Muntere Vergangenheitsbewältigung in der Rockdiaspora
Es gibt sie noch - die klassischen Rock'n'Roll-Bands, die ihre Zuschauer per Handschlag begrüßen und anschließend auf der Bühne ein Feuerwerk der simplifizierten Rockmusik entfachen können, dabei auf jegliches Showelement verzichten, gleichwohl aber nicht auf die Pose.
An diesem Abend sind Dan Baird & Homemade Sin zu Gast im Meisenfrei, einem rührigen Musikklub in der Hansestadt Bremen, Fels in der Brandung rockmusikalischer Publikumsdiaspora und heizen dem tristen November gewaltig ein. Nicht mehr ganz jungen Semestern könnte Dan Baird noch als Frontmann der Georgia Satellites ein Begriff sein, die anno 1986 ein One-Hit-Wonder mit "Keep Your Hands To Yourself" landen konnten, in den US-Billboardcharts lediglich übertrumpft von Bon Jovi mit "Livin' On A Prayer". Während allerdings letztere Weltkarriere machten und bis heute nur die ganz großen Locations bespielen, blieb die damalige MTV-Heavy-Rotation der Satellites eine relative Eintagsfliege und Dan Baird machte sich bereits 1992 mit seinem
Solodebüt "Love Songs For The Hearing Impaired" selbstständig. Damals waren schon zwei ehemalige Satellites-Mitstreiter an Bord, Keith Christopher am Tieftöner, der die Satellites vor den ersten Plattenaufnahmen verlassen hatte, und Schlagwerker Mauro Magellan, der auf dem Zweitwerk der Satellites ("Open All Night" 1988) debütierte.
Und heute stehen genau diese drei Haudegen auf der Bühne, ergänzt durch den Leadgitarristen Warner E. Hodges, in jungen Jahren bei Jason & The Scorchers auffällig geworden und sicht- wie hörbar großer Verehrer des Gibson-Sounds, der wundervoll akzentuiert und stürmisch zugleich die schrubbelige Telecaster-Rhythmusgitarre von Dan Baird genauso kontrastiert wie einebnet.
Seit 2005 firmiert die Combo unter Dan Baird & Homemade Sin und versteht sich in erster Linie als Live-Band.
So bekommt das Publikum gut geölte und typisch amerikanische Rockmusik präsentiert, zusammengesetzt aus einem Konglomerat aus Country-, Roots-, Blues-, Boogie- und Southernrock. Es ist aber kein Zufall, dass ebenfalls Assoziationen zu britischen Kapellen wie Faces, Humble Pie oder Rolling Stones geweckt werden, zu ähnlich sind die musikalischen Wurzeln und letztlich zumindest die optische Erscheinung der Altbuddies Dan Baird und Keith Christopher, die beide sofort bei den 'rollenden Steinen' einsteigen könnten.
Der Rezensent hat Bill Wyman leider nie live spielen sehen, aber Keith Christopher wäre mit seiner fast swingenden Art womöglich ein probates Äquivalent. Und er kann wirklich singen!
Dan Baird wiederum erinnert in seinem Gesangsstil durchaus mal an Rod Stewart oder Steve Marriott, ohne allerdings deren Klasse zu erreichen und personifiziert einfach eine gewisse grundsympathische Schnoddrigkeit.
Mauro Magellan treibt den Laden erbarmungslos voran, wuchtig, dynamisch, drückend und wohltuend unter Verzicht sonst gerne üblicher Showmätzchen.
Warner E. Hodges ist in der Karriere des 58-jährigen Dan Baird erst der dritte Saiten-Sidekick und die Chemie stimmt prächtig. Es gibt viele kleine Soli (und noch mehr Grimassen) im unverwechselbaren Gibson-Sound, nie ausufernd, aber effektiv und stellenweise wird gar ein jubilierendes, verzahntes Zusammenspiel mit der Telecaster von Dan Baird zelebriert, dass es eine wahre "Free Bird"-Freude ist. Aber auch hier ufert nichts aus, dieses Quartett ist keine Jam-Band sondern eine Rock'n'Roll-Kapelle.
Selbige greift dabei auf ein Repertoire zurück, welches sich überwiegend aus alten Georgia Satellites-Tagen, Dan Baird Solo-Sachen und einigen Coverversionen zusammensetzt. Dabei wird bezeichnenderweise sowohl einer uramerikanischen Band wie The Band mit "The Weight" gehuldigt, wie auch der Speerspitze der Populärmusik überhaupt, den Beatles mit "A Hard Day's Night".
Schlussendlich bleibt zu konstatieren, dass an diesem Abend zwar die Musikgeschichte alles andere als neu geschrieben wird, aber deren Pflege und Transport in die Gegenwart ist nicht hoch genug einzuschätzen, gerade bei einer rockmusikalischen Ausprägung, die davon lebt, dass sie nur funktionieren kann, wenn das emotionale Epizentrum schwitzt, Herz und Extremitäten angeregt werden. Das gelingt an diesem Abend vortrefflich!
Des Rezensenten ausdrücklicher Dank gilt der problemlosen Spontanakkreditierung.
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