Man könnte das Ganze als einen lupenreinen Peter Gabriel/ U2-Hybrid abheften und gut wär's... aber man würde damit Blue October nicht gerecht werden. Gut, Justin Furstenfelds Stimme klingt schon gewaltig nach dem charismatischen Briten und bei der Gitarrenarbeit schimmert mehr als einmal The Edge durch. Aber erstens sind das beileibe nicht die schlechtesten Referenzen und zweitens spürt man bei jedem Akkord, jedem Takt, dass Blue October bestrebt sind, charaktervolle und eigenständige Rock- und Popmusik zu kreieren.
Dass die im texanischen San Marcos beheimateten Musiker ein untrügliches Gespür für atmosphärische Spannungsbögen und eingängige Melodien haben, wird ebenfalls offensichtlich. In manchen Momenten scheinen die samtigen Stücke gar in die dezent-progressive Ecke abdriften, allerdings werden sie dann von dem streng am Song orientierten musikalischen Korsett wieder 'eingefangen'.
Gelegentlich, bei "Hard Candy" und "Put It In", lassen sich noch die stilistischen Wurzeln der Band, Grunge und Alternative Rock, ausmachen; beide fallen aber doch etwas aus dem Rahmen.
Blue October kommen mit ihrem zehnten Album überwiegend positiv, optimistisch und sehr persönlich rüber. "Sway" scheint den Aufstieg des Phoenix aus der Asche, sprich dem Sumpf aus Selbstzerstörung und schwersten Depressionen, zu repräsentieren. Du bist der Regisseur deines Lebens, scheint Justin Furstenfeld sagen zu wollen. Die Kraft der Veränderung liegt in dir und die Liebe deiner Familie, deines engsten Umfeldes kann helfen, diese Energie zu kanalisieren. Sehr schön drückt dies die aktuelle Single "Bleed Out" aus. Und, selbstverständlich heißt es »the best is yet to come« - eine Binsenweisheit, die für einen depressiv Erkrankten überhaupt nicht einfach nachzuvollziehen ist. Denn zuvor (und zuerst) muss sich die Perspektive, der Blickwinkel des Betroffenen ändern.
Das Ergebnis sind dreizehn, im doppelten Wortsinn 'starke' Songs - emotional wie kompositorisch. Viele halten diese Aufnahmen sogar für die beeindruckendsten der Band bis dato!
Schienen sich die vier Texaner früher in ihrer stilistischen Vielfalt gelegentlich etwas zu verlaufen, so kommt "Sway" für meinen Geschmack wesentlich stringenter, schlüssiger daher. Im Gegenteil: Rückkoppelungen, wie die bereits genannten "Hard Candy" und "Put It In", wirken fast ein wenig wie Fremdkörper. Allerdings müssen diese im Kontext gesehen und beurteilt werden - Justin Furstenfeld wird sich dabei sicherlich etwas gedacht haben...
Wenn ganz große Emotionen und Stimmungen in atmosphärische, facettenreiche Klanglandschaften verwandelt werden, ziehen Blue October alle Register ihres Könnens. Besonders schön kommt dies im fast siebenminütigen "Debris" zum Vorschein - fraglos eines der imponierendsten Stücke, die ich in diesem Jahr (bislang) zu hören bekam. Das breite Instrumentarium, hier vor allem die schönen Streicherarrangements, das den Jungs zur Verfügung steht, verbreitert die Möglichkeiten für anspruchsvolle Arrangements ungemein. Und das wird auf breiter Front ausgenutzt... der Titelsong, "Free", "Not Broken Anymore" und "To Be" sind Paradebeispiele hierfür.
Normalerweise bin ich ja alles andere als der Fachmann für Popfragen. Das Boogie-Riff darf bei mir auch gerne mal ne ganze Nummer härter ausfallen. Da war es für mich schon überraschend, wie tief mich "Sway" - nicht beim ersten, aber nach dem dritten und vierten Hördurchgang - emotional berührt hat. Dass man alle Texte im schön gestalteten Booklet mitverfolgen kann, hat sicherlich einen Beitrag dazu geleistet. Auch musikalisch ist das ganze Album in sich stimmig - allerdings eher im Pop- als im Rocksegment verortet.
Einen Punktabzug gibt es von meiner Seite lediglich für die unpraktischen Schubfächer des Digipak, in denen Booklet und CD stecken. Fettdatscher auf der CD lassen sich so kaum vermeiden. Ich hasse das - aber das ist natürlich eine ganz persönliche Animosität!
Mitte November werden Blue October fünf Konzerte in wohlbekannten deutschen Szeneclubs spielen. Wo diese stattfinden werden, erfahrt ihr in unseren Tourterminen!
Line-up:
Justin Furstenfeld (vocals, guitars, programming)
Jeremy Furstenfeld (drums, percussion, background vocals)
Matt Noveskey (bass, electric and acoustic guitars, background vocals)
Ryan Delahoussye (violin, mandolin, piano, synthesizers, string arrangements, background vocals)
Tracklist |
01:Breathe, It's Over (1:13)
02:Sway (4:45)
03:Angels In Everything (4:24)
04:Bleed Out (3:53)
05:Debris (6:40)
06:Fear (5:18)
07:Things We Don't Know About (4:21)
08:Hard Candy (4:17)
09:Put It In (4:19)
10:Light You Up (4:20)
11:Things We Do At Night (4:54)
12:Not Broken Anymore (4:27)
13.To Be (3:15)
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