19 + x oder früher Start = spätes Ende?
Als ich die Karten für das Blackmore's Night Konzert in Krefeld Linn erhalte, fällt mir sofort der sehr frühe Konzertbeginn um 19 Uhr auf. Aus der Erfahrung früherer Konzerte ist klar, dass die Vorgruppe inkl. Umbaupause mit mindestens einer Stunde anzusetzen ist - eher etwas länger. Da sich die Burg Linn in direkter Nähe zu Wohnhäusern befindet gelten hier vermutlich strengere Bestimmungen zur Einhaltung der Nachtruhe. Sollte der Gig somit zu einem Wettlauf mit der Zeit werden?
Auf den freien Plätzen in den ersten Reihen herrscht mehrfach Verwirrung - einige Stühle sind durch Zettel 'reserviert', andere wiederum nicht - aber genau die Plätze ohne Schild sind gar für die Ehrengäste von Managerin C. Stevens freigehalten. Auf diesen nehmen zwei ältere, recht ehrwürdig anmutende Herrschaften Platz - wie sich während des Konzerts dann herausstellen sollte, war dies kein geringerer als Sir Tony Edwards, der erste Deep Purple-Manager in Begleitung seiner Gattin.
Superpünktlich erscheinen um 19 Uhr die Geyers auf der Bühne. Mit einem sehr melodischen Instrumentalstück beginnt der Abend. Mit 'All voll' präsentieren die Historocker ein Stück, welches Ritchie Blackmore bekanntermaßen zu einer eigenen Komposition inspiriert haben soll. Beim nächsten Song bemüht Albert von den Geyers die Drehleier und Georg legt ein geniales Gitarrensolo auf die Bretter. Klar, auch heute wird wieder über die Weiber mit den Flöhen 'abgelästert'. Mit viel Wortwitz bringt Thomas Roth einige CDs an den Mann, denn Weihnachten steht ja schon vor der Tür. Entweder man mag die Musik, dann verschenkt man das Teil an liebe Freunde - oder man mag die Musik der Geyers nicht, dann kann man dieses ja an Leute verschenken, denen man eins auswischen möchte .....;-)
Im nächsten Track präsentiert Drummer Jost ein wirklich tolles Drum-Solo. Mit einem langsamen Flötensong und der Frage 'was wollen wir trinken' geht der Support der Geyers zu Ende. Für mich persönlich war dies mit Abstand der beste Auftritt der Geyers auf der 2006er BN-Tour.
Die Uhr rückt unaufhaltsam voran - gleich zwanzig Uhr - die Bühne ist soweit freigegeben für Blackmore's Night - hoffentlich geht es gleich los, denn sollte um 22 Uhr Sperrstunde sein, blieben genau zwei Stunden für das Konzert inkl. Zugabe(n) auf Burg Linn. Kurz nach 20 Uhr ertönt aus den Lautsprechern "Olde Mill Inn" und unter großem Beifall des Publikums schreiten Ritchie Blackmore und Candice Night über eine lange Brücke zwischen dem Nebengebäude der Burganlage und dem Innenhof mit Bühne. Ein sehr stimmungsvolles Bild - wie aus dem Mittelalter.
Auch in Krefeld startet Blackmore's Night mit "Waiting Just For You" eher verhalten. Etwas schwungvoller folgt "Past Time With Good Company", ein Song aus dem Jahr 1999. Am Ende geht es Ritchie auf der akustischen Gitarre etwas rockiger an und leitet zu "Rainbow Blues" über - habe ich das Stück überhaupt schon einmal live gehört? Oft ist dieser Hit sicher nicht auf der Setlist zu finden. Auch wenn ich hier gerne die Klänge von Ritchies Strat gehört hätte, so muss ich doch eingestehen, dass diese Akustik Rock-Version schon eine ganz besondere Note hatte. Ein Highlight zu einem so frühen Zeitpunkt? Werden die Joker bereits früh gezogen weil das Konzert nicht so lange dauern kann?
Im Programm geht es mit "Play Minstrel Play" klassisch weiter (tolles Solo von Ritchie in Part 2!) gefolgt von "Faerie Queen - Faerie Dance". Im zweiten Track bemüht Ritchie wieder zwei Gitarren (eine auf einer Art Barhockerständer - eine am Mann). Das Solo in "Farie Dance" ist ein absoluter Genuss - einfach perfekt. Die Laune auf der Bühne scheint großartig und dazu passt die Ansage von Candice, dass Ritchie im nächsten Song auf drei Gitarren spielen wird und dabei »a bottle on his head« balancieren wird.
Ritchie wechselt die Gitarre, merkt dann aber, dass er nicht die richtige Wahl für die nächste Nummer getroffen hat. Er schaut sich um und sucht zwischen den ca. 10 Saiteninstrumenten auf der Bühne nach dem richtigen Modell. Candice erheitert mit der Frage »how many guitars this man need?« und der Anspielung auf die sinngleiche Frage in Bezug auf Schuhe/Frauen das Publikum.
Nachdem die richtige Gitarre gefunden ist geht es mit dem Klassiker "Under A Violet Moon" weiter im Programm. Und schon wieder: Ritchie ist heute in absoluter Spiellaune - das Solo ist erste Sahne. Es erübrigt sich zu sagen, dass diese Aussage auch bei dem folgenden Purple-Klassiker "Soldier Of Fortune" gilt.
