An das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern und da die Tickets seltsamerweise am Eingang eingesammelt wurden, kann ich auch nicht nachgucken, aber dieses spezielle Ereignis im Jahre 1980 hat sich ins Hirn gebrannt: Die altehrwürdige Beethoven-Halle in Bonn sollte ein paar Herren auf die Bühne holen, deren gerade erschienenes Debüt "Official Blues Band Bootleg Album" in meinem Freundeskreis binnen kurzer Zeit zu einem Renner avanciert war. Wir waren also dabei, in der ersten Reihe und danach drei Tage fast taub, aber immer noch beseelt von einem mitreißenden Auftritt. Ein gutes Jahr später kamen die Jungs noch einmal nach Bonn und wir nahmen dieselben Plätze vor der Bühne ein. Eine grandiose Wiederholung dessen, was wir ein Jahr zuvor schon gesehen hatten. Fast-forward ins Jahr 2012: Die Blues Band tritt beim Aachener September Special auf dem Marktplatz auf und ich bin wieder in der ersten Reihe, dieses Mal allerdings am Stand eines befreundeten Weinhändlers, der neben einem hervorragenden Tropfen auch eine gute Sicht auf die Bühne bietet. Fast nicht zu glauben, wie jugendlich die Stimme von Paul Jones klingt und wirklich überzeugend, wie die gesamte Band ihr Programm an den Mann bringt. Das Volk liebt es und bei mir ruft es Erinnerungen an die beiden eingangs erwähnten Konzerte wach und an den Paukenschlag, mit dem die Band ein gutes Jahr danach ihre Auflösung bekanntgab. Einige Jahre später ging man dann aber wieder gemeinsam ans Werk und besteht bis heute als The Blues Band. Das Line-up ist nahezu unverändert, allerdings hat sich der ursprüngliche Trommler Hughie Flint schon 1982 verabschiedet und wurde durch Rob Townsend ersetzt.
Kurz vor Auflösung der Band erschien mit "Bye Bye Blues" die Basis dessen, was wir hier und heute vorzustellen haben. Das Live-Album ihrer letzten Show im Dezember 1982 im Londoner The Venue brachte zwölf Songs, unter denen auch Klassiker wie "Nadine" von Chuck Berry, "Death Letter" von Son House, "Treat Her Right" von Roy Head oder natürlich auch das berühmte "Maggie's Farm" von Meister Dylan waren. Selbstverständlich durften auch solche Kracher wie das bandeigene "Flat Foot Sam" nicht fehlen. Dieses Album hat man nun remastert und um eine ganze Reihe Songs erweitert. Den Sound hat sich laut Waschzettel Jon Astley gegriffen und fachmännisch überarbeitet. Zu seinen Referenzen zählen Auftraggeber wie The Who, Led Zeppelin, George Harrison und viele andere nicht weniger anspruchsvolle Kollegen. Neben den beiden CDs finden wir im Jewel Case ein Booklet, mit zwölf Seiten nicht gerade üppig, aber inhaltlich durchaus interessant. Die Liner Notes wurden von Michael Heatley verfasst, der als Redakteur beim bekannten "Record Collector" einen guten Ruf genießt. Ein nettes Gimmick ist der umfangreiche Stammbaum mit allen Bands, die sich um die Blues Band drehen; leider braucht man eine Lupe, um das alles zu entziffern.
Außer den auf dem Original bereits vorhandenen Tracks finden wir auf der zweiten CD sechs Songs, die man seinerzeit zwar bei anderen Shows gespielt hatte, die es aber nicht auf das Album schafften. Darunter auch das quasi obligatorische "Boom Boom (Out Go The Lights)", ohne das man sich früher keine Show der Blues Band vorstellen konnte. Obendrein gibt es noch drei weitere Songs, die als bislang unveröffentlicht gelten.
