Bruce Brittain / Blue Sunday & More To Love
Blue Sunday & More To Love Spielzeit: 46:06 (Blue Sunday), 46:55 (More To Love)
Medium: CD
Label: Wisdom River Records, 2010 (More To Love), 2007 (Blue Sunday)
Stil: Folk, Blues, Americana

Review vom 04.10.2010


Günther Klößinger
Auch, wenn sein Nachname an englische Vorfahren denken lässt, hat die Musik des singenden Journalisten aus Atlanta/Georgia mit Brit Pop definitiv nichts am Hut und so zeigt der Untertitel der CD "More To Love" besser an, in welche Richtung es hier geht: "Americana by Bruce Brittain". Und tatsächlich: Sowohl textlich als auch kompositorisch atmen die Werke Brittains jenen unverkennbaren Präriewind, der bei uns sofort Assoziationen an bildgewaltige Westermstreifen oder die Straßenromantik der ersten halben Stunde von "Easy Rider" weckt.
Die Backing Band Brittains spielt dermaßen laid back, dass man die Musiker am liebsten fragen würde, was sie sich so alles in den Kaffee gekippt haben. Entspannt, relaxt, an manchen Stellen fast ein wenig zu geradlinig, ohne allerdings ins Seichte abzugleiten; hier sind Vollblutmusiker am Werk und mancher von ihnen hat sogar schon mit dem großen Johnny Cash gejammt. Sehr relaxtes Country-Flair macht sich breit, lässt einen an die Eagles denken, wobei auch in Bruce Brittains Musik immer wieder Elemente von Folk, Rock und Blues einfließen, zuweilen gar coole Barmusik oder swingende Reminiszenzen an die 40er und 50er Jahre.
Bruce Brittains Stimme hat ein charakteristisches, unverwechselbares Timbre, ist aber auch sehr wandlungsfähig und passt sich der Stimmung des jeweiligen Songs meist treffend an: Er sinniert wie ein melancholischer Garth Brooks, wird zum nachdenklichen Storyteller à la Bruce Springsteen, um dann wie Dean Martin whiskyselig über das Leben und die Liebe zu nölen. Natürlich ist Brittain weder Brooks noch Springsteen und (zum Glück?) auch nicht Martin, er hat seinen ureigenen Charme.
Beim ersten Hinhören verhindern die manchmal etwas zu straff geglätteten Arrangements die verstärkte Konzentration auf Brittains Sangeslyrik - aber genau hier, in seinen Texten, weist der Songwriter jene Ecken und Kanten auf, die der Musik etwas fehlen und die seine Songs weit über gängige Country-Klischees hinausheben.
Sein Thema ist das ganz normale Leben: Betrogene Liebe, das Altern, Alkohol, Spielsucht … das alles findet sich in seinen Zeilen. Und dazwischen findet man noch viel mehr, denn Brittain bejammert nicht einfach irgendwelche Missstände, noch jubelt er das vordergründig Schöne hoch - vielmehr betrachtet er den Alltag mit einem Augenzwinkern und sanfter Ironie. Seine Stärken kann er vor allem entfalten, wenn er sich den Luxus leistet, mal so richtig nachdenklich zu werden - auch in der sonnigsten Stadt geht die Sonne mal unter: In "Sundown In Sun City" beschreibt er mit einfühlsamer Intensität das Leben als Großvater.
Und Bruce weiß, wovon er singt, denn er selbst ist bereits ein alter Hase im Geschäft - als Kind lauschte er den Sendungen des legendären Radio-DJ Wolfman Jack, lernte so die Musik von Carl Perkins, Buddy Holly und anderen Größen jener Tage kennen. Mit acht Jahren besorgte sich der kleine Bruce eine billige Gitarre und spielte mit 12 bereits in seiner ersten Rock'n'Roll-Band. Als in den 60ern das Folkrevival seine Blütezeit hatte, wandte sich Brittain verstärkt der akustischen Spielweise der Singer/Songwriter vom Kaliber eines James Taylor oder dessen Ex-Gespielin Carly Simon zu. Später befasste er sich mit dem folkig-flockigen Countryrock der Eagles, aber auch Bands wie die Amazing Rhythm Aces zählt er zu seinen Einflüssen. Durch all die Jahre seiner musikalischen Aktivitäten blieb er immer wachsam für jeweils moderne Ausprägungen amerikanischer Musikstile, und so kam er natürlich auch nicht am Alternative Country vorbei.
Obwohl er ständig aktiv war, legte er sein internationales CD-Debüt erst 2007 mit "Blue Sunday" vor, eingespielt mit hochkarätigen Musikern. Der Silberling setzt sich aus Aufnahmen zusammen, die im Lauf mehrerer Jahre in Nashville entstanden - eine künstlerische Phase, die Brittain mit der ihm eigenen Selbstironie als »Unsuccessful Country« bezeichnet.
In der Tat zeigt er sich auf dem Nachfolgealbum "More To Love" aus dem Jahre 2010 wesentlich profilierter. Die Arrangements sind elektrischer, näher am Folk- und Country Rock als noch auf "Blue Sunday". Damit werden die Interpretationen den Texten auch wesentlich mehr gerecht.
Trotzdem: Um den Charme Brittain'scher Musik und Dichtung wirklich gebührend würdigen zu können, sollte man beide Alben kennen. Wer sympathische, reife Songs als Soundtrack für den inneren Western mag, ist mit den zwei CDs von Herrn Britain gut bedient.
Line-up:
Bruce Brittain (vocals and acoustic guitar)
Bradley Kopp (lead, slide and acoustic guitar)
Floyd Domino (keyboards)
Glenn Fukunaga (electric and stand-up bass)
Paul Pearcy (percussion)
Ponty Bone (accordion)
Cindy Cashdollar (dobro, steel and Tricone National guitar)
Billy Bright (mandolin)
Richard Bowden (violin)
John Hagen (cello)
Barry Brittain and Kristine DeWitt (harmony vocals)
Tracklist
Blue Sunday:
01:Wouldn't You?
02:Never Make You Blue
03:Whispers Of Smoke
04:Bring Me To My Knees
05:Silences
06:Little Things
07:She Wants To Change Things
08:Gambled Love Away
09:Portrait Of Your Pain
10:All Hat, No Cattle
11:Taxi Dance
12:Blue Sunday
More To Love:
01:More To Love
02:Woman Of A Certain Age
03:Look Who's Standin' Here
04:Your One And Mostly
05:Friday Afternoon
06:Sundown In Sun City
07:Can't Be
08:Bring Me To My Knees
09:Answer To A Question
10:She'll Spend Your Money
11:Never Met A Hero Yet
12:Not Meant To Be
Externe Links: