Brighteye Brison / Believers & Deceivers
Believers & Deceivers Spielzeit: 68:04
Medium: CD
Label: Progress Records, 2006
Stil: Progressive

Review vom 20.06.2008


Tom Machoy
Prog Rock aus Schweden? Das kann eigentlich nur gut sein. Zumindest habe ich noch keinen Mist aus dieser Ecke der Prog-Welt gehört. Dafür spricht auch schon die Ansage der Tracks - vier Titel von fünf Minuten dreizehn Sekunden bis vierunddreißig Minuten vierundvierzig Sekunden. Das lässt hoffen!! Und bei den Musikern handelt es sich auch noch um Fans des Progressive Rock aus den Siebzigern… die Hoffnung steigt!!!
Linus Kase und der Bassspieler Kristofer Eng lernten sich an der Royal Academy of Music in Stockholm kennen. Beide sind Fans der Musik von Yes und scharten im Jahre 2000 Daniel Kase als Schlagzeuger sowie den Gitarristen Johan Öijen um sich. 2006 kam Per Hallmann als zweiter Keyboarder dazu und 2007 tauschten Eric Hammerstrom und Daniel Kase die Bandplätze.
Brighteye Brison veröffentlichten bis 2008 drei CDs - "4:AM" (EP, 2001), "Brighteye Brison" (2003) und "Stories" (2006). Nicht unterschlagen sei hier die Mitwirkung auf dem Sampler "The Sweet According To Sweden", einem Sweet-Tribute Album schwedischer Musiker.
Vier Titel in achtundsechzig Minuten und dazu noch Progrock mit 70er Jahre-Einfluss! Die Bestätigung findet sich bereits während des ersten Hörens. Nicht nur die Yes-Richtung wird da eingeschlagen, ebenso klingt es nach frühen Genesis und dank des riesigen Tasten-Equipments auch nach ELP. Aber nicht nur die Siebzieger werden zitiert. Echolyn mit ihren unglaublichen 'Erzähltiteln' finde ich in den beiden mittleren Stücken. Dieses schöne Wandern zwischen Stilen, Sounds und Instrumentenbegleitungen - wunderbar. Und was die Stile angeht, bleiben mir Brighteye Brison nichts schuldig: Neben bereits Genanntem geben sie mir aus dem Hard Rock alles nur Erdenkliche, bewegen sich in symphoniemäßigen Gefilden bis hin zu großartig einfließenden Jazzimprovisationen, was alles auch kein Wunder ist. Denn die hervorragenden Musiker sind perfekt aufeinander abgestimmt. In den Nummern 'kämpfen' sie regelrecht miteinander, aber nicht um zu gewinnen, nein, um miteinander den erdenklich besten Erfolg zu erringen.
Eigentlich müsste die Bühne voller Tasteninstrumente stehen. Und wenn ich von keyboardlastig spreche ist das lobend, denn hier passt dieser Überhang hin, stört und nervt nicht. Eine kleine Auswahl der bespielten Tasten sei hier aufgeführt, die sich einzeln oder zusammen in den Stücken wiederfinden: Grand Piano, Rhodes, Wurlitzer, Clavinet, Synthesizers, Hammond Organ, CP-70 und das schöne alte Mellotron (das Nico doch so gut zur musikalischen Untermalung ihrer Songs nutzte).
Mit Eric Hammerström konnte Brighteye Brison den ehemaligen Flower Kings-Schlagzeuger in die Band eingliedern, was keinesfalls eine Verschlechterung der Qualität zur Folge hatte - sehr gut ausgesucht. Kein übermäßiges und überhängendes Getrommel - eingebunden in die Musik steht die Qualität im Vordergrund, was sehr schön in "The Harvest" nachverfolgt werden kann (direkt im Zusammenspiel mit dem Basser!!).
