Die Bottle Rockets waren eine der aufregendsten Entdeckungen der neunziger Jahre. Sie mischten mit ihrem dreckigen Roots'n'Country Rock eine unglaublich verkrustete und verschnarchte Countryszene frech durcheinander. Die Bands zu nennen, die durch sie inspiriert und beeinflusst wurden, würde den Rahmen dieser Rezension mit Gewissheit sprengen. Man kann die Bottle Rockets also durchaus zu den Veteranen des neuen Country Rock-Aufbruchs - heute gerne 'Alternative Country' tituliert - zählen und das, obwohl sie eigentlich erst aufkamen (1993), als die wahren 'Revoluzzer', die legendären Uncle Tupelo, bereits kurz vor der Auflösung standen. Gemeinsam mit Slobberbone und (vor allem) den Drive-By Truckers bildeten Brian Henneman & Co. die Speerspitze der Alt. Country-Bewegung.
Rau, dreckig, unbändig-wild, lebensfroh, frech sind nur einige der Attribute, die einem spontan zu den Bottle Rockets einfallen. Und die Frage, womit eigentlich die Triebwerke dieser 'Raketen' befeuert wurden, stellte sich ohnehin nie. Die Jungs aus Festus/Missouri, direkt am Ol' Man River gelegen, verfügen dabei über die begnadete Gabe, ihre Songs auf das Wesentliche zu konzentrieren. Eine Spieldauer über dreieinhalb Minuten ist eher die Ausnahme als die Regel. Wird diese gebrochen, entwickeln sich powervolle Halbballaden wie das saustarke "The Very Last Time".
Die traditionelle Country-Basis wird mit reichlich analogen, 'rootsigen' Rockelementen und immer wieder gerne mit einer gehörigen Prise Cowpunk angereichert, wie bei "Manhattan Countryside" oder "Rural Route". Immer wieder sucht der begnadete Brian Henneman die Nähe zum knarzigen Rock eines Neil Young. Kaum ein anderer kommt dem schrulligen Kanadier näher, auch was die Messerschärfe der Texte betrifft. In diesem Zusammenhang sei vor allem das bittere "Kerosene" erwähnt, das einen schonungslosen Blick hinter die amerikanische Seifenblasen- und Traumfabrik bietet.
All diese Songs stammen von der ersten CD, die das Debütalbum von 1993 beinhaltet. "Bottle Rockets" ist 'out of print' und allein deswegen dürfte diese DeLuxe-Edition für viele interessant sein. Man kann noch heute nachvollziehen, warum diese dreizehn Songs damals in der Szene für gewaltig Furore sorgten; gerade weil sich die Bottle Rockets nicht auf revolutionäres Zopfabschneiden beschränkten, sondern seinerzeit - wie in "Early In The Morning" und "Bud Nanney Theme" eindrucksvoll demonstriert - auch Elemente der Old-timey Music einfließen ließen.
Die dreizehn Originaltitel werden durch die gleiche Anzahl von Bonustracks noch einmal gewaltig aufgewertet. Herzstück sind hierbei sechs Songs des Bottle Rockets-Vorläufers Chicken Truck, die teilweise - wie "Brand New Year" - erst Jahre nach diesem Debüt in neuen Versionen auf Rockets-Scheiben veröffentlicht wurden. Als sehr schöne zeithistorische Dokumente entpuppen sich ebenfalls akustische Demos mit Jeff Tweedy und Jay Farrar von der befreundeten Band Uncle Tupelo sowie "Hey Moon", hier als halbakustische Radioperformance dargeboten.
Mit "The Brooklyn Side", ein Jahr später erstveröffentlicht, wird der Nachfolger von "Bottle Rockets" auf der zweiten CD in den Mittelpunkt gerückt. Das Album war hinsichtlich des Songwritings und vor allem der Produktion noch einmal ein großer Schritt nach vorne. Letzteres muss ganz sicher dem New Yorker Plattenproduzenten Eric 'Roscoe' Ambel zugerechnet werden. Die vierzehn Originaltitel knallen sehr viel druckvoller aus den Boxen. Paradebeispiele? Hört mal in "Gravity Fails", "Radar Gun", "Sunday Sports" oder das göttliche "Stuck In A Rut" rein. Wie frech sich später die Drive-By Truckers bei den Bottle Rockets bedient hatten, kann man eindrucksvoll bei "1000 Dollar Car" nachvollziehen. Die Country-Persiflage "Idiot's Revenge" ist zum Brüllen komisch - "Queen Of The World" treibt dagegen aus anderen Gründen das Wasser in die Augen. Insgesamt lässt sich resümieren, dass "The Brooklyn Side" wohl eines der besten Alben ist, das jemals aus Festus/Missouri zu uns über den Atlantik geschwappt ist!!
