Es kommt vor, dass eine Neuerscheinung auf den Markt kommt, bei der sich dann der Rezensent darum reißt, das Review machen zu dürfen und dies ist eine davon. Blue Cheer, ein Name der für die Jüngeren neu ist und den meisten Älteren wahrscheinlich auch nichts sagt, denn über reinen Kultstatus sind die US Monster-Riffer in unseren Breiten eigentlich nie hinausgekommen.
Warum eigentlich? Ganz einfach: Man schrieb das Jahr 1968, die Flower Power-Ära war voll am Laufen und im TV lief Samstag Nachmittag der Beat Club und es geschah das Unfassbare. Ein Trio mit Mähnen bis zum Arsch, die längsten, die ich bis heute gesehen habe und das soll etwas bedeuten, rammte eine Version von Eddie Cochrans "Summertime Blues" in die deutsche Fernsehlandschaft, dass beinahe die Mattscheibe implodierte. Was damals noch keiner wusste, das war die Geburtsstunde des echten harten Rocks, eben Hard Rock. Die Urväter des Metal, Paten des Seattle-Sounds, Garage-Götter, die erste 'lauteste Band der Welt' (das Guiness Book of Records führte extra für Blue Cheer diese Rubrik ein), sogar Jim Morrison von den Doors nannte sie »the single most powerful band I've ever seen«, es gibt noch viele Superlative und Attribute, die für diesen einen Namen stehen: Blue Cheer.
1967 detonierten sie wie eine Bombe in die Love And Peace- und Hippie Szene von San Francisco - mit einem noch nie da gewesenen Sound - eben Wänden aus Power Rock, und wurden mit dem lautesten Debüt-Album "Vincebus Eruptum", das von Acid-King Owsley finanziert wurde, zur Vorlage des Heavy Metal.
Das war natürlich kein mildes Lüftchen und im starken Kontrast zu den damals angesagten Gruppen, wie Jefferson Airplane, Grateful Dead u.a..
Gemanaged vom Hells Angel GUT, wurde der Boden vorbereitet für Nachfolgeformationen wie Grand Funk Railroad, Cactus und viele andere Bands.
Wer zum ersten Mal "What Doesn't Kill You…" hört, kann es nicht glauben, dass diese Truppe bereits seit 40 Jahren aktiv ist, so derartig frisch und agil, blasen einem die Rifforkane durch die Lauscher. "Rollin' Dem Bones" mit Slide und hörbaren Blues-Roots zeigt, dass die Jungs keine Ressourcen verschwendet haben. Dickie Petersons Organ heult wie ein Coyote, der gegen die Santa Anna-Winde sein Klagelied anstimmt. Schleppend mit satten Hooklines, werden brachiale Gitarrenkracher konstruiert. Man spürt förmlich die Hitze aus den Speakern kriechen, wenn "Piece O' The Pie" rollend und rumpelnd einen Neo Psychedelic-Orkan mit verzerrten Gitarren und dumpfen, eintönigen Bässen entfaltet. Fast im Stoner-Takt kommt mit "Born Under A Bad Sign" das einzige Cover des Albums, verstörend verzahnt im Retrodesign, das eigentlich keines ist, sondern in Töne gepackter, echter Westcoast-Spirit, wie man ihn heute nur noch auf den alten Vinyl-Alben hören kann. Die Hitze nimmt stetig zu, wenn "Gypsy Rider" auf der Harley angedonnert kommt. Man atmet förmlich das Feeling der Endsechziger Jahre, wenn die Gitarrenentladungen sich mit der einzigartigen Stimme des Endzeitshouters in einem Showdown auf der Brücke der Tradition zur Moderne treffen. Halbballade mit stetig ansteigendem Härtegrad wäre wohl die treffende Bezeichnung für "Young Lions In Paradise", das mit dumpfem Drumming, wie eine Drohung über dem Hörer schwebt.
Eine Ode an die einsame Weite Amerikas wird mit "I Don't Know About You" laut, gleichmäßig eingerahmt von kreischenden Gitarren, die wie die Industriestahlmühlen des weißen Mannes tönen, untermalt von den Kriegstrommeln der Ureinwohner. Schleppende, und vor verhaltener Energie fast berstende Gitarren-Druckladungen werden bei "I'm Gonna Get To You" mit kompakter Wucht und bösartigem Gesang in den Äther geschleudert. Verstörende Riffs erinnern in ihrer Akzentuierung manchmal an Iron Butterfly, die langsam und markerschütternd aufheulen und dann dissonant verglühen. Ein Remix von "Just A Little Bit", das 1967 das Licht der Welt erblickte, zeigt überdeutlich, wie die Missionare des späteren Heavy Metal, ihrer Zeit voraus waren. Dampfhammerakkorde mit Power Shouting aus der Härte-Schmiede.
Zum Abschluss noch eine echte Überraschungsgranate: "No Relief" überzeugt mit einer derartigen Wucht, die ein Slow Motion-Finale der besonderen Art einleitet. Gitarren in der vierten Gangart, im von Drogen zerfressenen Layout machen diesen Track zu einem Killer, der eine Zeit heraufbeschwört, als Amerika noch tief mit dem Vietnam-Debakel verbunden war. Frust und Hass werden in einzigartiger Weise, mit Wah Wah, im Stil Hendrix-artiger Gitarrenmimik veredelt.
Mit diesem Line-up haben Blue Cheer, nach diversen Reunions, wahrhaft Großartiges geschaffen. Neo Classic-Rock mit echtem Dessert-Flair und erdigem Geschmack. Was für den einen anachronistisch wirken mag, ist für den anderen die Weiterentwicklung einer Institution, die den soliden, räudigen Rock erfunden hat. Um es mit Blue Cheer zu sagen: »Come And Get It«.
Tracklist |
01:Rollin' Dem Bones
02:Piece O' The Pie
03:Born Under A Bad Sign
04:Gypy Rider
05:Young Lions In Paradise
06:I Don't Know About You
07:I'm Gonna Get To You
08:Maladjusted Child
09:Just A Little Bit (Redux)
10:No Relief
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