Frisch und tiefenentspannt aus dem Urlaub zurück läutet die vorliegende Scheibe meine zweite Jahreshälfte ein. Und dank eines Sommers, der seinen Namen in diesem Jahr hierzulande wohl auch redlich verdient hat, sind die Boxen meiner Anlage trotz mehrwöchiger Ruhepause bereits im Vorfeld mächtig aufgeheizt. Wird die folgende Platte sie überhitzen oder zum Kochen bringen?
Vier tschechische Musiker taten sich 2009 als Black Bull zusammen und veröffentlichten in diesem Sommer ihr Debüt "Rock All Night". Dessen Eröffnungsstück "Newport Boulevard" wechselt zwischen mitreißender Hard Rock-Chorusline mit Ohrwurmgefahr und melancholisch schunkelnden Strophenparts - das lässt sich doch gut an! Weitere Melodien folgen, die aus schwermetallisch hallenden Riffs und Soli hervorlugen und sich meist geradlinig durch die Gehörwindungen fräsen.
Frontfrau Lucie Roubickova röhrt mal einer wilden norwegischen Elchkuh, mal einer liebestoll schmachtenden Emanze gleich. Standfest und selbstbewusst lässt sie in keinem der elf Stücke auch nur den Hauch eines Zweifels aufkommen, wer hier die Hosen anhat. Selbst in den schwer mit Kitsch und Klischees behafteten und somit schwächeren Momenten der Platte ("Rock All Night", "Hunted", "Red Wolf") kriegen Frau Roubickova und ihre tschechischen Landsmänner dennoch am Ende immer irgendwie noch die Kurve und beeindrucken mit ganz ordentlich schwingenden Hard Rock-Nummern.
"Seven Seas Apart" vermittelt mit seinem erfrischend hohen Tempo das Gefühl, dass die Kapelle noch heute alle Weltmeere in einem Flug überqueren will. "Wrong" ist rigoros treibend wie ein pastöser Doppelespresso. In "Ritual" eröffnen eine zunächst cleane Gitarre und ein knöcheltief wabernder Bass ein lauschiges Grundthema, das sich in Folge dessen durch ein ungestümes Schlagzeug zu einem melodiösen Ohrmonster erhebt.
Das Extra-Bonbon hat sich das Quartett für den Ausklang aufgehoben: Hier erstrahlt "Rape Me Back" als theatralische Klavierversion in einem völlig anderen Gewand als die Hard Rock-Variante weiter vorne auf der Platte - so viel Herzschmerz macht den verstörenden Titel vergessen. Beide Fassungen offenbaren das überdurchschnittliche Können dieser Combo - vor allem ihrer Frontfrau. Black Bulls Debüt lebt natürlich von der Wucht, von teils ausgeklügelten Arrangements ("Rape Me Back") und von tollen Hooklines. Angereichert mit wohlig wummernden Drums, teils sakral hallenden Gesangparts und erdigen Soli findet man hier eine recht ausgeglichene und runde Hard Rock-Platte, wenn einem als Zuhörer auch kein wirklich fetter und schroffer Felsbrocken um die Ohren gehauen wird. Zu oft und zu sehr vibrieren die Stücke im wenig überraschenden Midtempo und in altbekannten Songstrukturen durch die Kanäle. Auch fehlt dieser Platte der absolute Radiohit - "Rape Me Back" kommt dem schon noch am nähesten.
Der Gesamteindruck zählt und der ist trotz anfänglicher Bedenken und einiger übertrieben gefühlsseliger Momente dann doch überwiegend positiv. Wer Doro, Girlschool, Sister Sin, Krleš oder Exilia vergöttert, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen und folglich sein oder ihr langhaariges Haupt nach vorne übergebeugt heftig im Kreis schwingen - und meine Anlage hat jetzt eine gute Betriebstemperatur erreicht.
Line-up:
Lucie Roubickova (vocals)
Otto Kokstein (bass)
Filip Simbera (guitar)
Svatopluk Sutera (drums)
Henning Wanner (arrangements, all instruments, male vocals - #11)
Osssy Pfeiffer (guitar, vocals - #2,7)
Lars Lehmann (bass - #2,7)
Anca Graterol (vocals - #2,7)
Frank Sawade (guitar - #9,10)
Jan Nemec (bass - #9,10)
Tracklist |
01:Newport Boulevard
02:Dirty Game
03:Danger Zone
04:Rock All Night
05:Hunted
06:Rape Me Back
07:Seven Seas Apart
08:Wrong
09:Ritual
10:Red Wolf
11:Rape Me Back (Piano Version)
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