The Byrds / Untitled-Unissued (deLuxe Reissue)
Als Fan von alten Klassikern ist man auch bei Sony in guten Händen - über die Tochter "Legacy Recordings" und die bietet wie auch in diesem Fall Überragendes! Nicht nur wegen des Restaurierens des Klangs (der ist für eine so alte Aufnahme über jeden Zweifel erhaben) - nein, gerade wegen der zusätzlichen CD. Man erinnert sich: Die Platte wurde als Doppel-LP auf den Markt gebracht (eine LP mit Livematerial, die andere mit damals neuen Studiosongs).
Der Titel des Reissues deutet es schon an: Es gibt mit "Unissued" eine Bonus-CD und entgegen der Praxis, das ürsprüngliche Werk zuerst zu würdigen möchte ich mit einem Kommentar dieser Bonus-CD beginnen. Zuerst fällt auf, dass es ein paar Überschneidungen mit dem Originalmaterial gibt, mal gibt es gegenüber dem damals veröffentlichten Doppelalbum hier Studioeinspielungen (Lover of the Bayou - in einer Gitarren-Hammerversion, die es locker mit der schon immer mitreissenden Liveaufnahme aufnehmen kann! und Take a Whiff on me) oder auch gänzlich alternative Einspielungen (Yesterday's Train).
Fast wirklich beängstigend gut gelungen im Sinne einer Dokumentation bietet die Bonus-CD einmalige Qualitäten: Willin' von Lowell George schon über ein Jahr bevor LITTLE FEAT überhaupt gegründet waren! Und die hält dem Vergleich zur FEAT-Version (der besseren Einspielung auf deren "Sailin' Shoes"-Album stand!).
Aber da ist noch soviel mehr! Eine weitere Live-Collage mit mehreren Songs mitten aus dem Hippie-Zeitalter, dessen Mentor auch und gerade die Byrds waren, die nach ihren ersten grossen Pop-Erfolgen und dem Ausscheiden von Grössen wie Gene Clark und David Crosby dann auf die sich gerade erst im Bau befindliche Rock-Highway abgebogen sind, die Songauswahl aus dem Kultfilm par Excellence "Easy Rider" belegen dies.
Deswegen auch hier It's alright, Ma (I'm only bleedin') und Ballad of Easy Rider in atemberaubend guter (Live-)Atmosphäre, in deren Übergang dann Roger McGuinn so einmalig die aggressive Stimmung des erzkonservativen Amerika gegenüber den Hippies im typischen Slang verlauten lässt (und er hat diesen fast unerträglichen Slang so gut hier nachgemacht - wohl auch, weil er damals selbst Zielscheibe war - dass ich ihn mit simplen Worten natürlich nicht richtig darstellen kann) - das muss man einfach selbst hören, um dann unweigerlich und wahrscheinlich unbewusst Aggressionen gegen die Aggressoren aufzubauen: "Hey Hippie, Get A Haircut... Want Me To Blow Your Brains Out?"
Die Antwort gibt das Ende vom Film, den ja sicher jeder kennt... man darf wohl sagen, dass diese Platte nicht nur ein Tondokument war und ist, nein - es ist auch ein Gemälde dieser Zeit mitten im amerikanischen Vietnam-Trauma! Sehr schöner Ausklang mit dem a capella vorgetragenen Amazing Grace am Ende des Dylan-Klassikers This Wheel's on Fire.
Was mich zur CD des 1970er Doppelalbums bringt, wie wir es alle kennen und lieben. Alles oben gesagte trifft natürlich genauso zu, und es gilt ein paar zusätzliche Anmerkungen zur Musik zu machen: Eight Miles high in einer 16 Minuten Live-Gitarren-Tour de Force, Lover of the Bayou sowieso, die Liveplatte überzeugte schon immer - und zeigt(e) den verstorbenen Clarence White in selten gehörter Form, ich würde so weit gehen zu sagen, dass er es war, der die Byrds zum Rock angetrieben hat! Sein Gitarrenspiel drückt den Livetracks regelrecht einen Stempel auf und wurde auch oft kopiert - von den damals üblichen Verdächtigen - und ja, im Umfeld von Neil Young, David Crosby, Steve Stills und Konsorten (wenn auch in etwas abgewandelter Weise - wer war zuerst da, die Henne oder das Ei?)
Die Byrds rocken sich hier die Seele aus dem Leib (wobei Headbanger damit sicher nichts anfangen könnten!) - ist es doch immer Country-Rock (Betonung auf Rock der Liveplatte!). Kenner waren und sind aber ohne Abstriche begeistert! Die Studioplatte (mit Betonung auf Country) zeigte dann nochmal exemplarisch, welch gute Dylan-Interpreten die Byrds waren - oh nein - das ist zu wenig gesagt - sie waren Dylan-Spezialisten, die den teils skurrilen Songs des Poeten dramatische Änderungen angedeihen liessen (Positively 4th Steet) beispielsweise ohne die berühmten Bearbeitungen im Umfeld von Mr. Tambourine Man im Detail anzusprechen. Dass in Mr. Spaceman das Band mal geeiert hat wird man verschmerzen - so und nicht anders kennt man diesen Track ja...
Über 30 Jahre sind nach der Erstveröffentlichung vergangen (ich bekam im Juli 1971 die Platte als Geburtstagsgeschenk - werde ich nie vergessen - ich war stolz wie ein König und hab die Doppel-LP noch!) und nun kann man nur noch sagen, dass es den Leuten bei Sony Legacy Recordings wie eingangs erwähnt mit wiedermal glücklichem Händchen und sicher auch viel Liebe beim Aufbereiten der alten Tapes gelungen ist einen weiteren Schatz nicht nur zu bergen, sondern auch das Gold neu zu polieren.
Klasse Klang, dickes informatives Booklet - hier wurde nicht gespart. Den Fans muss man zurufen: Kaufen und geniessen!! Die alten Zeiten wollen wir nicht verklären, aber sie hatten so viel Stil und Klasse, oder?
Spielzeit: 120:50, Medium: Doppel-CD
Manni Hüther, 3.6.2004