Candice kündet nun "Durch den Wald zum Bachhaus" an - aber Moment, seit Hannover ist ja die Geigerin Tudor Rose nicht mehr dabei, die hier sonst einen Solopart spielt? Bob greift zu einer zweihalsigen Bass/E-Gitarre und der Geigenpart wird an diesem Abend durch ein Bass/Orgel-Solo ersetzt - einfach toll!
Bei dem folgenden "World Of Stone" habe ich freien Blick auf Drummer Malcolm. Der Mann leistet wirkliche Schwerstarbeit - Hut ab!
Mit der offiziellen Begrüßung von Sir Tony Edwards und Gattin leitet Candice perfekt zu "Mond Tanz" und dem Deep Purple-Hit "Child In Time" über. Der Einsatz der Sisters Of The Moon ist grandios - das Publikum dankte es den beiden mit anschließenden Standing Ovations.
Sir Bard David greift anschließend beim Orgel-Solo kräftig in die Tasten, aber ich bin schon in Gedanken beim nächsten Lied. Auf der Bühne fehlt Ritchies weiße Stratocaster - folgt nun der E-Gitarrenpart, auf den sicher so mancher Deep Purple- oder Rainbow-Fan hofft?
Richtig, nachdem die Keyboards schweigen eröffnet Ritchie das Intro zu "Ariel". In dem Song hat Candice ja schon zu Rainbow-Tagen den Backgroundgesang übernommen. Keine Frage, die Version mit ihr als Frontfrau hat Klasse. Und was Ritchie in dieser Nacht als Solo spielt, dürfte selbst hartgesottene Hardrock-Fans begeistert haben. Mr. Blackmore ist auch in der Folgenummer nicht zu bremsen: "I Guess It Doesn't Matter Anymore" - ein neues Strück mit Mega-Solo in altbewährter RB-Qualität. Tosender Beifall quittiert diese grandiose Leistung und ein Fan-Ruf »Ritchie, come on«, erreicht den Meister, der darauf etwas verschnupft reagiert (er äfft den Rufer nach - »Ritchie, come on« und kratzt sich dabei affenähnlich unter den Armen). Tja, da wundert es nicht, wenn das sonst immer für ein Solo geeignete "Loreley" diesmal nur mit kräftigen Fender-Riffs begleitet wird - und Ritchie danach gar die Fender ablegt - schade...
Ritchie sucht erneut eine geeignete Gitarre für das nächsten Stück. Irgendwie ist er noch unter Hochspannung. Bei "Home Again" tanzt er mit Bob und Candice über die Bühne und Bard stimmt am Ende gut gelaunt "Drink, Drink ...." an.
Die Stimmung ist gerettet, Ritchie wechselt wiederum die Gitarre und in dunkelrotem Licht folgt das Intro von "Ghost Of A Rose". Das Spektrum reicht von leise bis bombastisch - die Kulisse der angeleuchtete Burg, Wunderkerzen im Publikum, Candice und Ritchie registrieren ein Fan-Schild mit der Aufschrift 'Candice, you are the queen of a rose ' - Die Stimmung ist phantastisch - es passt bis jetzt einfach Alles! Wenn es doch nur nicht schon so spät wäre ...
Weiter geht es mit "Renaissance Faire" und die Drehleier kündet "The Clock Ticks On" an - dies soll dann auch der letzte Song der offiziellen Setlist sein.
Ein Blick auf die Uhr - na, für eine kurze Zugabe dürfte es noch reichen. Das Brummen des Verstärkers der Strat ist zu hören und BN kommen mit "Black Night" zurück auf die Bühne. Ritchie baut noch das Thema zu "Woman From Tokyo" ein - WOW!
Mit "St. Teresa" folgt einer meiner Lieblingshits, auch an diesem Abend stimmt hier einfach Alles!
Die Band verabschiedet sich danach und verschwindet von der Bühne. Das Publikum ist aus dem Häuschen und Zugaberufe erschallen. Tatsächlich erscheinen Ritchie und seine Band doch noch mal. Ich hätte niemals geglaubt, dass nun drei weitere Stücke folgen: "Village Lanterne" von der aktuellen CD, "Wind In The willows", der beschwingte Song zum mitmachen, sowie "Midwinters Night / Dandelion Wine" als bekannte Tracks zum Programmende.
Zufrieden schaue ich in die Menge - es war ein tolles Konzert - doch Moment, da kommt die Band ja schon wieder. Als Zugabe Nr. drei wird "Beyond The Sunset" präsentiert - ich kann es kaum fassen. Danach verschwindet die Band gar nicht richtig hinter dem Vorhang sondern kommt erneut nach vorne.
Es folgen zwei ganz besondere Lieder ("Spirit Of The Sea" und "First Of May") in einer sehr persönlichen Darbietung (Lieber Rainer, auch an dieser Stelle von hier aus: GUTE BESSERUNG!!!).
Früher Beginn? Sperrstunde? Kurzes Konzert? Wie schon der Dalai Lama sagt, sind die meisten Sorgen umsonst - so auch an diesem Abend. Nach über 2:40 Stunden ist das Konzert erst nach der vierten Zugabe zu Ende - manchem Fan dürfte die Darbietung am Abend förmlich die Sprache verschlagen haben, denn beim Weg zum Ausgang kann ich nur ein zufriedenes Grummeln der Menge vernehmen ...
Blackmore's Night, Krefeld, Burg Linn, 06.08.2006
Michael Höllen, 29.08.2006
|