Dickey Betts & Great Southern
Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008)
Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008) Spielzeit: 98:00 (DVD 1), 100:00 (DVD 2)
Medium: DVD
Label: SPV, 2009
Technik:
Format: 4:3 / Audio: Dolby Digital 2.0 (DVD 1)
Format: 16:9 / Audio: Dolby Digital 2.0 (DVD 2)
Ohne Altersbeschränkung
Stil: Southern Rock

Review vom 18.05.2009


Eva Knöferl
Wir befinden uns im Jahr 1978. Die Bühne der Grugahalle Essen betritt eine Band, die aussieht, als wäre sie soeben einem Bild entsprungen, das im Lexikon direkt neben dem Begriff 'Southern Rock' abgedruckt sein könnte. Und Dickey Betts und seine Great Southern-Jungs sehen nicht nur so aus wie die archetypische Southern Rock-Band - sie klingen auch so.
"Run Gypsy Run" eröffnet ganz klassisch mit kernigem Gesang nebst brüllenden und jaulenden Gitarrensoli das erste der beiden Konzerte, die für die Rockpalast-Reihe aufgezeichnet wurden. Genau 30 Jahre später gibt sich das Gründungsmitglied der Allman Brothers noch einmal die Ehre (diesmal am Museumsplatz Bonn und in veränderter Besetzung). Auf zwei DVDs sind diese beiden Konzerte nun unter dem Titel "30 Years Of Southern Rock (1978-2008)" erschienen.
Zunächst sehen wir also den jungen Dickey Betts, der mit seinem Soloprojekt 1978 sein Europadebüt gibt. Great Southern ist mit zwei Gitarristen, zwei Schlagzeugern, einem Keyboarder und einem Bassisten zwar ganz ähnlich besetzt wie die Allman Brothers Band, allerdings entfernt sich der Sound der Band ein Stück mehr von deren Blues-Einflüssen, hin zu einem Mix aus Rock, Country, Gospel und - ja, schon hin und wieder auch ein bisschen Blues.
Richtig loslegen kann die gut eingespielte Band beim dritten Song, "Leaving Me Again", der dem deutschen Publikum alle Ingredienzien eines guten Southern-Rockers vorführt: Der fette Sound einer Slide-Guitar, ein eingängiges Rockriff, der rollende Drive einer großen Band und eine Geschichte über »gettin' drunk, takin' a lot of dope, get put in jail, havin' your lady leave you and writin' a song about it«. Ebenso rockig geht es mit "Back On The Road Again" weiter, bevor zu "In Memory Of Elizabeth Reed" etwas ruhigere Töne angeschlagen werden. Über dem atmosphärischen Klangteppich der Band erinnert Betts Gitarrenspiel plötzlich ein wenig an Carlos Santana und auch seine Mitmusiker dürfen ihr Können unter Beweis stellen.
Ein Highlight der ersten DVD bildet das Instrumental "Jessica", das Betts seiner Tochter gewidmet hat. Neben dem exzellenten Spiel der beiden Gitarristen steht hier auch Michael Workmans Arbeit an den Tasten im Vordergrund. Überhaupt präsentiert sich Betts nicht als alleiniger Frontmann der Band, sondern leistet sich einen hervorragenden zweiten Gitarristen (Dan Toler, der auch zeitweise Mitglied der Allmans war) und gibt seinen Kollegen stets viel Raum, ihr Können zu zeigen. Es ist allerdings bezeichnend, dass ein rein instrumentaler Song den Höhepunkt des Konzerts darstellt, denn Dickey Betts Stimme klingt oftmals relativ dünn und sein Gesang kann an Kraft und Emotion mit vergleichbaren Sängern der Allmans, etwa dem eines Warren Haynes, nicht mithalten.