Die Bonustracks setzen sich aus akustischen Demos und einem Outtake ("Truck Driving Man") für "The Brooklyn Side" und zwei Live-Takes zusammen. Der Schalk sitzt "This Is What It Sounds Like..." im Nacken und dieser bringt ganz frech den Schönling Lindsey Buckingham ins Spiel. Eigentlich ist die Nummer nichts anderes als ein Reprise von "I'll Be Comin' Around", aber eines mit Witz und Pep. Warum es "Building Chryslers" nicht auf das Originalalbum geschafft hat, ist - von qualitativen Parametern aus betrachtet - kaum nachvollziehbar.
Die anarchistische Kraft der Bühnenpräsenz dokumentieren "Welfare Music" und "Farmer John", beide im Veröffentlichungsjahr in der Mercury Lounge von New York City aufgezeichnet. [An dieser Stelle sei dringend an das einzige Live-Dokument der Bottle Rockets erinnert!!!]
Berücksichtigt man zu dieser geballten musikalischen Breitseite noch das dicke, fette Booklet - u. a. mit Liner-Notes von Gründungsmitglied und Original-Drummer Mark Ortman, Mike Heidorn (Uncle Tupelo) und Patterson Hood (Drive-By Truckers) - dann kommt man unmöglich umhin, dieser DeLuxe-Edition eine ganz saftige Kaufempfehlung auszusprechen. Das ist wirklich in jeder Hinsicht ein ganz dickes Ding!!!
Line-up:
Brian Henneman (lead vocals, guitars, Dobro, banjo)
Tom Parr (guitars)
Tom V. Ray (bass)
Mark Ortman (drums)
Additional Musicians:
John Keane (pedal steel, backing vocals - #1/12)
Jeff Tweety (backing vocals - #1/3,1/5,1/6)
Jay Farrar (backing vocals - #1/5)
Eric Ambel, 'Front Desk' Jeremy, Joe Flood - #2/1-14)
Tracklist |
Disc 1:
01:Early In The Morning
02:Gas Girl
03:Trailer Mama
04:Wave That Flag
05:Kerosene
06:Every Kinda Everything
07:Got What I Wanted
08:Manhattan Countryside
09:Rural Route
10:Bud Nanney Theme
11:The Very Last Time
12:Hey Moon
13:Lonely Cowboy
14:Indianapolis (1991 Acoustic Demo with Uncle Tupelo's Jeff Tweedy & Jay Farrar)
15:Manhattan Countryside (1991 Acoustic Demo with Uncle Tupelo's Jeff Tweedy & Jay Farrar)
16:Wallflower (1991 Acoustic Demo with Uncle Tupelo's Jeff Tweedy & Jay Farrar)
17:Idiot's Revenge (1991 Acoustic Demo with Uncle Tupelo's Jeff Tweedy & Jay Farrar)
18:Dead Dog Memories (Acoustic Demo)
19:Hey Moon (1993 Radio Performance on Thirsty Ear)
20:Get Down River (1993 Radio Performance on Thirsty Ear)
21:White Trash (1989 Chicken Truck Version)
22:Radar Gun (1989 Chicken Truck Version)
23:Lonely Cowboy (1989 Chicken Truck Version)
24:Coffee Monkey (1989 Chicken Truck Version)
25:Wave That Flag (1989 Chicken Truck Version)
26:Brand New Year (1989 Chicken Truck Version)
Disc 2:
01:Welfare Music
02:Gravity Fails
03:I'll Be Comin' Around
04:Radar Gun
05:Sunday Sports
06:Pot Of Gold
07:1000 Dollar Car
08:Idiot's Revenge
09:Young Lovers In Town
10:Take Me To The Bank
11:What More Can I Do
12:Stuck In A Rut
13:I Wanna Come Home
14:Queen Of The World
15:This Is What It Sounds Like When You're Listening To Lindsey Buckingham And Thinking Of Your Friend's Girlfriend At The Same Time (1994 Acoustic Demo)
16:Building Chryslers (1994 Acoustic Demo)
17:Smokin' 100s Alone (1994 Acoustic Demo)
18:Truck Driving Man (Previously Unreleased Track)
19:Welfare Music (1994 Live at Mercury Lounge)
20:Farmer John (1994 Live at Mercury Lounge)
|
|
Externe Links:
|