Und schon wieder etwas aus der Schweiz, das mir hier 'unter die Finger kommt'…
Wie bereits in anderen Fällen - ich staune abermals!
Staune darüber, wie relativ unentdeckt da im Bereich Jazz laufend Kreativität und Frische aus unserem Nachbarland sprudelt.
Brink Man Ship oder auch als ein Wort geschrieben, führt Wikipedia hierzu aus: »Brinkmanship (engl.: "Spiel mit dem Feuer" oder "Politik am Rande des Abgrunds") bezeichnet in der Spieltheorie eine riskante Strategie bei Verhandlungen. Der Ausdruck Brinkmanship ist zur Zeit des Kalten Krieges zwischen Vereinigten Staaten und Sowjetunion entstanden...«.
Wie passt nun die Musik von Brink Man Ship in die Definition dieses Begriffs?
Die Band mag insofern mit dem Feuer spielen, indem sie Tradition und Moderne zusammen führt, Jazz und elektronische Musik, und möglicherweise puristische Anhänger beider Lager verprellen mag.
Macht aber nichts, denn wenn ein Spiel mit dem Feuer ein solch brodelndes und überzeugendes Ergebnis zu Folge hat, dann brennt hier lichterloh etwas, das man getrost schon als Musik des 21. Jahrhunderts titulieren könnte.
Aufgenommen wurde live, anlässlich des Schweizer Jazzfestivals Willisau 2007. Als besonderer Reiz stellt sich die Hinzunahme des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvær als Gastmusiker dar, ist er doch ohnehin jemand, der den Jazz in der Neuzeit frisch definiert hat, vielleicht sogar in einer Folge logischer Entwicklung dessen, wie es Miles Davis fortgeführt hätte(?).
Seine, ansonsten sehr flächig und ruhig gespielte Trompete, erhebt auf "Piraat" mächtig die Stimme, ein von harten Drums perkussiv geprägtes, nervöses Stück, das intensiv fordert.
Verstörend und Angst um die Funktionsfähigkeit der Stereo-Anlage vermittelnd, mögen solche elektronischen Effekte wie z.B. auf "Interlude" wirken. Sie fügen sich letztlich aber in logischer Konsequenz in das Gesamtkonzept ein.
Mitunter ständig wiederkehrende Melodienfolgen, überlagert mit flächigen und sphärischen Tönen und immer wieder verschiedenen Samples, so fließt und federt der Sound dahin, für den Hörer stets etwas Neues bietend, und seien es Rap-Einlagen von Nya.
Moderne Musik an der Schnittstelle zu Jazz, Rock, Ambient, Elektronik, sozusagen am Puls der modernen Zeit.
Dabei scheinen die Strukturen oft sehr reduziert, sehr einfach gehalten, vielleicht, um alles am Boden zu halten.
"Nosy Surf Mock Pig": Wenn man die Eingangstöne hört, meint man, in eine orientalische Welt einzusteigen, bis Molvær dann nordische Unendlichkeit melancholisch dazutupft, alles von elektronischen Sounds umrahmt. Ganz wunderbar dazu der akustische Bass und plötzlich Gesang, zwischen gesprochen und gesungen.
Und darüber - es erinnert auch an die Musik Terje Rypdals - ergießen sich flächig-breite Klangkaskaden, elektronisches Gezirpe inbegriffen.
Diese Atmosphäre, mal sehr ruhig und fließend und mal fordernd-aggressiv, zieht sich durchgängig durch das Konzert. Man vergisst mitunter, dass es sich hier ja um eine Live-Aufnahme handelt, alles wird sehr professionell vorgetragen.
Mit federndem Groove, wabernd-hallenden Keyboardsounds und den tiefen Tönen der Kontrabassklarinette entlässt uns die Band mit "Silberfish" - und einem gewissen Wohlgefallen, aber auch irgendwie 'erschöpft', denn das sind schon eine Menge Klangeindrücke, die erst einmal verarbeitet werden müssen.
Line-up:
Jan Galega Brönnimann (sopransax, kontrabassclarinet, electronics)
Nils Petter Molvær (trumpet)
Nya (vocals, electronics)
René Reimann (guitar, electronics)
Emanuel Schnyder (double bass, electric bass)
Christoph Staudenmann (drums, computer)
Tracklist |
01:Nosy Surf Mock Pig
02:Interlude
03:Intro Sting Remix
04:String Remix
05:Signpost
06:Interlude
07:Piraat
08:Ornament
09:Aussenbezirk
10:Intro Silberfish
11:Silberfish
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