Dennoch werden Dickey Betts und Great Southern für ihr musikalisches Können zu Recht frenetisch vom deutschen Publikum gefeiert - bis endlich Dickeys Allman-Hit "Ramblin' Man" ertönen kann, muss man sich die schier endlosen Rufe nach einer Zugabe in voller Länge ansehen. Fast wäre Zeit gewesen, jeden einzelnen Zuschauer beim Klatschen abzufilmen - ein kleiner Schnitt hätte hier Wunder bewirkt.
Es folgt ein Sprung ins Jahr 2008: Die Haare sind etwas kürzer, der Bart ist noch dran und der Sound klingt sogar noch ein gutes Stück rockiger als beim Konzert 1978.
Zunächst geht es aber blueslastig mit Blind Willie McTells "Statesboro Blues" los und die Tendenz zum Klassiker zieht sich durch die ganze zweite DVD: Nicht nur das gute alte "One Way Out" wird wieder ausgegraben (und von der spielfreudigen Band auf Hochglanz poliert), sondern auch "Jessica", "In Memory Of Elizabeth Reed" und "Ramblin' Man" sind wieder Teil des Sets. Während man sich "Jessica" gerne noch ein zweites Mal ansieht und -hört, hätten ein paar frische Songs (beispielsweise anstatt der wenig veränderten Version von "Elizabeth Reed") nicht geschadet. Allerdings kann die sehr gut eingespielte Band, die oft und bereitwillig zu ausgedehnten Solo-Orgien ansetzt (sich aber nicht in ihnen verliert), dieses Manko wieder wettmachen. Besonders Michael Kach an den Keyboards bereichert das Klangspektrum und agiert als zweiter Frontmann und Sänger. Aber auch Pedro Arevalo am Bass (der 2008 unter anderem auch mit Allman-Sprössling Devon auf Tour war) und die zwei Gitarristen Duane Betts und Andy Aledort verdienen viel Lob. Wie auch schon beim Konzert 1978 zeigt Betts keinerlei Starallüren und lässt seiner Band viel Spielraum - ein besonderes Schmankerl ist natürlich das Zusammenspiel von Vater und Sohn, die mal gemeinsam, mal sich gegenseitig herausfordernd ihre Goldtop Les Pauls zum Singen bringen.
Apropos Hör- und Sehvergnügen: Die Bild- und Tonqualität entspricht den Rockpalast Standards, auch wenn das Konzert von 1978 naturgemäß nicht in der gleichen Schärfe wiedergegeben werden kann wie das von 2008. Auch optisch befriedigt die DVD mit stilvollem schwarz-weißem Pappcover und einem kleinem Booklet, das allerdings etwas ausführlicher hätte ausfallen können.
Insgesamt sind beide DVDs sehenswert und nicht nur die Fans der Allman Brothers werden sicher ihre Freude an dieser 30 Jahre umspannenden Zusammenstellung haben.
Line-up DVD 1:
Dickey Betts (guitar, vocals)
Dan Toler (guitar)
Michael Workman (keyboards)
David Godflies (bass)
David Toler (drums, percussion)
Dani Sharbono (drums, percussion)

Line-up DVD 2:
Dickey Betts (guitar, vocals)
Duane Betts (guitar)
Frankie Lombardi (drums, backing vocals)
Michael Kach (organ, vocals)
Pedro Arevalo (bass)
James Vanardo (drums)
Andy Aledort (guitar)
Tracklist
DVD 1 (Grugahalle Essen 1978):
01:Rockpalast-Intro
02:Run Gypsy Run
03:You Can Have Her / Leavin' Me Again
04:You Can Have Her
05:Back On The Road
06:In Memory Of Elizabeth Reed
07:Good Time Feelin'
08:Dealin' With The Devil
09:Jessica
10:High Falls (incl. Drum-Solo)
11:Ramblin' Man
DVD 2 (Museumsplatz Bonn 2008):
01:Statesboro Blues
02:Nothing You Can Do
03:Blue Sky
04:Get Away
05:One Way Out
06:Jessica
07:Havin' A Good Time
08:In Memory Of Elizabeth Reed
09:No One To Run With
10:Ramblin' Man
Externe Links: