Booker Little / Quartet, Quintet, Sextet, Complete Recordings, Master Takes
Quartet, Quintet, Sextet, Complete Recordings, Master Takes Spielzeit: 76:08 (CD1), 76:54 (CD2)
Medium: Doppel-CD
Label: American Jazz Classics, 2014 (1958-1961)
Stil: Jazz


Review vom 16.03.2014


Wolfgang Giese
Vielen Jazzmusikern war ein kurzes Leben beschert, oft verbunden mit dem übermäßigen Genuss von Drogen und Alkohol. Aber auch andere Todesumstände führten zu einem vorzeitigen Ableben, beispielsweise bei dem damaligen Trompetenstar Clifford Brown, der im Alter von 25 Jahren im Jahre 1956 durch einen Autounfall verstarb. Und hier habe ich bereits die Brücke zu einem weiteren Trompeter geschlagen, der aufgrund seiner Spielweise und seines großen Talents noch ganz groß hätte herauskommen können, wäre er nicht am 5. Oktober 1961 an den Folgen einer Urämie verstorben: Booker Little. Da war er gerade einmal dreiundzwanzig Jahre alt und hatte bereits einen Stil entwickelt, der ihn als einen aussichtsreichen Neuerer des Trompetenspiels auszeichnete und den eben genannten Brown zum Vorbild hatte.
Booker Littles Entwicklung lässt sich bereits auf den Aufnahmen der hier auf zwei CDs versammelten Platten nachvollziehen - Aufnahmen, die zwischen 1958 und 1961 entstanden.
Der am 2. April 1938 geborene Trompeter war nicht nur ein brillanter Virtuose auf seinem Instrument, sondern verstand es auch, hervorragende Kompositionen zu schaffen, die sich klar und deutlich von denen seiner Zeitgenossen abhoben. So galt er in Fachkreisen als Neuerer, dem eine große Zukunft prophezeit wurde. Sicher war auch seine Zusammenarbeit mit Eric Dolphy ein Hinweis darauf, wohin der Zug fahren sollte. Auf der Basis von Hard Bop entwickelte Booker Little Ideen, die hinsichtlich der Gestaltung von Melodie und Harmonie viele Türen öffnete. Möglicherweise wäre er auch einer jener geworden, die in der Entwicklung des Free Jazz etwas zu sagen gehabt hätte. Aber auch die Qualität seiner oft ungewöhnlich strukturierten Kompositionen hätte in Richtung des orchestral groß arrangierten Jazz gehen können - eine Art neuer Big Band vielleicht? So war es schon erstaunlich, dass Little als junger Mann fast ausschließlich Eigenkompositionen zu all diesen hier versammelten Platten unter eigenem Namen ablieferte.
Jede der hier vorliegenden vier Platten (in den Originalausgaben) hat ihre besondere Eigenart. Ist es bei "Booker Little 4 & Max Roach" noch die Frische des mal gerade Zwanzigjährigen, mit dem akzentuiertem Schlagzeugeinsatz von Max Roach und den erlesenem Saxofonspiel von George Coleman, so ist es bei "Out Front" die stilbestimmende Mitwirkung von Eric Dolphy, dessen 'Aufbruchstimmung' den Trompeter mit Sicherheit beeinflusst haben wird. Beim gleichnamigen Album aus 1960 die Tatsache, dass Booker als einziger Bläser die alleinige Kontrolle über die Gestaltung und die Zeiträume für seine Soli hatte. So spiegelte sich in "Booker Little And Friend" - der Platte, die letztlich posthum veröffentlicht wurde - bereits die innerhalb so kurzer Zeit stattgefundene Entwicklung.
Little besticht durch seinen druckvollen, oft satten Sound sowie durch dramatisch wirkende Momente im Aufbau der Stücke und innerhalb seiner Soli. So war er einer jener, die sich bewusst Elementen voller Dissonanzen näherten und diese in ihr musikalisches Konzept einarbeiteten. So klang er zu jener Zeit - nachschauend betrachtet - konkurrenzlos, und je öfter ich mir seine Soli anhöre, desto mehr werde ich in Richtung eines später aktiven Kollegen geleitet. Ja, mich erinnert seine Art oft ganz stark an Hannibal Marvin Peterson - einen, der ebenfalls durch Virtuosität und kraftvoll-energisches Spiel glänzt.
Wer noch nicht genug hat von dieser Werkschau des Trompeters unter eigenem Namen, der sollte unbedingt weiter forschen: Nach Aufnahmen, die er unter anderen mit Max Roach oder Eric Dolphy einspielte.
Der vorliegenden musikalischen Zeitreise muss ich unbedingt auch noch das Prädikat 'Tipp' verleihen - in Verbindung mit der 'Zeitreise' wird daraus ein 'Klassiker'!
Line-up:
Booker Little (trumpet)
George Coleman (tenor saxophone - #1/1,3-5, #2//7-9,11-13)
Tommy Flanagan (piano - #1/1-6)
Art Davis (bass - #1/1-7,9,13)
Max Roach (drums - #1/1-13)
Julian Priester (trombone -#1/7-13, #2/7-9,11-13)
Eric Dolphy (alto saxophone, bass clarinet, flute -#1/7-13)
Don Friedman (piano - #1/7-13, #2/7-13)
Ron Carter (bass - #2/8,10-12)
Tommy Flanagan (piano -#/2/1,2,5,6)
Wynton Kelly (piano -#2/3,4)
Scott La Faro (bass -#2/1-6)
Roy Haynes (drums - #2/1-6)
Reggie Workman (bass -#2/7-13)
Pete La Roca (drums -#2/7-13)
Tracklist
CD 1:
01:Milestones [Miles Davis] (5:36)
02:Sweet And Lovely [Gus Arnheim, Jules LeMare, Harry Tobias] (4:16)
03:Rounder's Mood (5:23)
04:Dungeon Waltz (4:29)
05:Jewel's Tempo (6:37)
06:Moonlight Becomes You [Johnny Burke, Jimmy Van Heusen] (5:41)
07:We Speak (6:46)
08:Strength And Sanity (6:17)
09:Quiet Please (8:10)
10:Moods In Free Time (5:44)
11:Man Of Words (4:51)
12:Hazy Blues (6:41)
13:A New Day (5:31)
CD 2:
01:Opening Statement (6:41)
02:Minor Sweet (5:38)
03:Bee Tee's Minor Plea (5:38)
04:Life's A Little Blue (6:51)
05:Grand Valse (4:55)
06:Who Can I Turn To? [Leslie Bricusse, Anthony Newley] (5:24)
07:Victory And Sorrow (5:58)
08:Forward Flight (6:19)
09:Looking Ahead (7:25)
10:If I Should Lose You [Ralph Rainger, Leo Robin] (5:12)
11:Calling Softly (5:39)
12:Booker's Blues (5:16)
13:Matilde (5:52)
(all composed by Booker Little, except otherwise indicated)
Externe Links: