Es gibt nur sehr wenige Veranstaltungsorte in der riesigen Stadt Berlin, die ich noch nie besucht habe. Dazu gehört bis heute die Freilichtbühne in der Wuhlheide. Es liegt nicht daran, dass dort Bands spielen, die mich nicht interessieren, sondern es ist die Entfernung von meinem Wohnort, die schlechte Verkehrsanbindung und die Lage mitten im Wald, die einen ausgedehnten Fußmarsch mit sich bringt. Eine Band hat mich nun dazu gebracht, auch dieses Tabu zu brechen: Black Sabbath haben gerufen und außer mir pilgern noch weitere siebzehntausend 'Opfer' in die ausverkaufte Arena, um sich der 'okkulten' Band hinzugeben. Fast wäre auch das Wunder geschehen, sie im Original zu erleben, wenn nicht wieder einmal unsinnige Streitigkeiten dazu geführt hätten, dass Drummer Bill Ward die Segel gestrichen hat. An seiner Stelle sitzt nun Tommy Clufetos, bekannt von Bands wie Rob Zombie, Alice Cooper und natürlich aus der Solo-Band von Sabbath-Prediger Ozzy Osbourne. Bereits bei den Aufnahmen zum aktuellen Studioalbum "13" hat er der Band den nötigen Druck verliehen und ich freue mich darauf, ihn einmal Live zu erleben. Ebenso natürlich auf Black Sabbath generell, die nun in meiner To Do-Liste in der Reihe der großen Bands der siebziger Jahre die letzte verbliebene Lücke schließen werden.
Doch bevor die Helden der Siebziger mehr oder weniger energiegeladen die Open Air-Bühne bei dreißig Grad und strahlendem Sonnenschein betreten, wird die Stimmung von einer großen Band jüngeren Datums angeheizt. Soundgarden sind für Berlin als Support angeheuert, da Black Label Society mit ein paar Wochen Differenz selbst in der Stadt sind. Nach ihrer Reformierung vor vier Jahren sind Soundgarden nun wieder voll am Limit und wie ich finde, eine ausgezeichnete Wahl, um den Weg für Osbourne, Iommi und Co. zu ebnen.
Die Erde bebt, als Soundgarden beginnen. Die Basshörner bis zum Anschlag aufgedreht, pulsiert der Viersaiter von Ben Shepherd und bringt nicht nur meinen Herzschlag aus dem Takt. Damit hat wohl niemand gerechnet, da ja die Lärmgesetze in Berlin extrem sind. "Jesus Christ Pose" eröffnet das Soundgewitter, das doch recht heftig in die Menge einschlägt. Chris Cornell wird bejubelt, obwohl auch ihm die Hitze zu schaffen macht und er nicht so agil wirkt, wie es die Fans von ihm gewohnt sind. Offensichtlich haben auch nur wenige Fans der Band den Weg in die Arena gefunden, da mir auffällt, dass die Gemeinde der Black Label-Träger, im Verhältnis zu Soundgarden-Anhängern deutlich größer ist. "Spoonman", einer ihrer großen Titel steht als Nächstes an. Der Funke zündet nicht so recht. Nur verhaltener Applaus am Ende. Die Warmlaufphase dauert heute etwas länger und endet erst mit "Black Hole Sun", dem nächsten bekannten Titel. Auch dieser, wie das komplette Konzert von Soundgarden, völlig schlecht ausgesteuert und viel zu laut. Dennoch, es kommt Bewegung in die vor Hitze erschlaffte Menge. Cornell, mal mit, mal ohne Gitarre, bekommt die Fans nun mehr in den Griff. Die Songs werden ebenfalls zunehmend besser. "Superunknown" wird zelebriert. Für mich heute Abend der beste Song der Band. Herausragender Mann ist dabei Gitarrist Kim Thagil, der mit exzellenten Soli brilliert und somit nicht nur optisch die eindrucksvollste Erscheinung von Soundgarden ist. "Beyond The Wheel" beendet nach einer Stunde den Auftritt. Thagil legt noch einen nach, als er die Gitarre auf seinem Verstärker ablegt und mit einem endlos langen schrillen Ton ausklingen lässt. Trotzdem ist der Gig von Soundgarden nicht berauschend gewesen. Zu laut, zu langweilig und von schlechter Klangqualität. Zurufe nach Zugaben bleiben deshalb auch aus.
