The Bottle Rockets / Zoysia
Zoysia
Wo The Bottle Rockets drauf steht, ist schwitziger Rock drin. Das war früher so, ist aber mit "Zoysia" durchaus anders. Die rauchenden Colts, sorry, übersteuerten Gitarren, die kantigen Männerstimmen, die kein Blatt vors Mikro nehmen und der Rock'n'Roll-Fundamentalismus an Bass und Schlagzeug machen nur noch einen Teil des neuen Albums aus.
Die Bottle Rockets sind bei uns spätestens seit ihrem fulminanten Doppeldecker Live in Heilbronn von 2005 ein Begriff unter den Fans der hart rockenden Gitarrencombos aus Amiland. "Better Than Broken" schließt nahtlos an die röhrenden Live-Nummern im Crazy Horse-Sound an. Mit "Middle Man" kracht es noch einmal in bester Southern Rock-Tradition; der Song ist alles andere als ein 'Durchschnittstyp', sondern ein Titel, den die Fans umgehend bei den Konzerten mitgröhlen werden. Memphis Soul dann mit "I Quit" und zwei kräftigen Chor-Ladies über die Situation eines trockenen Alkoholikers:
»When I drank, I drank
And when I quit, I quit
And itīs not my problem
If you canīt handle it«
Zwischen dem letzten Studioalbum "Blue Sky" (2003) und "Zoysia" hatte die Band offensichtlich auch noch mit anderen Problemen zu kämpfen, die sich in den Songs niederschlugen. In "Happy Anniversary" geht's um die verflossene Liebe und dass die noch weh tut, ist nicht zu überhören. Die Gitarren und das Schlagzeug prügeln den Schmerz durch die Boxen in die Eingeweide des Hörers.
»Was wäre wenn wir alle blind wären, hätten wir dann weniger Probleme, weil die sichtbaren Unterschiede weg wären?« da wird's philosophisch und das auch noch als akustische Countrynummer, seltsame Geschichte. Das Riff von "Mountain To Climb" hört sich an, als wenn die Stones "My Sweet Lord" bei den "Exile On Main Street"-Sessions mit aufgenommen hätten. Geht jedenfalls gut ab. "Align Yourself" ist eine Parole:»Egal, wonach du dich richtest, es muss zu dir passen, allein darauf kommt es an, dann ist es o.k.« - mit geklopftem Marschrhythmus, einer Batterie von Klampfen und Megaphonstimme bläuen die Rockets das dem Hörer drei Minuten lang ins Hirn.
Selbstzweifel dann mit "Suffering Servant", die jedoch als knackiger Midtempo-Rocker mit mal wieder röhrenden Brettern kompensiert werden. Komisch, auch "Feeling down" kommt als vermeintlich gemütliches Countryliedchen daher. Da passt dann auch noch "Where I'm From" dazu, die existenzielle Frage nach dem Woher und Wohin; verhaltene Akustik-Gitarren im Zeitlupentempo, unterlegt mit leichter Perkussion und einem klagenden E-Gitarren-Solo. Mit dem Titeltrack nimmt die Band zum Finale noch mal Fahrt auf, eine seltsame Beschreibung für die Situation im Land. Der Sound ist wieder stark Crazy Horse-mäßig mit überdrehtem Neil Young-Gedudel an der Lead. Das hat schon Klasse.
Auch nach mehreren Hörduchgängen hinterlässt die Scheibe einen zwiespältigen Eindruck, vor allem wenn noch "Live in Heilbronn" und "Brand New Day" in den Gehörgängen ticken. Ob die Band mit ihrer Seelenschau bei den Fans weiter so ankommt, wird sich zeigen. Das Album lohnt jedoch, sich damit auseinander zu setzten. Leicht zugänglich ist es nicht unbedingt.
Neben den beiden alten Rockets-Buddies Brian Henneman (Gitarren, Gesang) und Mark Ortmann (Schlagzeug, Perkussion, Piano) sind seit der letzten Studio-Produktion John Horton (Gitarren, Mandoline, Lap Steel) und Keith Voegele (Bass, Gesang) dazu gekommen.


Spielzeit: 42:57, Medium: CD, Bloodshot Records/Blue Rose Records, 2006, Rock
1:Better Than Broken 2:Middle Man 3:I Quit 4:Happy Anniversary 5:Blind 6:Mountain To Climb 7:Align Yourself 8:Suffering Servant 9:Feeling Down 10:Where I'm From 11:Zoysia
Norbert Neugebauer, 11.08.2006