
Nachem Peter Hahn, wie üblich, die kommenden Acts vorgestellt hatte (an dieser Stelle ein Tipp von uns: Mike & The Mellotones - Wahnsinnsmucke), betraten die Geburtenkontrolleure endlich die Bühne und wurden vorab schon mal abgefeiert. Eröffnet wurde das Klanggewitter mit "Rock The Road", einem Titel der neuen CD "Alsatian", deren Review Ihr demnächst hier lesen könnt.
Ebenfalls von der neuen CD wurden "Raindrops", "In The City" sowie "A Night Of It" dem Publikum mit einer Wahnsinnspower und Brachiallautstärke um die Ohren gefetzt. Soweit ich mich erinnere, konnte ich hören, dass an der Kasse nach Ohrstöpseln gefragt wurde (Warmduscher) ;-). Aber es war in der Tat schon sehr laut.
Es gab dann natürlich auch eine Zeitreise durch das Schaffen der Band. "Trial Trip" z.B., eine Nummer, die mich regelrecht zurückkatapultierte in die Mitsiebziger. Typische BC Nummer, also Drums und Gitarre, stellenweise im Duell, etwas psychedelisch. Keyboard und Bass legten das Fundament und anders als bei den meisten Bands sind die Drums nicht nur für den Rhythmus zuständig: Nossi ist weit mehr als "nur" ein Drummer.
Wie ein Vater hält er die Fäden in der Hand und steuert die "Geburtenkontrolle". Er grunzt, röhrt, stöhnt, duelliert sich mit dem hervorragenden Peter Engelhardt und als ob das noch nicht genug wäre, interagiert er mit dem Publikum, trillert auf der Pfeife, zieht die schönsten Grimassen die wir je gesehen haben, lacht die Leute an, springt wie ein Gummiball vom Hocker und bedient das Schlagzeug von vorne im Stehen auf der Bass-Drum, verlässt seine Schießbude um zu demonstrieren, dass man mit Drumsticks auch Keyboard spielen kann.
Selten habe ich ein derartiges Drum Solo erlebt, geht es doch sonst bei Vorführungen dieser Art eher darum zu demonstrieren, dass man entweder dicke Arme hat oder aber mit Technik brillieren will.
By the way: Nossi hat Oberarme die man auch als solche bezeichnen kann und was die Technik angeht: Auch da gibt es absolut nichts zu bemängeln. Es erstaunt mich außerdem immer wieder, wie man neben der Bedienung eines Schlagzeuges, wo mindestens vier Körperglieder unabhängig voneinander rotieren, auch noch singen kann - und wie, denn eine Mordsröhre hat er obendrein.
Der Mann ist eine Maschine, aber eine mit Herz und Seele. Man muss ihn erlebt haben. Und auch Peter ist ein Gitarrist, der nicht nur flinke Soli drauf hat, sondern den typischen psychedelischen Gitarrensound längst vergangener Tage problemlos auch im Jahre 2003 zelebrieren kann. Er hat das Feeling für diese Spieltechnik und man sieht es seinen Gesichtszügen an: Er hat Spaß dabei. So auch Rainer, der souverän den Bass zupfte während Sascha am Keyboard für den typischen BC-Sound und das 70er Jahre Flair sorgte.
Nach dem ersten Set war es an der Zeit, Platz für neues Bier zu schaffen, also der obligatorische Gang eines begeisterten Konzertbesuchers zur Toilette. Wie man öfters von Redaktionskollegen hört, gibt es da ganz schlimme Locations, wo man sich lieber die Augen ausdrückt, als den Gang ins Gekachelte zu wagen. Nicht so im DUCSAAL. Obwohl bei unserem üblichen Kneipenbierchen vor dem Konzert auch der berühmt berüchtigte Federweiße inklusive Zwiebelkuchen auf den Tischen zu sehen war. Jeder Ungeübte (also Nicht-Pfälzer) weiß, dass diese Kombination eine sehr durchschlagende Wirkung haben kann.
