Als ich dieses Album zum ersten Mal in meinem Player rotieren lies, fiel mir fast die Kinnlade nach unten, aber im positiven Sinne.
Klar, ich hab schon einige Black Label Society-Teile in meinem Schrank stehen und dass Zakk nicht nur eine wahnsinng geile, verzerrte E-Gitarre spielen, sondern auch wunderschöne Balladen schreiben kann, ist dem Hardliner-Fan mittlerweile ja bekannt.
Unterstützt wurde Zakk Wylde beim Einspielen von "Hangover Music Vol. VI" von dem früheren Crowbar-Schlagzeuger Craig Nunenbacher. Bass spielten neben dem Meister höchstselbst auch James LoMenzo (David Lee Roth, PRIDE & GLORY), John "JD" Deservio (Black Label Society) und Mike Inez (Alice In Chains). An den Drums saß zusätzlich John Tempesta (White Zombie & Rob Zombie).
Mit seinem neuesten Werk zeigt Zakk, hauptamtlicher Gitarrist bei Ozzy Osbourne und Vorsteher der Kampftrinker-Brigade Black Label Society, all seine offensichtlichen Stärken: Eine Ansammlung provozierender, erwärmender und durchgängig faszinierender Songs.
Nein, er ist keiner dieser Hau-Drauf-und-Oberposer-Gitarristen, sondern mit Leib und Seele Rock'n Roller und ein sehr vielseitiger noch dazu.
Er hat es einfach drauf, nicht nur harte Songs zu schreiben wie das sich auf einem doomigen Teppich suhlende "Queen Of Sorrow", sondern Stücke, die in allen Variationen auch ruhige, zerbrechliche Elemente beinhalten.
Man weiß ja, dass Mr. Wylde grundsätzlich nur das macht, worauf er auch Lust hat und schon gleich gar nicht das, was man von ihm erwartet: "Weshalb sollte man immer wieder nur das gleiche verdammte Album veröffentlichen..., ich liebe das sanfte Zeugs von Guns N' Roses wie etwa auf 'Lies'. Dies sind die CDs, die wir während einer 20stündigen Busfahrt oder nach einer Nacht voller 'Brewtality' hören."
Also hat er für "Hangover Music Vol. VI" den Stecker gezogen und kommt mit relaxter Kost daher. Mit Hangovern dürfte die wandelnde Biervernichtungsmaschine Zakk Wylde ja jede Menge Erfahrung haben. Dass man sich mit schwerem Kopf wohl kaum eine fette Breitseite mit hämmernden Drums reinzieht, dürfte jedem klar sein. Somit ist dies also ganz offensichtlich ein Silberling für den Morgen nach dem großen Besäufnis.
Ehrensache, dass dabei nicht komplett auf verzerrte Gitarren sowie kleine, aber feine Gitarrensoli verzichtet wurde. Grundlage der Songs ist aber meist die Akustikgitarre oder das Klavier und doch ist es keine reine Akustikscheibe. Dabei beweist der Rauschebart, dass man sehr wohl großartige Balladen schreiben kann, ohne dass der Schmalz unter der Studiotür hervorkriechen muss. Und dass Zakk's Gesang dabei stellenweise an die seines Freundes und Mentors Ozzy erinnert, ist mittlerweile schon zu einem liebgewordenen Markenzeichen geworden.
Man nehme dafür zum Vergleich nur die Eröffnungssalve "Crazy Or High", welche mit ruppigen Gitarrenparts brilliert oder aber den musikalischen Abschiedsgruß an den verstorbenen Frontmann von Alice In Chains, "Layne".
Außerdem überrascht der Meister mit einer Coverversion des Procul Harum-Klassikers "A Whiter Shade Of Pale" am Piano und stößt dabei sogar in fast Joe Cocker-ähnliche Gesangslagen vor.
Unterm Strich ergibt die komplette Mischung ein sehr aufregendes und durch seine Coolness bestechendes Album, welches den Waldschrat Zakk Wylde einmal von einer völlig anderen, sehr emotionellen Seite zeigt.
Nichts für Leute, die ihr Früstücksei am liebsten mit dem Metal-Schwert köpfen. Noch ein weiterer Pluspunkt: Die Produktion, welche Mr. Wylde himself übernahm, ist wie gewohnt fett und der Silberling hat eine Gesamtspielzeit von einer Stunde!
Anspieltips: "Crazy High", "Queen Of Sorrow", "She Deserves A Free Ride", "House Of Doom", "A Whiter Shade Of Pale"
Spielzeit: 60:07, Medium: CD, Eagle Rock Entertainment, 2004
1:Crazy Or High (3:34) 2:Queen Of Sorrow (4:15) 3:Steppin' Stone (4:54) 4:Yesterday, Today, Tomorrow (3:43) 5:Takillya (Esyabon) (0:39) 6:Won't Find It Here (6:26) 7:She Deserves A Free Ride (Val's Song) (4:19) 8:House Of Doom (3:46) 9:Damage Is Done (5:20) 10:Layne (5:15) 11:Woman Don't You Cry (5:39) 12:No Other (4:59) 13:Wither Shade Of Pale (5:08) 14:Once More (4:10) 15:Fear (4:38)
Ilka Czernohorsky, 08.05.2004,
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