Aber auch Saiten spielen neben sehr guten Vocals (meist beide Keyboarder, die mich in "After The Storm" mit ihrem Gesang an Frogg Cafes "Creatures" erinnern) eine großartige Rolle. Kristofer Eng gibt mit seinem Solo-Bassspiel des Öfteren die Struktur für die Stücke vor. Doch platzt ihm manchmal richtig der Kragen und er spielt wild und entfacht, so als hätte er auf dem Korpus 12 und mehr Saiten und wird damit zu einem sehr wertvollen und nützlichen Mitspieler im Ensemble.
Und meint jetzt bloß nicht, die Gitarren seien ein 'notwendiges Überbleibsel' auf der CD. Wehrhaft und ohne große Schwierigkeiten spielt sich Johan Öijen in eine führende Position. Gekonnt eingesetzt, kann er problemlos zeigen, wo die Gitarre 'hängt'. Wunderbares Zusammenspiel und seine gekonnten Soloeinlagen machen jedes der vier Stücke zu einem Erlebnis für Gitarrenmusik-Liebhaber.
Nach einem (und dem kürzesten) schönen Rocktitel, in dem eigentlich Orgeln dominieren und der 'yessige' Anklänge aufweist, kommt einer meiner Favoriten, denn mit "After The Storm" stellen Brighteye Brison die Weichen für das, was noch kommt. Neben einem eingangs feinfühlig gespielten Bassübergang, der in einem erhellenden Gitarrenexkurs endet, greifen sie wahrhaftig, erfrischende Jazzkonstruktionen auf. Das ist einfach wohltuend für Ohr und Seele! Jeder darf sich am vorgegebenen Motiv die Finger 'wund' spielen, und der Gesang, wie schon gesagt, … (Frogg Cafe).
Mit hymnischem, Bach'schen Kirchenorgelspiel beginnt "The Harvest". Gesang (auch choral) und Musik steigern sich in den nächsten zwanzig Minuten zu musikalischen Höhepunkten, die ich nur ansatzweise wiedergeben will.
Ein Basssolo am Anfang, wabernd und sphärisch, der einsetzende Gesang erinnert mich an Genesis. Die musikalische Tendenz führt immer weiter nach oben, das Leitmotiv 'der Ernte' wiederholt sich, zeigt an, dass es sich immer noch um den gleichen Titel handelt. ELP-Elemente finden sich im Spiel, das sich noch weiter steigert. In der Hälfte des Werkes ein triumphierendes Gitarrensolo, ein allgegenwärtiger Bass neben den Tasten, unterlegte Natur- und Stimmengeräusche UND Linus Kase spielt einen Jazz-Saxophon-Teil - irre, irre, irre - ein Höhepunkt!
Und hier findet erst mal ein Bruch statt, der einen neuen Teil des Stücks beginnen lässt. Ruhig und überaus getragen singen sie das Leitmotiv zur akustischen Gitarre. Im Laufe steigert sich das Motiv, gewinnt erneut an Größe und Mächtigkeit, Orgel und E-Gitarre übernehmen den musikalischen Teil. Johan Öijen lässt hierbei so richtig die Sau raus, hergehört, ihr Freaks!
Ein unspektakuläres Ende leitet zu 34:44 Minuten Hörgenuss ein, der auch wieder Bläser zum Ton kommen lässt und der mit seinem Namen "The Grand Event" alles sagt, was es dazu zu berichten geben könnte. Kurz: Die gewaltige Zusammenfassung in einem Stück.
Was gibt es noch zu sagen?
Die CD ist nichts für zwischendurch (dafür gibt es das Mainstream-Radio) und lässt bei mir keine Wünsche offen. Mehr davon ... .
Line-up:
Linus Kase (Tasten, Saxophon, Perkussion, Gesang)
Per Hallman (Tasten, Gesang, akustische Gitarre - #3)
Johan Öijen (Gitarren)
Kristofer Eng (Bass, Perkussion, Mandoline, Gesang)
Erik Hammerström (Schlagzeug)

Gäste:
Daniel Kase (Xylophon, Trompete)
Figge Norling (Erzählstimme)
Tracklist
01:Pointless Living
02:After The Storm
03:The Harvest
04:The Grand Event
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