Umbaupause im Rekordtempo. Anscheinend ist Zeitdruck angesagt um nicht Gefahr zu laufen, ohne Strom weiterspielen zu müssen und endlich zeigen auch die Siebzehntausend, für wen sie erschienen sind. Der Vorhang fällt und die Götter des Metal, allen voran Ozzy Osbourne, sind endlich wieder in Berlin. Sitzplätze? Nicht mehr notwendig. Die kommenden zwei Stunden finden im Stehen statt. Alles drängt nach vorne. Die Treppen sind besetzt und selbst ganz oben drängen sich die Massen. Die außergewöhnlich vielen Ordner sind nicht mehr Herr der Lage und versuchen nur noch, kreislaufgeschwächte, überwiegend weibliche Personen aus der Menge zu ziehen.
Ozzy muss eine Verjüngungskur absolviert haben. Er sieht total fit aus, ist gut gelaunt und gibt sich die nächsten Stunden sehr sportlich. Kein Weg ist ihm zu weit und somit läuft er, nein er rennt, ständig von links nach rechts über die breite Bühne. Seine Stimme klingt frisch. Er trifft die höchsten Töne und ist absolut textsicher, obwohl vor ihm zwei Monitore stehen, die ihm die Zeilen vorlegen, sofern er Aussetzer haben sollte. Aber auf Peinlichkeiten oder Missgeschicke warten die Fans vergeblich. Es macht ihm sichtlich Spaß in 'seiner' Band zu singen, die alten Hits auszugraben und wieder zu zelebrieren. Dabei sind es gar nicht so sehr viele. Das Programm ist sehr gut mit Nummern aus ihrem Erfolgsalbum "13" bestückt, für dessen Kauf sich Ozzy mehr als einmal intensiv bedankt. Auch die Fans danken es ihm und liegen dem Meister zu Füßen. Massenjubel bis in die letzten Reihen nach jedem Stück. Euphorisch gestreckte Arme von jedem. Es ist ein beeindruckender Anblick und wer nicht dabei sein kann, der darf sich ruhig in den Allerwertesten beißen.
Einziger Wermutstropfen heute Abend ist der Anblick von Tony Iommi. Er sieht extrem schlecht aus. Herunterhängende und eingefallene Wangen, sehr abgemagert und überwiegend still in sich gekehrt. Wer weiß, wie oft er während der Show darüber nachdenkt, dass seine Tage gezählt sind und Abende wie diese bald nie mehr stattfinden können. Trotzdem versucht er sich nichts anmerken zu lassen. Souverän und solide spielt er seine berühmten Riffs, dabei wie immer und trotz enormer Hitze in seinen langen Ledermantel gekleidet, der von dem überdimensionalen silbernen Kreuz um seinen Hals geschmückt wird. Er ist, neben Ozzy, die herausragende Persönlichkeit.
Geezer Butler am Bass geht leider etwas unter. Unscheinbar bleibt er oft im Hintergrund, beackert dabei aber unentwegt sein Instrument und reißt an den Saiten, als ob er das Material im Dauertest hätte.
Besonderes Augenmerk liegt aber auf Drummer Tommy Clufetos. Auf "13" kommt er mir noch etwas zurückhaltend und unterfordert vor, aber hier und heute legt er los, als wenn es kein Morgen gibt. Unentwegt werden die vielen Felle und Becken bearbeitet. Er trommelt, was das Zeug hält und erhält als Einleitung zu "Iron Man" die Gelegenheit, sich in einem grandiosen Solo zu präsentieren. Auf einer Mini-Leinwand kann man ihn dabei genauestens beobachten und erkennen, dass der Mann nicht einen Tropfen Schweiß verliert. Sein Drumset ist das geilste, das ich während meines Rock-Marathons mit sechs Bands in drei Tagen zu sehen bekomme. Bill Ward vermisse ich keine Sekunde mehr. Clufetos hat echt etwas auf dem Kasten und ist eine große Bereicherung für Black Sabbath.
