Dee Dee Bridgewater / Eleanora Fagan (1915-1959):
To Billie With Love From Dee Dee
Eleanora Fagan (1915-1959): To Billie With Love From Dee Dee Spielzeit: 51:55
Medium: CD
Label: DDB Records, 2010
Stil: Jazz


Review vom 09.03.2010


Wolfgang Giese
Dee Dee Bridgewater, eine der Jazzsängerinnen der 'jüngeren' Generation, wird dieses Jahr auch bereits ihren 60. Geburtstag feiern. Erst seit Mitte der 90er Jahre als Jazzsängerin richtig bekannt und anerkannt, durch den großen Erfolg des hervorragenden Albums "Love And Peace", ihrer Homage an Horace Silver, gilt sie als eine der besten zeitgenössischen Interpretinnen des 'echten' Vokaljazz.
Neben dem erwähnten Tribut, zollte sie zwischenzeitlich selbiges der Kollegin Ella Fitzgerald und dem Komponisten Kurt Weill. Und hier nun das wohl schwierigste Unterfangen, ein Tribut an die ganz großartige Künstlerin Billie Holiday. Schwierig wohl auch darum, weil es sich um zwei Sängerinnen handelt, wie sie unterschiedlicher wohl kaum sein können.
Auf der einen Seite (Billie) die unglaublich schwermütig klingende, mit relativ dünner Stimme und nicht so großem Stimmumfang ausgestattete, die jedoch durch das Einbringen von 'blue notes' und die Nutzung ihrer Ausdruckskraft, indem sie viele Zwischentöne, ein unglaubliches Feeling und Dramatik in die Titel integrierte, brillieren konnte. Und auf der anderen Seite (Dee Dee) ein Vulkan mit Urkraft und ständig umtriebigem Ausdruck, eine oft personifizierte Naturgewalt, die den Eindruck erweckt, sich zurückhalten zu müssen, um nicht zu explodieren, und das unter Einbeziehung vieler Scatelemente.
Rhythmisch sehr komplex, mit stimmlich-rauchigem Ausdruck, so startet die Platte mit "Lady Sings The Blues", einem der für Billie typischen Stücke.
Sogar mit mitunter leicht rockendem Ausdruck transportiert der Pianist Edsel Gomez den Song mit seinen Arrangements in die 'Neuzeit'. James Carter spielt zwar mit seinem typisch 'rotzigen' Stil, hält sich jedoch sehr zurück. Hier fehlt völlig die dem Original so eigene Dramatik. Schon gleich wird klar und deutlich: Bridgewater wird kein Coveralbum abliefern, wir werden umdenken müssen, wenn wir die Originale kennen und ähnliche Interpretationen erwarten. Gemäß dem Motto »Nobody sings Billie like Billie« eine wohltuende Entscheidung.
"All Of Me" swingt energisch und Dee Dee scattet auf ihre druck- und ausdrucksstarke Art, mit satter Rauheit in der Stimme. Erst mit "Good Morning Heartache" kehrt etwas Ruhe und Beschaulichkeit ein.
Nachfolgend erschließt sich ein wechselhaftes und abwechslungsreiches Programm. Titel, von denen man gar nicht vermutet, dass Billie Holiday sie jemals interpretiert haben könnte, so sehr hat sich Dee Dee sie zu eigen gemacht.
Neben der an sich auffälligen 'Rotzigkeit' der Stimme, geht die Sängerin ab und zu völlig in sich und scheint das Innerste nach außen zu kehren; bei solchen intensiv romantisch-traurig-melancholischen und ergreifenden Titeln wie z.B. "You've Changed", "God Bless The Child" oder "Don't Explain", mit Flöteneinsatz von Carter.
"Fine And Mellow" hat einen stark bluesigen Anstrich und swingt sanft schaukelnd vor sich hin, der Drummer agiert lasziv aus dem Handgelenk und Bridgewater und Carter zelebrieren diese Bluesstimmung regelrecht, wie in einem Frage-und Antwortspiel. Faszinierend.
Außergewöhnlich auch "Mother's Son-in-Law", bei dem sich die Sängerin mit dem Bassisten das Stück zunächst teilt, bis die übrigen Instrumente dazustoßen. Ein total cool vorgetragenes Stück! Bei "Foggy Day" fällt auf, dass der Track ähnlich aufgebaut ist, und die Atmosphäre eines nebligen Tages ist gut getroffen, doch wenn ich Billie davon singen höre, bekomme ich eine Gänsehaut!
Die kommt dann aber unweigerlich bei "Strange Fruit"! Die unglaubliche Dramatik des Titels beinhaltet für mich die größte Übereinstimmung in beiden Interpretationen, wird hier die Unglaublichkeit dessen, was hier im Text geschildert wird, von beiden Sängerinnen gleichermaßen bewegend transportiert. Dazu Carter mit dezenter Begleitung an der Bassklarinette, die düstere Atmosphäre des Themas sehr malerisch gestaltend. Dee Dee scheint bisweilen zu weinen, diesen Eindruck erweckt es jedenfalls. Das ist dramatisch und stark berührend, wenn sie nur noch unbegleitet vorträgt - einer der Klassiker der Musikgeschichte, dieses erschütternde Stück, das ein düsteres, noch existierende Kapitel der Menschheitsgeschichte beleuchtet!
»Southern trees bear a strange fruit,
blood on the leaves and blood at the root,
black body swinging in the Southern breeze,
strange fruit hanging from the poplar trees. «

In diesem Zusammenhang möchte ich unbedingt empfehlend auf die Platte von James Carter hinweisen, auf der er sich thematisch mit 'Lady Day' beschäftigte. Das 2003 erschienene Album "Gardenias For Lady Day", auf dem er dieses Thema ganz anders und nicht so zurückhaltend wie hier anging.
Und als Schlußwort bleibt mir der auf der Rückseite des Booklets abgedruckte Hinweis von Dee Dee Bridgewater:
»Young people take note of this woman's life,
this woman's bravery, so you can learn to stand up,
and not to be afraid to speak in your own voice.
Children, stand tall and dare to be a Billie Holiday!«
Line-up:
Dee Dee Bridgewater (vocals)
Edsel Gomez (piano, arrangements)
Christian McBride (bass)
Lewis Nash (drums)
James Carter (tenor sax - #1, 5, 6, 8, 9, soprano sax - #2, 4, 10, bass clarinet - #3, 12, alto flute - #7)
Tracklist
01:Lady Sings The Blues(Holiday, Nichols) 3:33
02:All Of Me(Marks, Simons ) 3:00
03:Good Morning Heartache(Drake, Fisher, Higginbotham) 5:11
04:Lover Man (Davis, Ramirez, Sherman) 4:43
05:You've Changed (Carey, Fischer )5:09
06:Miss Brown, To You (Rainger, Robin, Whiting) 2:15
07:Don't Explain (Herzog, Holiday) 6:15
08:Fine And Mellow(Holiday ) 4:56
09:Mother's Son-In-Law (Holiner, Nichols ) 2:48
10:God Bless The Child (Herzog, Holiday ) 5:13
11:Foggy Day (Gershwin, Gershwin) 4:33
12:Strange Fruit (Allan) 4:16
Externe Links: