Nun dachte ich, dass heute wieder einer der verregneten und langweiligen Sonntage in meinem Leben ist. An Tagen wie diesem ist nichts los: also der perfekte Tag um den Blues zu haben und zu hören.
Zum Glück ist mir gestern neues Material, in Form einer CD aus dem Estland, in den Briefkasten gerauscht. In Estland gibt es eine Bluesszene? Nach dem ersten reinhören: Ja, gibt es! Und dem Blues scheint es in Estland richtig gut zu gehen. Es hat mich sogar stark beeindruckt, was ich da höre. Bevor ich aber etwas zur CD schreibe, ist es vielleicht nötig, die Band kurz vorzustellen, da sie nur den Wenigsten bekannt sein dürfte.
Bei Bullfrog Brown handelt es sich um ein traditionelles, alternatives Blues-Trio aus dem Estland. Die Band wurde 2003 von Sänger Alar Kriisa und dem Gitarristen Andres Roots (wie passend der Name) gegründet. Beide spielten bereits erfolgreich in der Band Green Bullfrog zusammen, mit der sie auch schon den einen oder anderen Award eingeheimst haben.
Sie wollten eine neue Band auf die Beine stellen, die etwas mehr den downhome-sound, also traditioneller klingt. Mit Üllar Kärt an der Harp war das Trio perfekt. Ihr ersten gemeinsamer Auftritt bei dem 'International WintFest Music Festival' in Tartu war sofort ein voller Erfolg für die Band. Gitarrist Andres Roots erhielt den
Award für den 'Best Instrumentalist'. Es folgten drei Studioalben und unzählige Live-Auftritte auf Bluesfestivals, Film- und Literaturfestivals, Stadthallen, Museen, Tankstellen, Cafeterias, Kneipen, Bars, Schulen, Kirchen, Kinos und sonst wo. Sie spielen überall, weil sie es lieben zu spielen.
Bei diesen erfolgreichen, bodenständigen Leuten geht es wirklich nur um die Musik, und das kann man auf der CD auch ganz klar hören. Allerdings eilt ihnen ihre Musik voraus. Natürlich haben sie schon in vielen Ländern live gespielt, aber
ihre Musik wird weltweit im Radio gespielt: Canada, USA, Kolumbien, Australien, Israel, Kroatien, Dänemark, Schweden und Norwegen. Leider, und zu unrecht, sind sie in Deutschland noch nicht so bekannt - was sich aber noch ändern dürfte.
Einige dürften sie vielleicht schon von der "Resophonic Players of Europe 2005"-Kompilation CD kennen - das war's dann leider auch schon.
Bevor es jetzt zum CD-Review geht, ein paar internationale Pressestimmen:
"...if Keb Mo is one of the best acoustic bluesmen of the younger generation in America, and Eric Bibb one of the best European blues musicians by 'naturalization' we can certainly place Bullfrog Brown right next to them." (Mladen 'Mike' Loncar, Rock Oko, Croatia)
"...the only blues CD I have received here in Australia from Estonia, and it certainly proves the blues is alive and well in your part of the world, some hauntingly beautiful original blues numbers." (Geoff Pegler, BluesBeat, Australia
"...originated from the fact that there was no other resophonic player around in Estonia who could show him the tricks, Mr Roots has simply invented a style of his own... Impressive!" (Johan 'Bottleneck John' Eliasson, Musikbaren, Sweden)
Das neue Album Snakes & Devils ist 2005 bei 'KWAQ-Records/MTÜ Tartu Blues' erschienen. 'KWAQ' ist ihr eigenes, kleines, estonisches Blueslabel und damit haben sie sich die Freiheit gewährt, die sie brauchen, um eine so authentische Platte aufzunehmen.
Auf der CD sind dreizehn ungekünzelte Tracks in bester Delta-Blues-Manier zu finden. Alle Songs sind, bis auf Track Nummer 1 ("The Wind Still Blows"), vom Gitarristen Andres Roots geschrieben. Für die Studio-Versionen der Songs haben sie sich noch Bassmann Peeter und Drummer Raul Terep mit ins Studio geholt.
Eine gute Delta-Bluesplatte braucht einen Sänger, der sich anhört, als ob er seinen Tag anstelle mit Kaffee mit Whisky beginnt, einen gnadenlos-guten Slide-Gitarristen, einen dreckigen Harp-Spieler, sowie durchdachte, hochwertige Texte. All das ist auf der CD von Bullfrog Brown zu finden. Dazu noch gekonnt minimal eingesetztes Bass-&Drum-Spiel, dass die Stimmungen sehr gut unterstützt - und damit ist die CD
komplett und für mich bis jetzt das Highlight an Delta-Blues in diesem Jahr.
Mein Anspieltipp ist "I'll See You Mr. Blues". Ein Blues-Song, der so einfach wie genial ist. Erinnerte mich schlagartig an Son House. Unglaublich gutes Gitarrenspiel, und alles andere fügt sich nahtlos und perfekt ein.
Die anderen Songs müssen sich jedoch keinesfalls davor verstecken. Irgendwo in der Presseinfo habe ich gelesen, dass die CD in die Kategorie 'Punk-Blues' fällt, womit ich allerdings nicht übereinstimme. Hört man doch die Einflüsse von Bob Dylan, Tom Waits, den Doors und - natürlich - den vielen, großen Delta-Blueslegenden raus - allerdings ohne dabei ihren eigenen Stil zu
vernachlässigen.
Prägend dafür wohl auch das fantastische Harpspiel, welches von Track zu Track unterschiedliche Akzente setzt. Mal sanft im Hintergrund, mal knallhart im Vordergrund. Einziges Manko für mich ist, dass die Stimme von Alar Kriisa nicht zu jedem Track passt. Soll heißen, dass die Stimme ihren eigenen Charakter hat, was natürlich erst mal nichts Schlechtes ist. Sie ist gewöhnungsbedüftig, aber je öfter ich sie höre, desto besser gefällt sie mir. Und auch so eine Stimme wird ihre Fans haben.
Erfreulich, eine so reife, authentische Bluesband zu hören. So machen Blues-Sonntage wieder Spass. Hier ein Link zu einem Musikvideo der Band.
Als Manko bleibt noch zu erwähnen, dass die CD mit knapp 40 Minuten Spieldauer etwas kurz ausfällt - Schallplattenlänge halt und
für den Delta-Blues dann doch irgendwie vollkommen okay. :-)
Spielzeit: 39:26, Medium: CD, KWAQ Records/MTÜ Tartu Blues, 2005
1:The Wind Still Blows 2:Legacy Blues 3:Snakes Were Gettin' 4:Night 5:Missmeal Blues 6:Devil Went A-Walkin' 7:Feed The Habbit 8: I'll See You Mr. Blues 9:The Windows Are Shakin' 10:Saucer Full Of Cream 11:Whiskers 12:Blues For Tinkle 13:Sittin' By The Window
Tom Kaldyka, 11.04.2006
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