Blue Tears / The Innocent Ones
The Innocent Ones
Ich beginne meinen Bericht mit einer wahrscheinlich bitteren Prognose: Hätten Bon Jovi eine neue CD mit den identischen Songs von Blue Tears' aktuellem Album "The Innocent Ones" auf den Markt gebracht, könnten die Herren Sambora, Bon Jovi und Co. sicherlich die nächsten Millionen auf ihre anzunehmender Weise eh randvoll gestopften Konten packen.
Für die Herren Gregg Fulkerson (Vocals/guitars) und Bryan Wolski (Bass), alias Blue Tears, bleibt in der heutigen Zeit wohl nur der Trost, einen netten Farbtupfer in die breite Palette des Melodic Rock-Spektrums eingefügt zu haben. Immerhin kann ich zu ihrer Genugtuung feststellen, dass ihr am 21.04.2006 veröffentlicht werdendes Album qualitativ eindeutig besser ist als "Have A Nice Day" von o.a. amerikanischen 'Supergroup'.
Blue Tears gab es (als Quartett) schon seit Anfang der Achtziger Jahre.
1989 ergatterten sie über Nacht einen Plattendeal bei 'MCA' und ein Jahr später wurde ihr gleichnamiges Debüt auf den Markt gebracht, das in Kritikerkreisen Beachtung fand und Live-Gigs in ganz Amerika zur Folge hatte. Zahlreiche Demosongs für ein Nachfolge-Album waren bereits eingespielt, fielen aber den Veränderungen der Musikszene in den 90er Jahren zum Opfer und wurden nur archiviert. Die Band löste sich auf. Letztes Jahr wurden sie in ihrem ungeschliffenen Zustand auf zwei verschiedenen Werken ("Mad, Bad & Dangerous" und "Dancin' On The Back Streets") veröffentlicht.
Nach sechzehn Jahren ist es nun soweit: Ihr zweites echtes Werk wird vom 'AOR Heaven'-Label auf den hart umkämpften Melodic-Rock Markt geworfen. Vom Line-Up des Debüts ist einzig Gregg Fulkerson übrig geblieben. Sein neuer Partner heißt, wie bereits oben erwähnt, Bryan Wolski. Herausgekommen ist eine höchst melodische, vierzehn Stücke umfassende Scheibe, die im Prinzip dem Namen Melodic Rock im wahrsten Sinne des Wortes alle Ehre macht.
Kräftige, satte Aufnahme, die Stücke haben hohen Wiedererkennungswert und sind allesamt recht dynamisch eingespielt. Fulkersons Stimme hat große Ähnlichkeit mit der von Jon Bon Jovi, kann aber ab und zu mal ganz dreckig rein röhren.
Zwei, drei ruhigere Nummern, darunter mit "Let It Rain" der überragende Song des Albums (stark die genretypischen filigranen E-Soli) und die starken Power-Balladen "Save Yourself"/"Break My Heart". Einziger Ausfall das kitschige "All The Way Home". Klasse immer dann, wenn es richtig rockig zur Sache geht, wie bei "Fast Times" (leicht Little-Caesar-mäßig) oder dem Mitgrölsong "She Wants To Be A Star", wobei Gregg Fulkerson auch als Lead-Gitarrist immer wieder eine gute Figur abgibt.
"Gloryland" und "Money To Burn" haben sogar ein dezentes Bruce Springsteen-Flair.
"In Your Dreams" würde, wenn man es nicht genauer wüsste, auf jedem Bon Jovi-Greatest Hits-Album vermutet werden. Man meint wirklich der Meister persönlich steht am Mikro, um für die Radiostationen Süßholz zu raspeln, womit wir wieder bei meinem Statement zu Beginn angelangt wären...
"The Innocent Ones" von Blue Tears braucht sich in keiner guten Rockmusik-Sammlung zu verstecken. Das ist niveauvoller, aber natürlich auch recht mainstreamiger Melodic Rock der angenehmen Sorte, den man zu jeder Jahreszeit bedenkenlos in den Player werfen kann. Persönlich wünsche ich dem Duo, dass ich hoffentlich mit meiner Anfangs-Prognose gehörig daneben liege...


Spielzeit: 50:49, Medium: CD, AOR Heaven, 2006
1:Drive 2:Let It Rain 3:Run For Your Life 4:The Innocent Ones 5:Save Yourself 6:Fast Times 7:In Your Dreams 8:All The Way Home 9:She Wants To Be A Star 10:Gloryland 11:Break My Heart 12:Silent Scream 13:Money To Burn 14:Unrequited Love
Daniel Daus, 05.04.2006