Ich möchte beim Hören der Scheibe jetzt einfach mal sagen, dass das alles wie früher klingt. Logisch, ist ja auch früher! Trotz der neuen Abmischung kann ich nicht behaupten, einen überaus modernen Sound erkennen zu können. Die Blues Band spielt sich auf der ersten CD einmal einen kompletten Querschnitt durch ihr vorheriges Schaffen aus der Seele. Bedenkt man, dass die Band nach einer kurzen aber extrem intensiven Phase unmittelbar vor der Auflösung stand (und wohl auch entsprechend ausgepowert sein musste), so scheint die Show dennoch ein Erlebnis gewesen zu sein. An einigen Stellen drängt sich mir zwar der Eindruck auf, es müsste jetzt ganz schnell gehen, um alles hinter sich zu lassen. So gerät "Flat Foot Sam" zum Beispiel in eine Art Geschwindigkeitsrausch; das habe ich anders in Erinnerung. Sehr schön sind auf der anderen Seite die Passagen mit Gastmusikern, die sich entweder am Boogie-Piano verdingen ( Ian Stewart) die Blechbläser-Fraktion besetzen ( John Earle, Dick Hanson) oder das Mikro übernehmen ( Jo-Anne Kelly). Ansonsten bekommen wir von den Instrumenten genau das, was die Blues Band ausmacht: Blues Harp und Slide-Gitarre ohne Ende und dazu die Ingredienzien für satten Rhythm & Blues/Boogie. Eine ganz coole Nummer ist auch "Big Boss Man", das zudem vom Pretty Things-Fronter Phil May gesungen wird.
Das Schöne an dieser Edition ist neben der remasterten Original-Scheibe natürlich auch die zweite CD, mit Tracks, die früher nicht dabei waren. Möglich, dass es subjektiv betrachtet noch bessere Songs der Band gibt, aber eigentlich darf zum Beispiel "Boom Boom …" auf keiner Live-Dokumentation der Engländer fehlen. 1983 war es nicht dabei und man hat gut daran getan, es jetzt mit in das Silber zu brennen und den Live-Querschnitt somit zu komplettieren. Diese ersten sechs Mitschnitte stammen allerdings nicht vom Abschiedskonzert im Londoner The Venue, sondern wurden während der Tour an anderen Stätten aufgenommen. Sehr gut sind neben den ersten sechs Tracks von CD 2 auch die drei zusätzlichen Boni, bei denen es sich um bislang unveröffentlichte Aufnahmen handeln soll. Allesamt passend zu CD 1, da vom selben Auftritt. Es werden zudem Gastmusiker 'gefeatured', denen die Blues Band in der Zeit ihres Schaffens immer wieder mal verbunden war. "Spoonful" ist so ein Beispiel, weil hier Alexis Korner zum Einsatz kommt, der immer wieder Sets mit der Band gespielt hat, wenn man mal irgendwie in der Nähe gewesen ist. Auch der Harper von Nine Below Zero, Mark Feltham darf sein Können unter Beweis stellen und kommt zu "Last Night" aufs Podest. Letztlich hören wir noch ein weiteres Mal Jo-Anne Kelly beim endgültigen Rausschmeißer "Baby What You Want Me To Do".
In Zusammenschau aller Faktoren halte ich die neue Ausgabe von "Bye Bye Blues" für eine gelungenere Veröffentlichung als die 1983er-Version. Die Boni sind gut gewählt und bieten für den Fan der Band, aber auch für jeden Blues-/Boogie-Liebhaber in der Tat einen 'geldwerten Vorteil'. Eine zusätzliche Aufwertung (als Dokumentation) erfährt die Scheibe in Form der während des Konzertes auftretenden Gäste. Kann man bedenkenlos kaufen oder nachträglich als Belohnung für den überlebten Weltuntergang verschenken.
Line-up:
Paul Jones (vocals, harmonica)
Dave Kelly (vocals, guitar)
Tom McGuinness (guitar, backings)
Gary Fletcher (bass, backings)
Rob Townsend (drums)
Guests:
Jo-Anne Kelly (lead vocals - CD 1 - #6, CD 2 - #8)
Phil May (vocals - #10)
Ian Stewart (piano)
John Earle (saxophone)
Dick Hanson (trumpet)
Mark Feltham (harp - CD 2 - #7)
Alexis Korner (guitar - CD 2 - #9)
Tracklist |
CD 1:
01:Come On In
02:Hey, Hey, Little Girl
03:Death Letter
04:Grits Ain't Groceries
05:Flat Foot Sam
06:Don't You Lie To Me
07:Can't Hold On
08:It Might As Well Be Me
09:Nadine
10:Big Boss Man
11:Maggie's Farm
12:Treat Her Right
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CD 2 [Bonus Tracks]:
01:Find Yourself Another Fool
02:Big Fine Girl
03:Someday Baby
04:Rolling Log
05:Green Stuff
06:Boom Boom (Out Go The Lights)
07:Last Night
08:Baby What You Want Me To Do
09:Spoonful
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