"War Pigs" eröffnet die Show. Im Hintergrund laufen Filme und Bilder auf der viel zu kleinen Leinwand ab. Im Jubel geht fast alles unter. Erst bei "Into The Void" beruhigt sich die Menge etwas und ein deutlich besserer Sound ist zu vernehmen. Jeder Ton ist perfekt hörbar. Es ist weder zu laut, noch ist irgendein Instrument übersteuert. Die Stimme von Ozzy ist klar und deutlich und jede Silbe kann mitgesungen werden. "Black Sabbath" - Ozzy macht den Kniefall und küsst den Boden. Er schnellt hoch wie eine Feder, huldigt immer wieder seine Fans. "N.I.B.", mein erster Favorit. Die Menge ist in Fahrt, der bereits totgesagte Osbourne ist in der Form seines Lebens. Kein Anzeichen von Schwäche, im Gegenteil, er läuft zur Höchstform auf. "End Of The Beginning", welches auf der CD etwas langgezogen rüberkommt, wird durch die perfekte Trommeleinlage Clufetos spannend gespielt. "Iron Man" - Ozzy singt mit verzerrter Stimme das Intro wie im Original. Große Klasse, großes Kino. "God Is Dead?" aus "13" - die Riffs und der Groove sind grandios. Eines der besten Stücke des Abends. Die Band ist immer noch in Top-Form.
Mit dem Abschluss des Hauptprogramms, "Children Of The Grave", trete ich langsam den Rückweg an, kämpfe mich dabei durch die Menge auf den Treppen und durch die Reihen derer, die oben um das Oval stehen. Ich möchte nicht im Pulk auf dem Bahnsteig stehen und vielleicht mehrere Züge abwarten müssen. Mir stehen noch neunzig Minuten Zugfahrt bevor. Der Weg von der Arena zum Bahnhof ist rund einen Kilometer. Ich höre jeden Ton von "Paranoid". Es wird nicht leiser, obwohl ich mich schnell entferne. Dabei ist es bereits kurz vor dreiundzwanzig Uhr und es gibt dort auch einige Anwohner. Es müssen alles Sabbath-Fans sein.
Der erste Abend in meiner Konzerttrilogie ist gelaufen. Ich bin fix und fertig, durstig und schlapp wegen der Hitze. In der Stadt brüten immer noch dreißig Grad, aber es ist ein toller Abend gewesen. Black Sabbath sind der absolute Hammer und Ozzy hat mehrmals angedeutet, dass es weiter gehen wird.
Line-up Soundgarden:
Chris Cornell (vocals, guitar)
Kim Thagil (guitar)
Ben Shepherd (bass)
Matt Cameron (drums)
Line-up Black Sabbath:
Ozzy Osbourne (vocals)
Tony Iommi (guitar)
Geezer Butler (bass)
Tommy Clufetos (drums)
Setlist Soundgarden:
01:Jesus Christ Pose
02:Spoonman
03:Rusty Cage
04:Outshined
05:Black Hole Sun
06:My Wave
07:The Day I Tried To Live
08:Superunknown
09:Fell On Black Days
10:Beyond The Wheel
Setlist Black Sabbath:
01:War Pigs
02:Into The Void
03:Under The Sun/Every Day Comes And Goes
04:Snowblind
05:Age Of Reason
06:Black Sabbath
07:Behind The Wall Of Sleep
08:N.I.B.
09:End Of The Beginning
10:Fairies Wear Boots
11:Rat Salad
12:Drum Solo
13:Iron Man
14:God Is Dead?
15:Dirty Woman
16:Children Of The Grave
Encore:
01:Paranoid
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