Aber die Toilette war sauber wie immer. Stark frequentiert zwar, denn die Mädels die die Getränke durch die geschätzten 180 Konzertbesucher jonglierten, waren dermaßen auf Zack, dass es nie länger als 3 Minuten brauchte um ein neues, gefülltes Glas zu bekommen. Und wo wir gerade dabei sind: Die Locations mit den schlimmen Fliesenzimmern, verlangen auch noch unverschämte 3,50 € fürs 0,3er Pils. So jedenfalls vernimmt man es ab und an von Kollegen. Da ist man doch froh, dass 1946 die Pfalz wieder pfälzisch wurde und man hier fürs 0,4er gerade mal 2 € berappen muss.
Nach dem kurzen Geschichtsausflug aber schnell wieder zur Musik und zum zweiten Set des Abends welches mit "Back From Hell" aus "Rebirth" eröffnet wurde. Danach dann eine wunderschöne, etwas ruhigere Nummer vom neuen Album: "A Night Of It".
Und im zweiten Set kam dann auch DIE Nummer, auf die alle warteten: "Gamma Ray" vom legendären "Hoodoo Man"-Album und wahrscheinlich der Krautrockkultsong schlechthin. Kurz zum Text des Songs: Leider haben die Lyrics auch heute noch Gültigkeit - vielleicht sogar mehr als damals. Auszug:
"The world is pervated with
ironie, hunger and corruption
The eastern world and the africans too
are going to repeat the history of our wars
And our industry supplies them with arms
Everybody knows, but apparently
nobody can do anything against it
For our society is on the make"
Nossi zeigte, dass man zum Schlagzeugsspielen nicht unbedingt Sticks braucht, denn bei diesem Song bearbeitete er sein Arbeitsgerät mit zwei Maracas.
Dreimal musste die Band wieder auf die Bühne um den Fans die lautstark geforderten Zugaben zu geben.
Nach "Like Nothing Ever Changed" von der neuen CD folgte (ebenfalls ein neuer Song) "Alsatian". Unzweifelhaft unser Favorit, denn der Titel kracht gewaltig - nach verhaltenem Beginn. Überhaupt sind BC rockiger und straighter, also irgendwie moderner geworden. Aber nie verkennt man die Wurzeln. Moderner Krautrock, vorwärtstreibend und tuff.
Letzte Zugabe dann "Valley Of Darkness" und irgendwie war es dann schade, dass die Show vorbei war. Sehr sympathisch verabschiedete sich die Band: Tiefe Verbeugung vor den Fans. Natürlich kamen sie alsbald an den von Eckhard Gallus vorbildlich betreuten Merchandisestand um mit den Fans zu plaudern oder CDs und LPs zu signieren.
Auch wir nahmen noch zwei frisch Gezapfte und redeten mit Fans und Band. Es war ein schöner Abend und wir können nur die Empfehlung aussprechen: Geht hin, wenn die Jungs demnächst in Wuppertal, Sendenhorst und Isernhagen spielen.
Ans Herz legen wollen wir auch ganz besonders einen Besuch des DUCSAALs, denn neben den erwähnten moderaten Preisen, der vorzüglichen Hygiene, dem besonderen Ambiente, den freundlichen und stets aufmerksamen Bedienungen: Der Atmosphäre im Allgemeinen also (dazu zählen natürlich auch die Besucher) ist es kein Wunder, dass der Club immer so gut besucht ist und somit mit erstklassigen Bands aufwarten kann.
Und das alles gibt es Irgendwo im Nirgendwo, will sagen, in einem ruhigen 1600 Einwohner zählenden Dörfchen, weitab von den negativen Auswirkungen, die Großstädte nun mal haben.
Birth Control - Freudenburg - Ducsaal, 18.10.2003
Ulli Heiser und Ilka Czernohorsky, 19.10.2003
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